Liebe auf den zweiten Blick
Das Weinviertel kann sein Image als Massenweinproduzent nur mühsam abstreifen. Dabei gibt es eine Reihe engagierter Jungwinzer, die das Gegenteil beweisen. Ein Streifzug durch eine Weinlandschaft von stiller Schönheit und dezentem Charme …
Text von Christina Fieber Foto: Rita Newmann
Es ist ein drückend heißer Sommertag. Die Luft flimmert und die Weinberge in der Ferne erscheinen wie eine Fata Morgana. Den Rebstöcken macht die lang andauernde Hitzeperiode zu schaffen. Johannes Zillinger streicht über die Blätter und prüft die Beeren. Dann lächelt er zufrieden. Die Pflanzen strotzen vor Kraft, am Stock hängt nur gesundes Traubenmaterial.
„Bei extremen Trockenperioden profitieren wir als Biobetrieb, unsere Böden sind vital, die Wurzeln dringen tief und stoßen immer noch auf genügend Nährstoffe“, erklärt der zurückhaltende Weinmacher. Seine Weine sind eigenwillig und zeigen Charakter: beeindruckend sein Welschriesling, eine Lagencuvée aus extrem kühlen und warmen Weinbergen. Reif und pikant mit ungewöhnlichem Tiefgang.
„Ich bin ja eher einer, der nichts im Keller macht“, meint er fast entschuldigend. Die größte Aufmerksamkeit gilt den Weingärten, so hat er es vom Vater gelernt.
Um jeden einzelnen Rebstock sind Kräuter gepflanzt. Ein Experiment des Seniors, der von der heilenden Wirkung der ätherischen Öle für die Pflanzen überzeugt ist. Thymian soll beispielsweise gegen Pilzbefall helfen. Zillingers Vater hat schon in den 80er Jahren begonnen, organisch-biologisch zu arbeiten. In Zeiten, in denen im Weinviertel vorwiegend billige Massenweine produziert wurden.
„Damals hätte man mich wohl am liebsten am Scheiterhaufen verbrannt“, scherzt er.
Viel hat sich im Weinviertel nicht geändert. Das Bioweingut Zillinger wird in der Gegend immer noch skeptisch beäugt. Während in fast allen anderen Weinbauregionen die besten Winzer auf bio umgestiegen sind, ist das im Weinviertel eine seltene Ausnahme. Überhaupt scheint man sich hier langsamer als anderswo zu entwickeln. Scheinbar ist das Weinviertel noch nicht aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, nur mühsam kann es sich von seinem negativen Image befreien.
Dabei sind die Voraussetzungen für Weinbau ausgezeichnet: ideale Böden von Löss bis Urgestein, günstiges Kleinklima und jede Menge junger, engagierter Weinmacher. Warum wird die Region dennoch als „Underdog“ und im besten Fall als ewiger Geheimtipp gehandelt?
Marion Ebner-Ebenauer, die gemeinsam mit ihrem Mann ein inzwischen 20 Hektar großes Weingut in Poysdorf betreibt, wundert sich manchmal über das mangelnde Qualitätsstreben einiger Winzer hier. Während diese mit großen Erntemaschinen in den Weinbergen fuhrwerken, lesen sie selbst die Trauben händisch in kleine Kistchen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, will man guten Wein machen, kann so schon am Stock selektiert und das Traubenmaterial schonend in den Keller gebracht werden. Allein im Weinviertel scheint händische Lese immer noch unüblich zu sein. Auch heute noch verschreiben sich viele der Massenproduktion.
„Das Weinviertel und ich, das war ja nicht gerade Liebe auf den ersten Blick“, sinniert die gebürtige Wienerin, die sich schon mit 14 Jahren für Weinbau interessierte. Ein Alter, in dem andere Mädchen noch von Pferden schwärmen. Mit 20 kelterte sie ihren ersten eigenen Wein. Als so genannte „Négociant Éleveur“, nach burgundischem Vorbild. Erst als sie Manfred Ebenauer kennenlernte, Sohn eines Weinviertler Winzers, konnte sie den Traum vom eigenen Weingut verwirklichen. Jetzt ist sie fasziniert von der Mystik des Weinviertels. Die temperamentvolle Wienerin und der überlegte Jungwinzer ergänzen einander perfekt. Mittelmäßigkeit ist ihnen verhasst. Mit all ihrer Kraft und ihrem Wissen streben sie danach, außerordentlichen Wein zu keltern.
