Jetzt wird es laut: Stout!

Das schwarze Bier mit dem weißen Schaum hatte bisher einen Namen, und zwar den der Rekord-Bücher. Jetzt hat es viele, rekordverdächtig viele.

Text von Florian Holzer
Foto: Marc Wuchner/Corbis

Der erste Schluck kostet immer eine gewisse Überwindung. Die Reste archaischen Naturverständnisses, die irgendwo in unseren Kleinhirnen oder Mandelbaum-Kernen sitzen, raten uns nämlich von schwarzen Lebensmitteln ab. Und von schwarzen Lebensmitteln, die bitter schmecken, erst recht. Die Reste unseres archaischen Naturverständnisses aus den Zeiten, als wir von den Bäumen kletterten und durch die Savannen streiften, rät uns zu roten, süßen und fruchtig duftenden Lebensmitteln. Die von uns, die Schwarzes, Bitteres aßen und tranken, starben eher aus.

Wieso Kaffee trotzdem jährlich um 23 Milliarden Dollar gehandelt wird, und wieso Guinness trotzdem eine der stärksten Biermarken der Welt ist – in 50 Ländern gebraut und an die 5,7 Millionen Liter in 150 Ländern täglich getrunken –, kann man da schwer erklären. Wahrscheinlich eine Trotzreaktion.

Also beißt man die Zähne zusammen und nimmt einen Schluck von dieser dunkelbraunen, kalten Flüssigkeit mit diesem cremigen, dichtporigen, elfenbein-farbenen Schaum. Und so oft man Stout schon getrunken haben mag, es ist immer wieder überraschend. Es schmeckt immer wieder exakt nicht so, wie das Auge dem Hirn vermittelt, dass es schmecken sollte. Trocken, malzig, röstig, etwas sauer und vor allem bitter. Der erste Schluck kostet noch Überwindung, beim zweiten ist man bereits Ire. Lange Zeit war das ursprünglich aus Dublin stammende, heute doch eher schon internationale Guinness ein Synonym für Stout, andere irische Stouts wie etwa Murphy’s kamen an die Bekanntheit des Dubliner Dunkelbiers nie heran. Guinness machte reichlich Marketing, nicht zuletzt mit dem Guinness Buch der Rekorde ab dem Jahr 1955, aber auch mit der Ausstattung und Lizenzierung von irischen Fertigteil-Pubs in aller Welt in den 90er-Jahren. Stout war Guinness so wie Ketchup Heinz war, aber das hat sich mit dem Boom der Craft Beers in den vergangenen zehn Jahren natürlich dramatisch geändert – also zumindest, was die Anzahl der Marken betrifft, mengenmäßig dürfte Guinness da wohl nach wie vor bei etwa 95% des weltweiten Ausstoßes liegen.

Stout Biere und ihre direkten Verwandten Porter und Imperial Stout haben gemeinsam, dass sie aus sehr stark gerösteten Malzen, mitunter sogar mit einem gewissen Anteil unvermälzter gerösteter Gerste gebraut werden. Stouts und Porters sind obergärige Biere und Stouts vertragen schon eine ordentliche Portion Hopfen. Fantastische Parameter und insgesamt also eine Kategorie, die kreativen Brauern das Kribbeln in die Finger zaubert. Nicht zuletzt, wo es so eine Ikone gibt, an der man sich messen kann.

International stehen Stout, Porter und Imperial Stout im Beliebtheits-Ranking der Craft Beer-Macher jedenfalls ganz oben und sitzen zur Rechten des IPA, des Wit, des Wiener Lager und des Dark Ale. Am künstlerisch gestalteten Etikett des „Old World“ Imperial Stout der schottischen Kult-Crafter Brewdog steht sogar zu lesen, dass Imperial Stout die Bier-Kategorie war, die die Craft Beer-Szene überhaupt erst befeuert hat. Kein Wunder, das Imperial Stout – ursprünglich in England für den russischen Zarenhof gebraut, aber erst mit der Craft Beer-Welle wieder aus der Versenkung erwacht, schwarz und cremig wie Espresso, mit 9 bis 12 Volumsprozent etwa so stark wie Wein und von einer Aromen-Konzentration, die das Trinken fast schon schwer macht – definitiv eine der extremsten der klassischen Bier-Kategorien.

