Natural Family Business

Zwei junge Winzerinnen aus Gols sorgen derzeit mit ihren ersten Weinen für Aufsehen: Unter dem Label „rennersistas“ produzieren Susanne und Stefanie Renner eine Serie aufregender Naturweine. Seit sie gemeinsam mit ihrem Vater den Betrieb führen, weht dort ein ziemlich frisches Lüftchen.

Text von Christina Fieber · Fotos von Klaus Vyhnalek

Jeder PR-Agent würde vor Neid erblassen. Sehr viel besser kann man ein Produkt nicht inszenieren: Zwei junge Frauen mit dem klingenden Namen „rennersistas“ präsentieren ihre ersten Weine. Die eine blond, die andere dunkel – beide sehr hübsch – beide sehr smart. Susanne und Stefanie Renner sind letztes Jahr in den Betrieb ihres Vaters eingestiegen und drehen dort ordentlich auf.

Heuer brachten die Schwestern eine Serie von Naturweinen auf den Markt, die sie mit viel Gespür lancierten. Mit traniger Rustikalität haben die beiden nichts am Hut – sie präsentieren sich zeitgeistig und urban.

Allein, es ist keine Inszenierung. Oder nur ein klein wenig. Auch wenn die beiden Neueinsteigerinnen die Gesetze des Marketing ganz offensichtlich aus dem Effeff beherrschen, wirkt an ihrem Auftritt nichts gespielt, sie sind auf eine ungekünstelte Weise lässig: cooles Outfit, locker hochgesteckte Haare und gewandtes Auftreten. Ihre Website ist gewitzt und die Texte der Folder schräg. Selbst der ausgeprägte burgenländische Dialekt wirkt charmant. Es ist ein entspannter Umgang mit dem Thema Weinmachen. Offensichtlich haben sie einfach Spaß daran und vor allem: Sie können es.

Ihr Vater produzierte zwar immer schon hervorragende Weine, wollte das aber nie wirklich nach draußen posaunen – und so war es ein wenig ruhig um den Winzer aus Gols. Dann kamen die Mädels und alles wurde anders: Im Frühjahr brachten sie ihre erste eigene Weinserie auf den Markt, die gleich ziemlich einschlug. Die heimische Weinszene gab sich entzückt.

Die Serie präsentiert sich auch optisch gelungen: Ein markantes Logo jenseits von gewollt-reduziertem Design oder extravaganter Grafik. Es erinnert eher an den Einband eines Kinderbuches als an Etiketten für ein ernsthaftes alkoholisches Getränk: ein Traktor, auf dem zwei heitere Mädchen mit Zöpfen sitzen. Zwei Mädchen, die durch die Weingärten tuckern: die „rennersistas“.

Ein Name, den man sich einfach merken muss. Auch das keine geistreiche Kreation einer Werbefirma, sondern eine Eigenschöpfung – eine Reminiszenz an ihre Teenagerzeit. Denn immer wenn die beiden Schwestern auf einer Party erschienen, raunte die hiesige Dorfjugend: „Die Renna-Menscha san do.“ („Die Renner-Mädels sind gekommen.“) Das schien wohl ein – wenngleich etwas nüchterner – Ausdruck der Freude zu sein. Das habe sie inspiriert, den Namen in einer etwas hipperen Version beizubehalten. Und so wurden aus den „Renna-Menscha“ die „rennersistas“.

Natürlich habe ihr Einstieg in die Weinwelt für Aufsehen gesorgt, gibt Susanne Renner zu. „Wir waren halt lange ein ruhiges Weingut – jetzt sind wir ein wenig lauter geworden“, meint sie und zwinkert ihrem Vater zu.

Dabei hat Helmuth Renner viel zu sagen. Man braucht ihn nur anzustupsen, dann sprudelt es nur so aus ihm heraus: Er habe schon vor vielen Jahren aufgehört, Chemie im Weingarten einzusetzen und auch bei der Verarbeitung im Keller ging er es zurückhaltend an. „Ich wollte kein Industrieprodukt machen, sondern Wein“, gibt er sich kämpferisch.

