Next Generation

Sie sind jung, sie sind karriereorientiert und sie treten in die elterlichen Fußstapfen einer außergewöhnlich erfolgreichen Winzergeneration.

Next Generation

Text von Michael Prónay Foto: Nikolaus Similache
Sie sind zwischen 22 und 31, der ausbildungsmäßige Hintergrund ist meist eine Weinbauschule: Klosterneuburg bei Hannes Schuster und Joachim Skoff (beide 22), Krems bei Lukas Pichler (31) und Emmerich Knoll junior (29), Eisenstadt bei René Pöckl (24). Zwei fallen allerdings ein wenig aus dem Rahmen. Gerhard Wohlmuth junior (22) ließ im Einvernehmen mit dem Herrn Papa "die Theorie sausen" und betrieb heftiges "learning by doing". Gernot Leitner (30) hingegen wollte Klosterneuburg zwar besuchen, hatte die Aufnahmeprüfung auch geschafft, kam dann aber dennoch nicht zum Zug, denn den etwa 120 Bewerbern standen in diesem Jahrgang ganze 23 Ausbildungsplätze gegenüber. Also wählte er den Umweg über die Gastronomie. Aber der Wein ließ nicht locker. "Schon in der Volksschule hab ich mit der Mama mit Begeisterung Flaschen gewaschen, während die andern am Spielplatz waren", so der schlanke, ruhige Leitner. Es wurde also doch noch die Weinbauschule Krems, doch nur kurz: "Leider war der dreijährige Lehrplan eher unflexibel. Mich hätte vor allem die Kellerwirtschaft interessiert, aber stattdessen standen Landtechnik, also Schweißen etc., und Buchhaltung auf dem Programm." Im Übrigen findet er seinen Abbruch nicht wirklich tragisch: "1989 war in Klosterneuburg von moderner Rotweintechnologie noch nicht die Rede, und in Krems war Weißwein im Barrique streng verpönt." Also ging’s wieder in die Gastronomie, zuerst nach Vorarlberg, dann aber nach Hause, und so war Gernot die letzten neun Jahre Serviceleiter im Golser "Birkenhof", bis er mit Anfang Jänner 2003 voll ins Weingut eingestiegen ist. "Allerdings hab ich schon immer zur Lese meinen Urlaub genommen, und wenn im Weingut was zu tun war, dann ging’s auf Zeitausgleich."
Alle Jungwinzer betonen unisono, wie wichtig die Praktika für sie waren. Vergleicht man die Orte und Produzenten, tut sich eine bunte national-internationale Mischung auf. Hannes Schuster beispielsweise blieb im Burgenland und hatte seine Stationen bei Peter Schandl in Rust, bei Kollwentz in Großhöflein (wo auch Emmerich Knoll war) und beim Süßweinzampano Alois Kracher in Illmitz. Deutschland ist ebenfalls ein bevorzugtes Reiseziel: Ob’s die berühmte Fachschule in Geisenheim im Rheingau ist oder das Weingut Friedrick Becker in Schweigen in der Pfalz (wie bei Joachim Skoff) oder das vielleicht renommierteste Pfälzer Weingut Müller-Catoir, von dessen legendären Verwalter und Kellermeister, Hans-Günter Schwarz, Lukas Pichler heute noch schwärmt. Dazu kommen Ernst Triebaumer in Rust, bei dem René Pöckl hospitiert, und Manfred Tement, wo Lukas Pichler schnuppert. Interessanterweise steht auch Neuseeland hoch im Kurs, Joachim Skoff war im Vorjahr vier Monate dort, und Gerhard Wohlmuth war auf Gerhard Fromms Weingut La Strada ebenfalls "down under". Letzterer ist Schweizer und gilt als einer der Lehrmeister des berühmten Daniel Gantenbein. Wirklich verwunderlich ist es nicht, dass es ausgerechnet die Steirer nach Neuseeland zieht, gilt das Land doch auch international als Sauvignon-Hochburg. Bleibt noch Chile zu erwähnen, der junge Skoff war bei Concha y Toro, und zwar nur "eine Minute von Almaviva" weg, dem Joint-venture mit Mouton-Rothschild, was natürlich weidlich ausgenutzt wurde, und Australien, wo René Pöckl mit Rudolf Binder, dem Winemaker von Magpie, arbeitete und die Lese 2000 einbrachte. Das tat er im gleichen Jahr gleich noch einmal, in den Gräflich Neipperg’schen Weingärten von Canon-la-Gaffelière in Saint-Emilion in Bordeaux. Nach Frankreich zog es auch Emmerich Knoll, auf Château La Jaubertie in Bergerac, zu François Thomas und Marc Kreydenweiss im Elsass und schließlich zu Hubert Lignier in Burgund.
Wie junge Menschen in den elterlichen – zumeist väterlichen (im Falle Hannes Schuster hat die Mama Rosi allerdings ein ganz gewichtiges Wort mitzureden) – Betrieb hineinwachsen, ist natürlich durch und durch verschieden, wenn sich auch zwei Grundmuster deutlich unterscheiden lassen. Bei den meisten scheint das ziemlich friktionsfrei funktioniert zu haben, bei zweien allerdings war es mit der Kreation eines eigenen Weins verbunden.