In Österreich ist die Stout-Szene noch relativ jung und auf alle Fälle überschaubar. Henrik Freiherr Bachhofen von Echt erzeugte von 1984 bis 2004 in seiner Nussdorfer Brauerei neben anderen Bieren ein „Sir Henry English Stout“, da war vom Craft Beer-Verständnis allerdings noch keine Spur, auch Ulrich Schneider von der Wiener Gasthofbrauerei „Highlander“ hat seit dem Jahr 2000 ein Stout im Angebot, das bei den Pub-Gästen durchaus gerne getrunken wird, wie der Braumeister bestätigt. Im Kreativlabor der Brauerei Trumer experimentierten Gastbrauer schon seit je mit den dunklen Röstbieren, einen ersten Schwung erhielt die Stout-Sache aber wohl erst mit dem Dry Stout des unvergessenen Gerhard Forstner. Reinhold Barta nahm bald nach der Gründung seiner Brauerei Gusswerk im Jahr 2007 ein „Black Sheep“ ins Programm und auch auf der Agenda von Horst Asangers 1516 Brewing Company steht immer wieder mal ein Stout, zuletzt etwa ein Imperial Stout, das im Sherry-Fass reifen durfte.

Und jetzt läuft’s: Das Hofbräu Kaltenhausen, das Kreativ-labor der Brau Union, braute 2012 bereits ein Strong Porter und zuletzt ein Chocolate Style Stout in einer Limited Edition, und auch Ottakringers neues Craft Beer-Department Brauwerk erzeugt ein mildes, dunkel-cremiges Porter, das sich keineswegs gegen den Genuss auch von Biertrinkerinnen und Biertrinkern wehrt, die Mut zum trinktechnischen Risiko vielleicht nicht so sehr aufbringen wollen. Mit dem Smoked Porter namens OND und dem Stout der jungen Wiener Kleinbrauerei Xaver gibt es aber auch zwei neue Dunkelmalzbiere, die sich wirklich auf der herausfordernden Seite befinden.

Das in eine bauchige 0,75-Liter-Sektflasche gefüllte Stout von Franz Lughofer und Thomas Haginger, alias Xaver, ist trotz aller Ecken und Kanten, die dieses Bier stolz vor sich herträgt, eine geschmackliche Sensation. Natürlich tut es am Anfang auf der Zunge weh, aber es ist ein Schmerz, von dem man bald nicht mehr lassen will. Obergärige Biere seien für sie generell die reizvollere Angelegenheit, meint Thomas Haginger, Sorten, die in Österreich nicht so populär sind, haben es ihnen angetan. Seit Frühling des Jahres 2014 brauen die beiden in Ottakring nebenberuflich ihre Xaver-Biere in einer 2-Hektoliter-Anlage, Stout war von Anfang an dabei, „das hat uns einfach interessiert“. Eben dieser Stout-Moment, wenn Genießer den ersten Schluck von der dunkelbraunen Essenz trinken „und erschreckt sind, dass es nicht süß ist“, sondern bitter, malzig und sauer, „das ist extrem spannend“, so Haginger.

Natürlich sei für einen Kreativbrauer das Modell Stout extrem reizvoll, „die röstigen Aromen, die Farbe“, aber eben auch die Ausgewogenheit und Balance zwischen den extrem starken Aroma-Gegensätzen. Die Xaver-Brauer erlangen sie durch einerseits Verwendung von vier bis fünf verschiedenen Röstmalz-Sorten, was für Komplexität sorgt, andererseits durch Einbrauen von Haferflocken für eine gewisse Cremigkeit, für die Abrundung der Spitzen. (Die Haferflocken kaufe er übrigens im Supermarkt, gesteht Haginger, drei Filialen habe er unlängst leer gekauft …). Für die Hopfenbittere sorgen Cascade-Pellets, das Geheimnis insgesamt sei aber die lange Lagerung, erfährt man, fünf bis sechs Wochen, das macht die Sache beim Stout schön rund. Und apropos rund: Ein milderes (nur 25 IBU-Bittereinheiten) Chocolate-Porter haben sie auch schon einmal gemacht, allerdings nicht nur mit durch Malzröstung generierte Schoko-Aromen, sondern mit echter Schokolade.

Stefan Kreidl hat die Stouts, Porters und Imperial Stouts jedenfalls in einem Regal gleich bei der Kasse seiner unvergleichlichen Greißlerei für Craft Beer und sonstige Spezialitäten liegen. Die Leute würden voll drauf stehen, sagt er, vor allem jetzt, wenn’s draußen finster ist. Klingt irgendwie logisch, Pils zu trinken, wenn die Sonne brennt, und sich die dunklen Biere mit den Aromen von Lakritze, Lebkuchen und bitterer Medizin dann zuzuführen, wenn draußen die wilde Jagd umgeht und drinnen der Kamin knistert. Stout als der neue Single Malt sozusagen.