Helmuth Renner ist ein kritischer Mensch, der schon mal gerne Systeme in Frage stellt – da nimmt sich der Winzer und Wirtschaftskammerfunktionär kein Blatt vor dem Mund. Kommt Renner einmal in Fahrt, ist er nicht mehr zu bremsen. Er beklagt die Verschwendung von Ressourcen im Allgemeinen und die Zerstörung der Weinberge durch Agrochemiekonzerne im Speziellen, den Wachstumswahn der Menschen und die Profitgier der großen Betriebe. Ein böses Ende werde es nehmen, würden wir nicht bald umkehren. Trotz aufrührerischer Parolen betont er, kein Linker zu sein. Das würde sich dann vermutlich doch mit seiner Funktion in der Wirtschaftskammer spießen.

2012 erhielt der Betrieb dann die Bio-Zertifizierung. Da lebten seine beiden Töchter noch in Wien. Man wollte ihnen die Freiheit geben, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden, erklärt Helmuth Renner.

Susanne arbeitete während ihrer Zeit in Wien als Modedesignerin beim Kultlabel Schella Kann, während Stefanie technische Mathematik inskribierte. Irgendwann wurde ihr das dann aber doch zu nüchtern und sie wechselte auf die BOKU, wo sie „Kulturtechnik und Wasserwirtschaft“ studierte. Durch das praxisorientierte Studium sei ihr Bezug zur Natur gewachsen, erzählt sie, und allmählich auch ihr Interesse an Weinbau.

Ganz los ließ die Schwestern das Thema ohnehin nie, halfen sie ja auch oft zu Hause bei der Lese oder bei Veranstaltungen mit. Schließlich sei man auch in Wien in einem Kreis von Weinfreaks gelandet. „Wir konnten uns verkostungstechnisch ziemlich weiterbilden in dieser Zeit“, lacht Susanne.

Ihr Vater rollt die Augen: „Da haben sie dann andauernd dieses ganze verrückte Zeug angeschleppt!“ Das er dann wohl oder übel auch probieren musste. So schlecht scheint es ihm nicht geschmeckt zu haben, schließlich vinifizierte er dann selbst einen schwefelfreien und maischevergorenen Chardonnay. Ein zurückhaltender Wein mit feinen Bitternoten – ganz im Stil des Hauses.

Nicht zuletzt ist das Weingut auch Mitglied bei Pannobile, einer Gruppe bekannter Golser Winzer, die sich in den letzten Jahren auch mit avantgardistischen Weinen einen Namen gemacht haben. Für Susanne und Stefanie ebenfalls eine Quelle der Inspiration.

Es wurde immer klarer, dass sie am Thema Wein nicht mehr vorbei konnten und wollten. Steffi war es dann auch, die ein Praktikum bei Matassa im süd­französischen Roussillon absolvierte. Der Eigentümer, Tom Lubbe, wird in der Naturweinszene als einer der ganz Großen gehandelt. Ein prägendes Erlebnis für die angehende Winzerin. Danach munitionierte sie sich noch in Australien und Südafrika mit önologischem Wissen.

Irgendwann in dieser Zeit, ist wohl die Entscheidung der Schwestern gefallen, zurück ins Burgenland zu gehen und selbst Wein zu machen. 2015 stiegen sie dann in den Betrieb ein. Ihre Bedingung hierfür war, eine eigene Serie herauszubringen, die sich sowohl inhaltlich als auch optisch von den übrigen Gewächsen des Betriebs abheben sollte.

„Wir wollten uns einfach ein wenig austoben, an die Grenzen gehen“, meint Steffi. „Aber vor allem wollten wir etwas ‚Trinkiges‘ machen!“, ergänzt Susanne.

Im Frühjahr präsentierten sie die erste Ernte ihrer „rennersistas“-Linie. Aus jeder Rebsorte ihres Port­folios ein Wein – darunter auch so geschmähte Rebsorten wie Welschriesling oder Zweigelt. Die Fachwelt legte die Ohren an. Selten gelang ein Neueinstieg so souverän. Es sprach sich im Nu herum, dass es da zwei junge Burgenländerinnen gibt, die fulminante Weine machen. Selbst Steffis Mentor Tom Lubbe attestierte ihnen: „That’s damn serious stuff!“ Ein Lob, auf das die beiden Neowinzerinnen natürlich besonders stolz sind.

