Honig, Ristretto
Der so genannte „Honey Process“ ist einerseits eine recht nachhaltige Herstellungsmethode von Rohkaffee und erzeugt andererseits interessante, intensive Aromen. Nur verständlich, dass die Kaffee-Nerds begeistert sind.
Text von Florian Holzer Foto: Michael Hanson/National Georgraphic Society/Corbis
Die Kaffee-Welt dreht sich derzeit schnell. Herkünfte, Sorten, Plantagen, Namedropping allenthalben, immer noch präzisere Espressomaschinen, immer noch puristischere Filter-Auslaugungen – die Szene braucht Futter, die Szene braucht Gesprächsstoff.
Einer der Begriffe, der in den vergangenen Jahren unter Baristas und Mitgliedern der Coffee-Comunity vermehrt für Erstaunen und Neugierde sorgte, ist der „Honey Processed Coffee“. Das widerspricht nur auf den ersten Blick dem Gebot der Reinheit und Unverfälschtheit, hat nämlich gar nichts mit Honig zu tun, nichts mit zugesetzten Aromen, sondern ist die etwas populärwissenschaftlichere Bezeichnung für eine der drei Herstellungsmethoden von Rohkaffee, die zwar nicht neu ist, sich derzeit aber in Regionen durchzusetzen beginnt, in denen sie bisher eher unbekannt war, konkret in Costa Rica, Panama und Nicaragua sowie Äthiopien, jenen Ländern, denen gerade eine besonders große Aufmerksamkeit in der Szene zuteil wird.
Bisher ging man von zwei – recht verschiedenen – Methoden aus, der Nassaufbereitung (wet processing, „washed“) und der Trockenaufbereitung (dry processing, „natural“). Die Nassaufbereitung funktioniert, indem die frisch geernteten Kaffeekirschen mit einem „Pulper“ – einer recht simplen Schälmaschine, in der Wasserdruck Schale und Fruchtfleisch entfernt – geschält werden und dann in Wasserbecken kommen, wo die noch an der Bohne verbliebene „Mucilage“, eine klebrige Schleimschicht, an die zwanzig Stunden fermentiert. Das sorgt sowohl für zusätzlichen Geschmack als auch für ein leichteres Ablösen im folgenden Waschungs-Prozess. Danach wird bis zu zwanzig Tagen in der Sonne getrocknet – meistens in so genannten „Patios“ –, die Bohne schrumpft und das Silberhäutchen kann entfernt werden; das Ergebnis sind trockene, saubere Bohnen mit sehr präzisem Geschmacksbild. Das Wet Processing ist heute mehr oder weniger industrieller Standard, erfordert aber enorme Mengen an Wasser, Energie und einen beträchtlichen Maschinenpark.
Die trockene Methode – praktiziert hauptsächlich in Afrika – funktioniert gänzlich anders und zwar radikal einfach, da werden die geernteten Kirschen auf so genannte Trocknungsbetten gelegt – einfache Konstruktionen aus Bambus und Kunststoffnetzen – und über mehrere Tage hinweg oftmals gewendet. Wenn das Fruchtfleisch getrocknet ist, wird es von der Bohne abgelöst, es gibt zwar keine Fermentation, aber dafür hat die Bohne langen Kontakt mit dem Fruchtfleisch, was sehr intensive Fruchtaromen mit sich bringt.
Die dritte Variante ist die halbtrockene, „semi washed“ oder „Honey Process“-Methode. Bei diesem Mittelweg zwischen der technischen „washed“ und der archaischen „natural“ Methode werden die Kirschen ebenfalls in einem Pulper von Schale und Fruchtfleisch getrennt, der süße Fruchtschleim „Mucilage“ wird allerdings nicht wegfermentiert und abgewaschen, sondern trocknet an der Bohne, bleibt – mitunter sogar mit etwas Fruchtfleisch – erhalten und wird später mitgeröstet. Dabei entsteht eine zart karamellige, süße Note, ein extrem dezenter Honig-Touch – „honey“ eben.
Die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand: Der aufwendige Waschvorgang entfällt ebenso wie technisch oder manuell aufwendige Trocknungs-Durchgänge. Bei Los Lajones, einem biologisch zertifizierten Pionier dieser Methode in der Boquete-Region in Panama, spricht man von Wassereinsparungen von bis zu 2.000 Litern pro Sack Grünkaffee (60 Kilo) und dramatisch geringeren Energiekosten. Das macht die Sache für entlegene Kleinbetriebe natürlich besonders interessant, einerseits, weil sie ihre Bohnen ohne große Investitionen selbst weiterverarbeiten und damit eine Wertsteigerung erlangen können, andererseits, weil rasch und dezentral gearbeitet werden kann und Infektionen der Kaffeekirschen auf langen Transportwegen zu den großen Verarbeitungsstätten unterbleiben.
Auf der anderen Seite erfordert die Methode enorme Akribie bei der Ernte, nur perfekt gereifte Kirschen eignen sich dafür, außerdem muss in der etwa 12-tägigen Trocknungsphase darauf geachtet werden, dass die Mucilage nicht durch Fäulnis oder andere Pilzinfektionen beschädigt wird.
Vor ungefähr zehn Jahren wurden die ersten Versuche mit der Honig-Methode in Mittelamerika gemacht, große Röstereien aus Europa, Japan und den USA schätzten die Bohnen als aromatischen, mild-süßlichen Bestandteil ihrer Espressomischungen. Nun kommen die Kaffees aber immer öfter als „Single Origin“ auf den Markt, manchmal sogar noch klassifiziert nach Trocknungsdauer und Intensität: „Yellow“ trocknete demnach acht Tage und weist das zarteste Honigaroma auf, „Red“ brauchte zwölf Tage zum Trocknen und ist entsprechend intensiver, „Black“ ist der intensivste. Wird man sich merken müssen, wenn man in Zukunft mitreden will, wird man sich merken wollen. —
Kaffee-Alchemie
Rudolfskai 38, 5020 Salzburg
Tel.: 0681/201 73 143
www.kaffee-alchemie.at
Nombre de Dios „Honey“,
El Salvador, 250g / € 11,–
220°
Chiemseegasse 5, 5020 Salzburg
Tel.: 0662/827 881,
www.220grad.com
Nicaragua Traceability Project, 250g / € 9,–
Caffè a Casa
Servitengasse 4a, 1090 Wien
Tel.: 01/319 02 66,
www.caffeacasa.net
Brazil Yellow Bourbon Fazenda Rainha, 250g / € 8,40
Die Rösterin
Tel.: 0650/639 93 60,
www.dieroesterin.at
Nombre de Dios, El Salvador, 250g / € 10,90