Immer riskieren sie ein wenig mehr, loten die Grenzen des Machbaren aus, um noch ein Quäntchen mehr an Qualität herauszuholen. Fast alle Weine werden inzwischen spontan vergoren, liegen lange auf der Hefe und werden erst spät abgefüllt.
Neben Grünem Veltliner und Riesling haben es ihnen vor allem die Burgundersorten angetan. Der Pinot noir aus der „Black Edition“, ihrer Prämium-Linie, besticht durch Finesse und Tiefgründigkeit. Kein Pausenclown, sondern ein ernsthafter Gesprächspartner mit diskretem Charme.
Was unterscheidet die beiden von anderen in der Region?
„Man muss über den eigenen Tellerrand hinausschauen, sich selbst hinterfragen und nach dem Besten streben“, ist Manfred Ebenauer überzeugt, „vielen reicht es, ihren Wein einfach zu verkaufen!“
In jeder Weinbauregion gibt es neben einigen Spitzenqualitäten eine erhebliche Anzahl an bescheidenen Qualitäten. Allein das Weinviertel wird über Massenweine definiert. Mit dem Begriff des „Brünnerstrasslers“ assoziiert man seit jeher einen minderwertigen Wein, der am Rande der Poststraße von Wien nach Brünn wuchs. „Krampensauer“ sei er, soll schon Kaiser Josef II. befunden haben, und als Napoleon mit seinen Truppen durchs Weinviertel marschiert, beschließt er, lieber in die nächste Schlacht zu ziehen als noch einen Tropfen vom hiesigen Wein zu trinken. Im Volksmund spricht man vom „Heckenklescher“ – gemeint sind die bis ins 19. Jahrhundert üblichen Massenträger, die besonders sauren, aber dafür ertragreichen Wein lieferten. Erst später wurden sie vom Grünen Veltliner abgelöst, den man damals noch „Grünen Muskateller“ nannte.
Heute scheinen die Weinviertler säurebetonte Veltliner wie die Pest zu meiden, um nie mehr mit solch üblen Bezeichnungen assoziiert zu werden. Die Mehrzahl der Winzer hat sich der verzärtelten Variante verschrieben. Veltliner, die sehr kühl vergoren und häufig mit Aromahefen versetzt, nach Sauvignon blanc oder Eiszuckerl schmecken. Veltliner, die nicht anstrengen, beim Durchschnittskonsumenten gut ankommen, mit der Rebsorte jedoch nicht viel zu tun haben.
Ingrid Groiss geht andere Wege. Vor zwei Jahren hat die junge Frau begonnen, ihren eigenen Wein zu machen. Nach Umwegen ins Management eines deutschen Konzerns, zog es sie wieder zurück nach Breitenwaida. Irgendwie hat sie die Gegend nicht losgelassen. Zu Beginn versucht sie noch gemeinsam mit ihrem Vater Weine zu machen. Doch die Vorstellungen sind zu unterschiedlich. Als er ihr eines Tages stolz berichtet, er habe jetzt für sie den Wein von der Hefe abgezogen, sonst würde er noch verderben, weiß sie, dass sie eigene Wege gehen muss. Seitdem macht jeder seine eigene Geschichte. Vielleicht ist das eines der Geheimnisse für herausragende Weine: über die gegebenen Vorstellungen hinauszudenken, Visionen zu haben und den Mut, sie durchzusetzen.
Heuer kommen erstmals drei Weine von ihr auf den Markt. Neben einem Weinviertel DAC Grüner Veltliner hat sie eine ebensolche Reserve und einen Gemischten Satz aus der Lage Schablau abgefüllt. Den Weingarten setzte ihre Großmutter mit 35 Jahren aus. Heute ist sie 85 und die engste Vertraute der jungen Winzerin. Mit ihr wandert sie durch die alte Weinanlage mit den knorrigen Rebstöcken und bespricht ihre Vorhaben. Vor allem der Gemischte Satz ist den beiden ein Anliegen. Die Großmutter hat ihn damals vor 50 Jahren ausgesetzt, weil sie um die Vorteile eines gemischten Weingartens wusste. Egal, wie die Witterung eines Jahres verläuft, eine der Rebsorten kann sich immer gut entwickeln.