Die Inter-Stouts

Brewdog, „Old World“ Russian Imperial Stout, 9,5% 9
Dieses Bier aus der raren und nur schwer zu bekommenden „Small Batch“-Serie der Kult-Brauerei ist wirklich etwas Besonderes: 660-ml-Flasche, Künstler-Etikett und Brau-kunst auf höchstem Niveau. Schwarz wie Espresso, auch der Schaum erinnert an Crema, intensiv, bitter, malzig, dicht, eine Essenz, deren Genuss erst einmal auf der Zunge weh tut, dann zeigen sich feine Schokonoten, bald ein unglaubliches Spektrum an Röst-, Malz- und anderen dunklen Noten, wie zum Beispiel geröstete Rinderknochen. Ein Bier-Erlebnis.
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Mikkeller „George“ Imperial Stout Barrel aged, 12,12% 8,5
Purer Hardcore. Man erkennt, dass es sich bei dieser öligen, schwarzen Flüssigkeit, die sich nur mit Mühe aus der Flasche quält, um etwas Vergorenes handelt, aber Bier? Eher bitterer Likör mit dem Nebengeschmack von gerösteten Rinderknochen, Marmite, Liebstöckl, Bitterwurz, Alkohol und Lakritze, mit der Zeit tauchen auch blumige Akzente auf, Veilchen gar. Definitiv kein „Bier“, um den Durst zu löschen.
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Crew Republic „Roundhouse Kick“ Imperial Stout, 9,2% 8
Die Aufmachung des Münchner Imperial Stouts ist etwas schrill, aber das Bier ist gut genug, um das zu verkraften: Crema, nicht Schaum, extrem exotische Hopfen-Noten (Sorte Columbus), eine Mischung aus Pilsener, Chocolate-, Karamell- und Röstmalz, extrem dicht, extrem komplex, extrem kompakt, vielleicht um eine Spur zu süß.
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Anderson Valley, Barney Flats Oatmeal Stout 7,5
Schwarz, flüssige Lakritze, sehr gelungen integrierte Hopfen-Bittere, komplex und harmonisch. Vielleicht ein bisschen sehr trocken, unterstrichen auch noch durch strohige Hopfen-Aromen, aber ein tolles Bier.
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Rooi Dop, Double Oatmeal Stout, 9,6% 7
Okay, das ist wirklich ein extremes „Bier“. Es fließt zäh und schaumlos aus der Flasche, erinnert an Motoröl, vermittelt auch ungefähr diese Konsistenz am Gaumen: malzig, süß, bitter, röstig, erinnert an bittere Medizin aus dem Märchenbuch. Vielleicht eine Spur zu viel des Guten.
www.ammerswin.at

Maximus Brouwerij „6“, 6% 6,5
Das sechsprozentige Stout (es gibt auch ein achtprozentiges) aus Utrecht erweist sich als kühl und rauchig, erinnert aromatisch fast an Hickory, viel Lakritze, viel Malz, viel Karamell, aber völlig trocken.
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Anchor Porter, 5,6% 6,5
Das Porter der 1972 gegründeten Alternativ-Brauerei aus San Francisco duftet nach Roggenbrot und Lebkuchen, trinkt sich angenehm getreidig, malzig, hat wenig Röstnoten, Hopfen-Bittere wird spielerisch und fein eingesetzt.
www.bierfracht.at

Birra del Borgo „Imperiale“, 9,2% 6
Das hübsch aufgemachte italienische Imperial Stout erinnert nicht nur farblich an Cola, sondern auch aromatisch – und hat etwa so wenig Schaum wie die Brause. Zarte Kräuternoten, röstig, fein malzige, lakritz-artige Süße, etwas seltsam.
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Guinness Extra Stout, 5% 6
Nussig, dunkles Malz, Walnüsse, die Bitternoten sind bei der Stout-Ikone durchaus harmonisch und dezent, man könnte auch sagen: massentauglich. Klingt wunderschön nach, fast wie die Harfe, die am Etikett abgebildet ist. Für ein industrielles Massenprodukt ein wirklich gutes Bier.
www.ammersin.at

St. Peter’s Old-Style Porter, 5,1% 6
Röstig, dunkel und herb, „old style“ trifft’s einigermaßen auf den Punkt. Leicht und unkompliziert zu trinken, angenehm, besonders hübsch die Verpackung: Medizin-Flasche.
www.verde1080.at

Belhaven McCallum’s Stout, 4,1% 5
Recht hell und mit Brauerei-Aroma ausgestattet, sowohl von der Aufmachung als auch vom Aroma her „klassisch“. Recht frisch, trinkt sich problemlos und harmonisch.
www.ammersin.at