Jenseits des grünen Veltliners

Dass im Weinviertel, dem größten Weinbaugebiet des Landes, auch andere Rebsorten wachsen als der mit der Weinviertel-DAC untrennbar verbundene Grüne Veltliner, ist ein offenes Geheimnis. Und gut sind die Weine obendrein!

Jenseits des grünen Veltliners

Text von Michael Pronay Foto: beigestellt
Nun, der kleine Nachteil, unter dem die Weinviertler Nicht-Grünen-Veltliner leiden, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Herkunft „Weinviertel“ auf dem Etikett nicht mehr genannt werden darf; der Begriff ist weinrechtlich ausschließlich für DAC-Weine reserviert, und die müssen bekanntlich aus Grünem Veltliner gekeltert sein.
Nun hält zwar der Grüne Veltliner mit 52 % der etwas über 18.000 Hektar großen Rebfläche des Weinviertels mit Abstand den Löwenanteil, was aber gleichzeitig bedeutet, dass knapp die Hälfte des im Weinviertel angebauten Weins nicht aus dieser Sorte stammt. Was die Herkunftsbezeichnung angeht, so führen diese Weine das Weinbaugebiet „Niederösterreich“ auf dem Etikett.
Die Rebsorten der Weine, die uns das Regionalkomitee Weinviertel übermittelt hat, decken sich logischerweise mit der gewohnten Sortenvielfalt der heimischen Reblandschaft. Verkostet wurden die Weine blind in Sortengruppen; hier haben wir sie in drei Gruppen abgedruckt: die neutralen Weißen (Weißburgunder, Chardonnay, Roter Veltliner), die aromatischen Weißen (Muskateller, Sauvignon blanc, Riesling, Traminer) und die Roten (Zweigelt, Pinot Noir, St. Laurent, Cuvées).
Verkostet haben wir (Dietmar Bruckner und der Autor) 26 Weine, 22 davon sind hier abgedruckt; ausgeschieden haben wir drei Weine von Winzern, die mehr als einen Wein eingereicht hatten (der bestbewertete blieb freilich in der Wertung).
Was uns bei unserer Probe sehr positiv aufgefallen ist: Zum einen die Tatsache, dass der Weißburgunder – entsprechende Geduld in Sachen Lagerzeit vorausgesetzt – sich prachtvoll gereift und wirklich hochklassig präsentieren kann. Zum anderen, dass sich der Traminer – eine Sorte, die seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten nicht gerade rasend erfolgreich um die Gunst des weintrinkenden Publikums kämpft – ex aequo mit dem reifen Weißburgunder an der Spitze unserer Verkostung etablieren konnte. Zwar kosten wir Traminer schon seit vielen Jahren immer wieder, aber die besten Beispiele aus allerjüngster Zeit zeigen doch eine Präzision und einen Fokus, wie wir sie in dieser Form noch kaum je verkostet haben.
Der langen Rede kurzer Sinn: Das Weinviertel hat sich zwar erfolgreich als Veltlinerland etabliert, man sollte aber auch die übrigen Weine der Region im Auge behalten – noch dazu, wo sie in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis eindeutig zu den günstigeren im Lande zu rechnen sind.