Bei der Vinifizierung verzichten sie weitgehend auf Schwefelzugabe, lediglich die Rotweine erhalten eine homöopathische Menge, um sie stabil zu halten. „Schwefel ist für uns ein No-Go!“, sind sie sich einig. Es sei einfach ein Fremdkörper im Wein, der ihm seine geschmackliche Komplexität raube. Ihre Vorstellung geht eher in Richtung „Handcraft Wines“.

Damit sind sie ziemlich am Puls der Zeit. Doch von Trends wollen die jungen Winzerinnen nichts wissen: „Das ist keine Mode, ­sondern eine Lebenseinstellung!“, halten sie entgegen. Sie wollen sogar einen Schritt weiter gehen und von organisch-biologischen auf biodynamischen Weinbau umstellen. Die Hardcore-Variante also. Der Papa ist einverstanden: „Wenn man ein wenig Hirnschmalz besitzt, dann ist Bio ohnehin einfacher als konventioneller Weinbau.“ Er ist überzeugt, dass man nur ein wenig vorausdenken und den Abläufen der Natur folgen müsse. „Vor hundert Jahren gab es nur ,Bio‘, und die haben es doch auch geschafft!“

Manche Methoden sind aber auch für ihn Neuland – wie etwa die frühe Lese. Schon Ende August seien ihm seine Töchter jeden Morgen in den Ohren gelegen: „Papa wir müssen endlich lesen!“ Wie so oft habe er nachgegeben, insgeheim aber gedacht: „Das wird alles grün und unreif schmecken!“ Jetzt muss er jedoch zugeben: „Das Zeug ist wirklich verdammt gut!“ Er ist stolz auf seine Mädchen und lässt sich schon mal von ihnen um den Finger wickeln.

Tatsächlich ist es beachtlich, wie präzise und fein balanciert sich die gesamte Serie der „sistas“ präsentiert: Wie aus einem Guss gemacht, scheinbar ohne jegliche Anstrengung. Wenig Alkohol – viel Substanz und Saft. „Trinkige“ Weine eben. Die Weißen werden auf der Maische vergoren, sie besitzen Biss und Spirit. Die Roten wirken zart und auf eine tiefsinnige Weise unbeschwert. Es sind Weine, die fliegen. Ein absolutes Muss für die Schwestern, denn schwere Kaliber sind ihnen ein Gräuel. „Es ist halt so abgespeichert beim Otto-Normaltrinker: Rotwein muss schwer, dick und rund sein“, glaubt Susanne.

Sie sind überzeugt, dass durch frühe Lese spannendere Gewächse entstehen, vor allem in so warmen Gebieten wie dem Burgenland. Der Geschmack sei schon ausgeprägt, bevor sich der Zucker bildet. Die Weine hätten Struktur, blieben aber filigran und leicht.

Eine entspannte Leichtigkeit, die auch dem Wesen der Schwestern entspricht: keine verbissenen Grundsätze, keine bornierten Ideologien. Dogmatiker langweilen sie.

Damit repräsentieren sie eine neue Generation Winzer, die unverkrampft agiert und wohl auch eine jüngere Generation an Weintrinkern anspricht. Man diskutiert nicht ständig, was man zu sich nehmen darf oder nicht, sondern trinkt, was schmeckt. Wein habe dadurch einen anderen Stellenwert bekommen, Marken und pervers teure Gewächse würden niemanden mehr interessieren. Prätentiöses Getue sei passé.

Dem Vater gefällt das. Die Serie der Mädchen passe zur Ideologie des Hauses. Auch seine eigenen Weine seien nie extravagant gewesen. Das Bedürfnis, immer spektakulärere Berserker zu produzieren, sei ihm stets suspekt gewesen.

Derzeit betreiben sie den Betrieb zu dritt – oder eigentlich zu fünft, denn auch Mama Renner ist voll in den Betrieb eingebunden – sie werkt am liebsten im Weingarten – und dann gibt es ja auch noch den ­Bruder, der ein leidenschaftlicher „Staplerfahrer“ ist. Demnächst werden die Schwestern das Weingut übernehmen. Der Papa geht in Pension.

Der Boden ist gut aufbereitet für die beiden Neo-Winzerinnen – ein gemachtes Nest wollen sie aber nicht haben. Das wäre ihnen wohl auch zu eng. Sie schätzen die Freiheit, die der Vater ihnen gelassen hat. So sehr, dass sie ihm ihren Pet-Nat-Schaumwein widmeten: „In a Hell Mood“ – für Helmuth.