Goldrausch
Der Champagner von Armand de Brignac bringt den gewissen Bling-Bling-Faktor ins Weinregal. Die markante goldene Metallic-Flasche ist ein Statussymbol ersten Ranges, heftiger Dekadenzalarm inklusive.
Das Ding hat Gewicht. Die 0,7-l-Flasche mitsamt der imposanten lackierten Holzkiste bringt satte drei Kilogramm auf die Waage. Der glänzende Goldlack auf der Flasche speichert jeden Fingerabdruck, ist von Hand poliert, ebenso wie das manuell aufgebrachte Etikett aus Zinn.
Eine Champagnerflasche von Armand de Brignac ist im Auftritt das absolute Gegenteil von schlichter Zurückhaltung. Das weckt Erwartungen, vor allem bezüglich des Inhalts.
Die Flaggschiff-Cuvée Brut Gold wird stets aus drei Jahrgängen komponiert, besitzt einen frisch-fruchtig-lebendigen Charakter und eine betont weiche Textur. Das gefällt bei der Degustation Profis wie Amateuren gleichermaßen. Mit dem wichtigen Unterschied, dass Letztere das Geld und das Herz haben, im Handel mindestens 330 Euro für die Normalflasche zu bezahlen. Imagegewinn nicht ausgeschlossen, aber Vorsicht: So viel Flaschen-Bling-Bling wird mancherorts falsch interpretiert. Oder ist das einfach nur Neid?
In der Flasche befinden sich 40 % Pinot noir, 40 % Chardonnay und 20 % Pinot Meunier. Die Dosage liegt bei 9 g; das ergibt einen opulenten Trinkfluss, wie man ihn von klassischem Champagner kennt. Wer eine Flasche geschenkt bekommt, kann sich getrost Zeit lassen. Bei idealen Bedingungen im Keller ist eine Lagerung von zehn Jahren und mehr kein Problem.
Entsprechend länger stellen sich die Lagerungsperspektiven bei den Großflaschen dar. Die absolut größte Flasche in der Champagne ist die Brut Gold Midas. Sie fasst 30 Liter, wiegt über 45 Kilogramm, ist knapp eineinhalb Meter hoch und kann nur von einem eingespielten Team vernünftig gehandelt werden. Der Preis? Frage nicht …
Rapper Jay-Z und alter Winzeradel
Mindestens so illuster wie Flasche, Verpackung und Inhalt sind bei Armand de Brignac die handelnden Personen.
Die Familie Cattier repräsentiert alten französischen Winzeradel. Mittlerweile dreizehn Generationen reicht der Stammbaum im Familienbetrieb zurück. Die Cattiers sind in der Montagne de Reims ansässig und verfügen über 33 Hektar eigene Weinberge in einigen der meistgelobten Crus der Champagne, darunter die Dörfer Rilly-la-Montagne, Chigny-les-Roses und Ludes. Nachhaltigkeit ist eines der Hauptprinzipien im Weingut. Die Cattier-Ländereien sind mit HVE-Level 3 zertifiziert, der höchsten Bewertung der französischen Regierung.
Und da ist dann auch noch Shawn Carter, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Jay-Z.
„I am not a businessman, I am a business, man.“ Die Textzeile aus dem Song Diamonds from Sierra Leone, den Jay-Z gemeinsam mit Kanye West aufnahm, darf als ernst zu nehmendes Lebensmotto gewertet werden. Das ganze Leben, ein Geschäft. Rap und Kommerz, das ist bei ihm eine untrennbare Einheit. Nach einer Berechnung von Forbes ist Jay-Z Dollar-Milliardär. Sein Vermögen machte er unter anderem mit Anteilen beim Musik-Abo-Dienst Tidal und dem Modelabel Rocawear sowie Beteiligungen bei Uber, dem Zahlservice Square oder auch beim Cognac-Hersteller D’Ussé.
Champagner und Rap, das war eigentlich eine innige Beziehung mit Louis Roederers Cristal. Weil sich dann aber, man schrieb das Jahr 2006, ein Roederer-Manager abfällig über die Protagonisten der Rap-Szene und deren Fans äußerte, wechselte Jay-Z zornig und beleidigt die Marke. Ab diesem Zeitpunkt floss in Songs, Videos und bei Partys nur noch Champagner von Armand de Brignac. Zeitgleich bemühte sich Jay-Z um Anteile bei den Cattiers, 2014 übernahm er das Unternehmen komplett.
Über seine Sportagentur sorgte Jay-Z dafür, dass die Boston Red Sox-Baseballspieler beim Meisterschaftsgewinn seinen Champagner tranken. Effektiver kann Product Placement nicht erfolgen. Dass Beyoncé Knowles, Jay-Zs Ehefrau, im Video zu Nicki Minajs Feelin’ Myself so tat, als ob sie im Champagner baden würde, gab der Goldmarke ebenso Auftrieb wie beispielsweise die nette Nebenbeipointe von den Golden Globes 2020, wo Jennifer Aniston und Reese Witherspoon ihre Kontakte zum Gala-Nachbartisch nutzten, um bei Jay-Z etwas Champagner abzuziehen. Ein Royal Flush auf allen Social Media. Dem wollte sich auch der Luxuskonzern LVMH nicht entziehen. Zu prickelnd war die Einsicht, dass Armand de Brignac eine völlig neue Klientel anzieht, die man sonst nie erreichen würde. Ende Februar 2021 war der Deal unter Dach und Fach. LVMH, unter anderem im Besitz von Marken wie Louis Vuitton, Moët Hennessy, Tiffany, Fendi, Dom Perignon, Krug, Veuve Cliquot und Ruinart, kaufte Jay-Z die Hälfte von Armand de Brignac ab. Forbes schätzt den Rapper seither um 300 Millionen Dollar reicher ein.