„Der Weingarten ist auch der gesündeste von allen, alles balanciert sich von selber aus“, meint Ingrid Groiss. Unter den vielen Rebsorten sind auch einige, die heute gar nicht mehr üblich sind. „Aber kein Sauvignon blanc!“ Darauf ist sie stolz. Den ganzen Weingarten ist sie mit der Lupe und einem Lehrbuch abgegangen. Keine Spur von Sauvignon. Er würde alle anderen Rebsorten dominieren und passe auch gar nicht in die Region. Auch bei ihren Veltlinern achtet sie pedantisch darauf, dass sie keine Sauvignon-Aromatik aufweisen. „Wir brauchen nicht die Wachau
kopieren, aber ebenso wenig haben es unsere Weine nötig, nach der Südsteiermark zu schmecken“, meint die junge Winzerin selbstbewusst.
Der Gemischte Satz „In der Schablau“ ist ein Wein wie aus einem anderen Zeitalter, glasklar, prägnant, selbstverständlich. Keine Spur von Kitsch, nur klirrende Mineralik. Erst im Abgang tauchen frische Kräuter, Limetten und weiße Pfirsiche auf, dezent und dunkel, wie ein Schatten. Der Wein hat eine unverschämte Leichtigkeit und Balance, die wirklich erstaunt. Auch so kann Weinviertel schmecken. Im nächsten Jahr soll es eine radikalere Version des Grünen Veltliners geben: „Sauberg Tradition“ wird noch mehr Intensität und Eigenwilligkeit zulassen und erstmals im 500-Liter-Holzfass ausgebaut werden.
Ingrid Groiss ist eine leidenschaftliche Liebhaberin des Weinviertels: „Die stille Schönheit der Landschaft ermöglicht eine ganz eigene Weise zu sein und zu arbeiten. Wenn man es zulässt.“ Sie glaubt, dass viele Winzer in der Region verunsichert sind. Das Image ist schlecht, die Weinpreise niedrig, viele würden sich am Geschmack der Masse orientieren, um ihren Absatz zu sichern. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Insgesamt sieht sie aber eine positive Entwicklung: „Es gibt eine Menge junger Winzer, die wirklich gute Weine machen“, ist sie überzeugt.
Auch in der Vergangenheit gab es immer wieder herausragende Weinmacher wie Roman Pfaffl oder Roland Minkowitsch, das Weingut Fidesser mit seinen bezaubernden Traminern oder der Pollerhof. Aber es blieben eben Ausnahmen.
Mit der Einführung der geschützten Herkunftsbezeichnung DAC vor zehn Jahren hat das Weinviertel erstmals einen Aufschwungbekommen, von dem alle Winzer profitieren konnten. Ein einheitliches Auftreten und gemeinsames Marketing erhöhten die internationale Aufmerksamkeit und steigerten die Umsätze. Insgesamt gelang es auch, das Durchschnittsniveau der Weine zu steigern.
Herausragende Qualitäten sind unter der Bezeichnung schwer zu finden. Die Kriterien erscheinen inzwischen zu willkürlich. Das Ziel, gebiets- und sortentypische Veltliner zu fördern, wurde scheinbar zugunsten reiner Absatzsteigerung hintangestellt. Anders ist nicht zu erklären, dass viele Veltliner unter dem Namen DAC Weinviertel völlig untypische Töne aufweisen. Das viel gepriesene Pfefferl verschwindet unter künstlichen Aromen. Qualitätsfanatiker wie Herbert Zillinger haben sich selbst ihren Weg geebnet. Der junge Winzer aus Ebenthal gilt inzwischen als neuer Shootingstar des Weinviertels. Mit Weinen fern vom Mainstream hat er sich unter Kennern einen Namen gemacht. Er präsentiert sich lässig und unangepasst. Zillinger räumt auf mit gängigen Weinviertel-Klischees. Auf den Etiketten prangt ein großes „Z“, das unwillkürlich an Zorro und an dessen kämpferische Natur erinnert. Z wie Zillinger. Die Weine tragen Namen wie Grüner Veltliner Radikal und Traminer Profund. Eine klare Vorgabe. Tatsächlich zeigen sich beide Weine von einer Intensität, die einen erschaudern lässt. Sie sind vielschichtig, druckvoll und trotzdem zart. Krieger mit einem großen Herzen. Ein aufregendes Statement zum Thema Wein mit Herkunft.
Empfehlenswerte Heurige
Maria Faber-Köchl
Am Schenkenberg 11, 2130 Eibesthal
Tel.: 0664/185 81 73
www.faber-koechl.at
Else Zuschmann–Schöfmann
Winzerstraße 52, 2223 Martinsdorf
Tel.: 02574/84 28
www.zuschmann.at
Seymann’s Weinhandwerkerei
2052 Karlsdorf 50, Pulkautal
www.seymann-wine.at