Die Besten

Neutrale Sorten
93 Taubenschuss, Poysdorf 2007 Weißburgunder Selection, 13,5 %, 5,9 g/l, DV
Feine, reife, wunderschön floral angehauchte Fülle bei dennoch wunderbarer Frische, burgundisch, Feuerstein, reifer gelber Apfel, feine Grapefruit; saftig und klar, Kräuter und Lorbeer, feiner Kontrast von Reife und Jugend, beweist, dass die Sorte Zeit braucht, die Geduld aber mehr als lohnt.
92 Ewald Gruber, Röschitz 2009 Chardonnay Hinterholz, 13,5 %, 5,3 g/l, DV
Jugendliche Präzision, ganz leichter Holzhauch, milchige Walnüsse, sehr ansprechend; klarer, klassischer Biss, knackige Säure über weichem Unterbau, schönes Spiel, kontrastreich, sehr fein.
92 Weinrieder, Kleinriedenthal 2008 Weißburgunder Kugler Lagenreserve, 14 %, NK
1. Flasche sehr gerüchig, Kork. Zweite deutlich besser, extraktreich-stoffige Fülle, flauschig (Zuckerwatte), auch Steinobst; weich und warm, saftig, schöner Stoff, kraftvoll und immer noch jugendlich, tolle Länge, sehr starker Auftritt.
90 Diem, Obermarkersdorf 2009 Chardonnay Triftberg, 13 %, 4,5 g/l, DV
Sehr reife, dichte Fülle, auch röstige Noten spürbar; kraftvoll dunkelfruchtig, Kandis und Karamell, saftige Dichte, durchaus burgundisch, mit jugendlichem Finish ausklingend, Potenzial.
90 Hirtl, Poysdorf 2010 Chardonnay Exklusiv, 13 %, DV
Feine, reife, tiefe Frucht, nussig, deutlich burgundisch, aber auch ein pikanter grüner Apfel, schönes Spiel aus Reife und Frische; saftiger Biss, saubere Fülle, cremige Textur, kontrastreich und vielschichtig.
90 Setzer, Hohenwarth 2010 Roter Veltliner Kreimelberg, 13,5 %, DI
Kühl-minzige Aromatik, zeigt aber auch eine gewisse Tiefe, dezent dunkel- fruchtig; viel Kraft und Saft, auch ein Hauch von mineralischem Schliff, extraktreich und saftig.
89 Martinshof, Neusiedl/Zaya-St.-Ulrich 2009 Weißburgunder Hausberg, 13,5 %, 2,8 g/l, DV
Sehr ruhiger, klassischer, aber feiner österreichischer Weißburgunder, zart nussig angehaucht; weiche, runde Fülle, etwas neutral in der Aussage, wird aber erfahrungsgemäß mit den Jahren deutlich zulegen.
Aromasorten
93 Fidesser, Platt 2009 Weißer Traminer Oberer Höhweingarten, 14,5 %, DV
Blitzsauber, klassisch-ausdrucksstarke, mundwässernde Sortenaromatik, traubig und auch Rosen; herrlich reife Fülle, herrliche Sortenausprägung, lebendig und frisch, trotz hohem Alkohol trinkfreudig und balanciert, toller Stoff.
92 Ebner-Ebenauer, Poysdorf 2010 Riesling Alte Reben, 14 %, DV (F)
Hübsches, sehr sortenaffines Steinobst, dicht und tief; saftige Fülle, herzhaft, weißer Pfirsich, Marille, Trockenfrüchte, Alkohol gut eingebunden, saftig und süffig, wirklich fein.
91 Stift, Röschitz 2010 Riesling vom Urgestein, 12,5 %, 5,6 g/l, DV
Pikante Sortenfrische, die pikanten Jahrgangsnoten (Brennnesseln, Stachelbeeren) mit dem Steinobst gut vereint; schönes Spiel aus Säure, zarter Süße (5,6 g) und Extraktdichte, feiner Schmelz hintendrein, sehr fein.
90 Bannert, Obermarkersdorf 2010 Sauvignon blanc Nussberg, 12,5 %, DV
Zart grünschotige Noten, eingelegte Pfefferoni, saftig und fast ein wenig rotfleischig; hübscher Biss, gute Statur, hat Saft und Kraft, viel Wein bei moderatem Alkoholgehalt.
