Kopi Luwak

Noch nie wurde ein Kaffee so häufig in der Presse erwähnt wie der indonesische „Kopi Luwak“. Das hat zwei Gründe, der erste ist, dass er unglaublich teuer ist ...

Text von Florian Holzer Foto: Corbis

Liest man in Lifestyle-Gazetten darüber, dass der Kaffeepreis auf der New Yorker Arabica-Börse seit Monaten bei rekordverdächtig niederen 1,28 $ für ein halbes Kilo Rohkaffee steht? Nein, interessiert ja keinen. Liest man unter „Sonstiges“, „Panorama“, „Gesellschaft“ oder „Genuss“ davon, dass eine Pilzerkrankung namens Roya, beziehungsweise „Kaffeerost“, gerade wieder einmal die Bestände in ganz Süd- und Mittelamerika bedroht? Eher nicht, Latte Macchiato gibt’s schließlich ja eh noch. Liest man aber vielleicht darüber, dass der teuerste Kaffee der Welt aus Indonesien stammt, von den Inseln Sumatra, Java und Sulawesi, dass er bis zu 1000 Dollar pro Kilo kostet und dass er – Achtung, Pfui Gack! – von Fleckenmusangs beziehungsweise „Schleichkatzen“ gefressen und dann ausgeschieden wird?

Ja, davon liest man seit zehn Jahren ununterbrochen und auf jedem sich bietenden Papier, Google wirft für „Kopi Luwak“ 1,75 Millionen Treffer aus. Erstaunlich für einen Kaffee, dessen jährlicher Ertrag auf nicht über 200 Kilo geschätzt wird, aber klar, der Kombination von absurden Höchstpreisen und einer doch recht exotischen Fermentationsmethode im Darm eines asiatischen Kleinraubtiers macht es für Redakteure offensichtlich unwiderstehlich, darüber zu berichten. Und immer nur Paris Hilton ist ja auch fad. Da spielen Widersprüche und Fragwürdigkeiten dann keine Rolle mehr, etwa dass man doch relativ leicht zu diesem „Kopi Luwak“ kommt, über Amazon etwa oder dass ihn ein Kapselkaffee-Erzeuger eine Zeit lang für seine Prestige-Linie verwendete.
Bei 200 Kilo? Bei Kaffee, dessen reife Kaffeekirschen von wild lebenden, nachtaktiven Tieren gefressen, die Bohnen dann ausgeschieden, von Sammlern gefunden werden und insgesamt in gutem Zustand sein müssen? Unwahrscheinlich. Zwei Erklärungen bieten sich an, die einfachste und unproblematischste, dass es sich nämlich um schlichte Fälschungen handelt, was sich bei derartigen Preisen erstens lohnt und zweitens nur schwer nachgewiesen werden kann, da die tatsächliche Herkunft und „Verarbeitung“ vor allem bei gerösteten Bohnen kaum zu eruieren ist und es auch nur sehr wenige Menschen auf der Welt gibt, die man als Kopi Luwak-Connaisseurs bezeichnen könnte. Die zweite, etwas problematischere Weise, zu dem Kaffee mit Darm-Fermentation zu kommen, ist ihn kontrolliert herzustellen. Sprich: Die Fleckenmusangs einzufangen, in Käfigen zu halten und zwangsweise mit reifen Kaffeekirschen zu füttern. Ja, das wird gemacht, und zwar gar nicht selten und mittlerweile an so ziemlich allen Orten, wo sowohl Kaffee wächst als auch Fleckenmusang oder artverwandte Tiere leben, die radikale Tierschutz-Organisation PETA setzte den Kaffee deshalb auf ihre Agenda. Mit dem Erfolg, dass Kopi Luwak in Kaffee-Kreisen und da besonders bei Vertretern der sehr um Direct Trade, Herkunfts-Typizität, Top-Qualität und geschmacklicher Nuancierung bestrebten „Third Wave“-Bewegung grundsätzlich abgelehnt wird, der amerikanische Kaffeeguru George Howell formte die Ablehnung in die drastischen Worte „coffee from assholes to assholes“. In Österreich wird Kopi Luwak derzeit gar nicht mehr gehandelt.