Vom Mittelmaß zum Shootingstar
Die wechselnden Eigentumsverhältnisse, die anderswo schweren tektonischen Verschiebungen ihrer Lebensscholle gleichkämen, scheinen Jean-Jacques Cattier und sein Sohn Alexandre mit großem Gleichmut zu sehen. Sie kümmern sich bei Armand de Brignac nach wie vor um alle wichtigen Entscheidungen im Weingarten und im Keller – so wie schon ihre Vorfahren.
Der Familienbetrieb galt lange Zeit als zuverlässiger Mittelklasseproduzent, ehe Jay-Z die Marke zum Stoff der Begierde machte. Den ersten Champagner produzierte Jean Cattier 1918, also just am Ende des Ersten Weltkriegs.
Das Geschäft wuchs nicht nur wegen des Starttermins jahrzehntelang recht zäh. Sein Enkel Jean-Jacques Cattier wagte dann mit seinem Sohn den Befreiungsschlag. Sie kreierten Anfang der 2000er die Marke Armand de Brignac, füllten die beste Cuvée des Hauses in schwere goldene Flaschen, limitierten die Menge auf anfangs 50.000 Stück und drehten an der Preisschraube – man war damals doppelt so teuer wie die Marktbeherrscher Dom Perignon und Roederer. Der kühne Plan ging auf. Nicht nur, weil sich 2006 Jay-Z von Roederer brüskiert fühlte, sondern eben auch, weil bei einer Blindverkostung im Jahr 2009 Armand de Brignac unter 1.000 Proben zum besten Champagner der Welt erklärt wurde.
Die Besonderheit, auf die sich die Armand de Brignac-Macher stets berufen, ist, dass nur die ersten und frischesten Saftanteile der Presse genommen werden, um daraus den bestmöglichen Champagner herzustellen. Diese außerordentliche Selektivität sowie sorgfältige Detailgenauigkeit sollen sicherstellen, dass das Produkt letztlich kräftige Fruchtnoten, eine samtig-weiche Konsistenz sowie einen ausgeglichenen Säuregehalt besitzt.
Insgesamt fünf Produkte sind von Armand de Brignac auf dem Markt zu finden (in Österreich der Brut Gold und der Brut Rosé). An allererster Stelle die wichtige Brut Gold Cuvée. Sie vereint 40 % Pinot noir, 40 % Chardonnay und 20 % Pinot Meunier aus drei Jahrgängen. Typisch sind der frische, lebendige Frucht-Charakter und die besonders weiche Textur.
Der verspielte rosafarbene Rosé-Champagner ist das Ergebnis der Beimischung von 15 % stillem Rotwein (aus Pinot noir) zur endgültigen Mischung. Er verleiht dem lebhaften Wein eine unerwartete Intensität und Textur.
Der Armand de Brignac Rosé besteht aus 50 % Pinot noir, 40 % Pinot Meunier und 10 % Chardonnay. Die Beimischung von 15 % stillem Rotwein (Pinot noir) gibt dem Champagner eine bemerkenswerte Intensität und Textur.
Eher selten zu sehen ist der Demi-Sec aus 40 % Pinot noir, 40 % Chardonnay und 20 % Pinot Meunier mit einem Restzuckergehalt von 33 g/l.
Auch der Blanc de Blancs aus 100 % Chardonnay ist mengenmäßig ein Fall für ernsthafte Sammler – mineralisch und beinahe barock wirkende Frucht- und Backaromen. Nur in ausgesuchten Jahren wird dann noch ein Blanc de Noirs als Prestigecuvée mit speziellen Pinot-noir-Assemblagen auf den Markt gebracht.
Nur 18 Menschen legen Hand an
Was Produktions- und Verkaufszahlen anbelangt, hält man sich im LVMH-Konzern grundsätzlich sehr bedeckt. In einer internationalen Presseaussendung zum 50-Prozent-Anteilskauf im Februar 2021 sprach man von über 500.000 verkauften Flaschen in Nordamerika, Europa und Asien.
Wenn die Legende stimmt, dann sind stets nur achtzehn Personen am Unternehmen Goldflasche beteiligt. Und da sprechen wir tatsächlich von der Ernte über die Kellerarbeit bis zum finalen Anbringen des metallenen Pik-Ass-Logos auf der goldenen Flasche. Jede Flasche ist mit metallischem Gold und Silber oder, wie beim Rosé, mit leuchtendem Rosa überzogen. Auch Varianten in den Farben Silber, Grün und Grau sind geläufig. Gemeinsam mit dem Zinn-Label ist dieser Umstand eventuell der Grund, warum bislang keine Fälschung auf dem Markt aufgetaucht ist. Zu kompliziert und aufwendig wären die Fakes in der Herstellung.
Und wie ist das jetzt mit dem Namen? In den 1950er-Jahren entdeckte Nelly Cattier, die Mutter von Jean-Jacques, in einem Historienroman von Hector Large einen Charakter namens „de Brignac“. Der Name gefiel ihr so gut, dass sie ihn registrieren ließ, um ihn später einmal für einen Wein einsetzen zu können. Das war beinahe schon vergessen, als sich Jean-Jacques während der Schöpfung seiner neuen Supercuvée in den frühen 2000er-Jahren entschied, seine Mutter zu ehren, indem er dem Champagner diesen Namen gab. – Und der imaginäre Roman ist noch lange nicht fertiggeschrieben. —
Armand de Brignac
armanddebrignac.com