90 Roland Minkowitsch, Mannersdorf/ March 2009 Riesling De Vite Jähe Lissen halbtrocken, 13 %, DV
Merklich verhalten, braucht viel Luft, um sich freizuspielen, Eibischteig und zart röstige Noten; feine Fülle, gute Reife, kraftvoll, charmanter Zuckerrest, ruhig strömend.
89 Studeny, Obermarkersdorf 2010 Sauvignon blanc Sündlasberg, 13 %, 2,2 g/l, DV
Verhalten, ein wenig Mangomolke (Latella), auch zart gelbfruchtig, Stachelbeeren und Quitten; gute Statur, viel Saft, etwas weichere Textur, zart grünwürzige Sortenaspekte, sehr ordentlich.
88 Ewald Diem, Hohenruppersdorf 2010 Roter Muskateller, 12 %, 3,8 g/l, DV
Etwas robustere Muskatelleranklänge, aber sauber und frisch; fester und fleischiger als Muskateller üblicherweise sind, sorten- und jahrgangstypische Säure, guter Stoff.
87 Bioweingut Zillinger, Götzendorf 2010 Muskateller Sonnberg, 11,5 %, 3 g/l, DV
Recht verhalten, die Sorte versteckt sich, mit Luft tritt sie zart hervor; auch am Gaumen ist die Frucht nur verhalten spürbar, knackig, ein Hauch von Blutorange und Grapefruit, wenig Sorte spürbar.
86 Herbert Zillinger, Ebenthal 2009 Traminer In Haiden lieblich, 12 %, DV
Eine eher neutrale Aromatik, die Sorte kommt nicht wirklich heraus; sehr weiche Fülle, kaum Sortencharakter, etwas milchig-nussig ausklingend.
Die Roten
90 Pfaffl, Stetten 2008 St. Laurent Altenberg, 12,5 %, 2,3 g/l, NK
Saftig-kraftvolle, durchaus pinotig angehauchte Nase, fruchtbetont, Dörrzwetschken; saftige Fülle, unkomplizierter Trinkspaß auf hohem Niveau, feine Frucht und appetitliche Säure, moderates Tannin, süffig.
90 Schwarz, Schrattenberg 2008 Grande Reserve, 13 %, NK (ZW/ME/CS/SY)
Feine, fast pinotig angehauchte Dunkelfruchtfülle, auch röstig-mandelige Elemente; macht schön auf, Weichseln, vielschichtig, hat Finesse, noch jugendlich, aber schon vergnüglich antrinkbar.
89 Christoph Bauer, Jetzelsdorf 2007 Zweigelt privat, 13,5 %, NK
Feines Holz, hübsche Vanille, dahinter auch saftige Dunkelfrucht, ätherisch-harzig, eingekochte Beeren, dunkles Mus; Heidelbeeren, Brombeeren und auch Maulbeeren, wirkt ein wenig getuned, aber dennoch hübsch und saftig.
88 Zull, Schrattenthal 2006 Pinot Noir, 13 %, 0,8 g/l, NK
Recht verhalten, dabei zarte Mandelnoten; dezente Fülle, weich, etwas Efeu und auch Schwarztee, an sich nicht übel, nur die Sortenfrucht geht uns deutlich ab.
87 Norbert Bauer, Jetzelsdorf 2006 Schatzberg, 14 %, NK (CS/ME/SL/BF)
Wunderschön gereifte Dunkelfruchtfülle, tief und vielschichtig; am Gaumen hingegen macht sich aber schon die Oxidation deutlich bemerkbar, gerbstoffig, wenig Frucht, schade.
87 Frank, Herrnbaumgarten 2009 Zweigelt Wachtberg, 13,5 %, NK
Klassische, sehr sortentypische Kirschfrucht, etwas röstig, dunkel, aber durchaus lebendig; herzhafte Säure, knackig und straff, guter Biss, Bittermandeln, braucht aber merklich noch Zeit.Ohne Wertung Schöfmann, Haugsdorf 2007 Aconit, 13,5 %, NK (PN/ZW/SL) In der Nase schon merklich oxidativ; am Gaumen etwas Heidelbeerkompott, dahinter aber kommt wieder die Oxidation.