Das mag angesichts der Massentierhaltung direkt vor unseren Augen, in Hühnerfarmen, Truthahn-Kolonien, Schweine-Massenpferchen und Rinderhallen zwar ein wenig grotesk erscheinen, hat aber wahrscheinlich damit zu tun, dass Kaffee – vor allem in fair oder direkt gehandelter Top-Qualität – bis jetzt eben nicht nur „sauber“ war, sondern sogar vegan. Johanna Wechselberger, Spezialitäten-Rösterin in Stockerau und Jurorin der internationalen „Cup of Excellence“-Organisation (die regelmäßige Wettbewerbe um die besten, authentischsten, ausdrucksstärksten Kaffees abhalten) erinnert daran, dass jeder Kauf solch eines irrwitzig teuren Kaffees zur „Produktion“ von noch viel mehr davon motiviert, dass jeder Kauf somit Auslöser einer Kettenreaktion mit negativen Folgen sein kann. „Wenn man den Leuten dort beibringen würde, wie sie die Qualität ihrer Kaffees verbessern können, durch Pflege der Pflanzen, Ernte und Verarbeitung der Kirschen, wäre weitaus mehr und nachhaltiger erreicht, als wenn man ihnen einmalige Funde von eineinhalb Kilo Schleichkatzen-Kot um teures Geld abkauft“, meint die Rösterin, ein gutes Beispiel sei da etwa der Kopi Tonkonan Toraja, den wenige Familien auf Sulawesi von über 50jährigen Kaffeebäumen gewinnen und akribisch verarbeiten – er gilt auch unter Kaffee-Spezialisten als einer der gesuchten Top-Kaffees weltweit, für ein Kilo davon zahlt man in Europa derzeit an die 140 Euro.

Mittlerweile treibt die Sache mit dem Darm-fermentierten Kaffee ja die seltsamsten Blüten, auf der Suche nach Sensationsmeldungen lässt man Kaffeekirschen jetzt schon durch den Verdauungstrakt irgendwelcher Vögel und – garantierte Meldung! – Elefanten wandern. Beim größten Kaffee-Produzenten Vietnams kann man sogar die Kaffeebohnen-Sorte wählen, die von den Schleichkatzen ausgeschieden werden soll, Robusta, Arabica? Alles kein Problem, Sie wünschen, die Musangs kacken. Bis man sich Sorte, Herkunft und Tierdarm aussuchen kann, Kopi-On Demand quasi, ist es wohl nur mehr eine Frage der Zeit, sibirischer Tiger, Kobe-Rind, Moschusochs, Kubakrokodil und die anderen Gattungen von der Top Ten-Liste der seltensten Tierarten kommen bei Statusbewussten Conaisseurs in China und Russland sicher bestens an, auch auf den Kopi Raurakl oder Kopi Woplertinger aus heimisch-alpiner Produktion darf man sehr gespannt sein.

Wir ließen uns zwei Kopi Luwaks aus Deutschland kommen, einen via Amazon von einer kleinen Rösterei in Marburg, einen von einer Spezialitätenrösterei in Neuburg, der Amazon-Kopi Luwak um Euro 29,90 pro 100g, der andere um 38,– für die gleiche Menge (mit Versand und Verpackung dann übrigens der idente Preis von Euro 42,90). Rein äußerlich unterscheiden sich die Kaffees nicht im geringsten von anderen, was nach Waschung und vor allem Röstung auch kein Wunder ist, auch geruchlich sind keine Abweichungen festzustellen. Was auffällt ist die Diversität der Bohnen, offenbar sowohl Arabica als auch Robusta, was auf eine Zufallsauswahl der hungrigen Schleichkatze zurückzuführen sein könnte, oder auf den Versuch, diesen Eindruck genau zu erwecken. Wie auch immer, als Filterkaffee zubereitet gaben beide Kopi Luwaks wenig her, die erdigen Noten, die oftmals in Zusammenhang mit dem Katzenkaffee erwähnt werden, waren sowohl beim heller gerösteten Amazon-Kaffee als auch beim dunkler Gerösteten aus dem Direktversand festzustellen, allerdings auch nicht viel anders als normaler Robusta, besondere Nuanciertheit war bei der Filtermethode jedenfalls nicht festzustellen. Als Espresso gemacht erbrachten beide Kaffees erstaunlicherweise das bedeutend bessere Ergebnis, Duft von weißer Schokolade und zarter Vanille bei allerdings minimalem Body der Amazon-Kaffee, holzig, nussig und ein wenig Röst-Bitterkeit (die 100 Gramm wurden unmittelbar nach Bestellung wahrscheinlich in einem Kleinröster geröstet) der direkt versendete. „Ein Erlebnis, das man billiger auch haben kann“, wie der freundliche Barista, der sich um die fachgerechte Zubereitung kümmerte, attestierte, und das wir als Resümee gerne stehen lassen würden.