René Pöckl: "Ich wollte eigentlich nie Winzer werden. Der Herr Papa hat mir aber bereits mit 14 einen Weingarten in die Verantwortung übertragen, mit den Worten: ,Mach, was du willst, wenn’s gut wird, ist’s fein, wenn nicht, ist’s auch nicht wirklich tragisch‘ – und da war natürlich die Herausforderung da und der Ehrgeiz geweckt. Ich hab so quasi Blut geleckt und bin hängen geblieben, und heute freut’s mich natürlich gewaltig." Der Weingarten ist mit Zweigelt und Syrah bestockt, 1996 wird die erste Lese des "Rêve de Jeunesse" eingebracht. René Pöckl erhält eine eigene Betriebsnummer und ist mit 17 Jahren der jüngste Betriebsführer im Lande. Er ist völlig selbstständig und macht vom Traubenschnitt bis zum Fassausbau alles selbst. "Im Nachhinein war es natürlich klar, dass sich der Vater was dabei gedacht hat, aber wichtig war für ihn, mich nicht gezwungen zu haben. Irgendwie war ich also ein Opfer, aber rückblickend war ich’s gerne." Und so wurde er 2001, ganz offiziell, Kellermeister im Betrieb.
Der andere mit einem eigenen Wein ist Hannes Schuster, und das kam so: Das Weingut Rosi Schuster steht für Weine auf Blaufränkisch-Basis, und auch wenn es Cabernet und Merlot gibt, dann ändert das nichts an der Philosophie, die sich durchaus an der Strenge und Tanninstruktur (und Haltbarkeit) von Bordeaux orientiert. Nun aber begab es sich, dass man nicht nur 1999 einen Weingarten mit altem St.-Laurent-Bestand zu pachten bekam, sondern dass Hannes Schuster auch eine besondere Affinität zu Burgund hat: "So war es irgendwo logisch, dass ich den Wein, vom Rebschnitt im Jänner 2000 angefangen, gänzlich allein ausgebaut habe. Beim Laurent zählt nur eine Meinung, nämlich meine. Im Übrigen hat sich die Trennung in Rosi-Schuster-Weine, die eher in die Bordeaux-Stilistik gehen, und die Hannes-Schuster-Gewächse, die sich eher an Burgund orientieren, auch bei den Kunden sehr bewährt." Völlig logisch, dass inzwischen zum St. Laurent als weißes Pendant ein Chardonnay getreten ist. Woher kommt die Begeisterung für Burgund? "Mich fasziniert, dass in Burgund die Winzer noch wirkliche Bauern sind, denen ich mich seelenverwandt fühle, und keine Managertypen, die von Versicherungskonzernen engagiert sind. Mit Bauern red‘ ich mir einfach leichter. Und außerdem soll der Wein sein Terroir widerspiegeln und nicht irgendwelchen Moden gehorchen", geht er mit manchen Auswüchsen des Bordelais kritisch ins Gericht.
Hannes Schuster ist auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt eine Ausnahmeerscheinung unter den glorreichen sieben Junioren: Vielleicht als einziger ist er ganz fest mit dem Weingarten verbunden, ja er sieht ihn sogar als vorrangig vor dem Keller: "Nur das, was ich aus dem Weingarten an Topqualität heraushole, kann später im Keller zu Topwein werden." Gibt’s weingartenseitig Konflikte? "Eher selten, aber ich habe ein ziemlich durchschlagendes Argument: Ein Weingarten überdauert locker eine Generation, oft zwei. Das bedeutet, dass ich mit dem Weingarten wesentlich länger werde arbeiten müssen als die Eltern – und deshalb geschieht’s dann auch nach meinem Willen." Das soll natürlich nicht bedeuten, dass die übrigen sechs die Rolle des Weingarten unterschätzen, im Gegenteil, aber die normale Rollenverteilung ist eben die, dass die Jungen eher in den Keller hineinwachsen, während die ältere Generation sich nach und nach in die Weingärten zurückzieht. "Das ist auch völlig normal", so Lukas Pichler, "die Jugend hat in der Regel mehr Verständnis für technische Entwicklungen, sie kommt ja auch frisch von den Schulen, wo sie solche Dinge kennen gelernt hat. Mein Vater kann zum Beispiel mit der Kammerfilterpresse – mit Abstand dem schonendsten Filtrationsverfahren (vom bereits erwähnten Hans-Günter Schwarz salonfähig gemacht) – oder mit der Computersteuerung von der Presse nichts anfangen. Umgekehrt braucht’s für den Weingarten jahrzehntelange Erfahrung, und wenn einer die hat, dann wohl er. Ich selber komm ja während der Lese kaum aus dem Keller heraus. Nicht einmal mit der Traubenselektion hab ich viel zu tun, denn die geschieht bei uns bereits bei der Lese im Weingarten."
Es liegt in der Natur der Dinge, dass junge Winzer, die in einen erfolgreichen und anerkannten Betrieb hineinwachsen, naturgemäß weniger Widerspruchsgeist entwickeln als jene, die in ein Weingut hineingeboren sind, in denen Mittelmaß regiert. Emmerich Knoll: "Es tut mir weh, wenn ich sehe, wie junge Leute einfach weggehen, weil die ältere Generation darauf besteht, so weiterzumachen wie bisher, obwohl der Betrieb nicht als führend angesehen wird – und natürlich auch die Preise nicht stimmen." Oder wie es Gerhard Wohlmuth formuliert: "Die Notwendigkeit zu einer Revolution besteht ganz einfach nicht, denn die hat die Generation vor uns gemacht" oder aber, wie bei Knoll und Pichler, die Generationen davor.
Ist also immer alles nur eitel Wonne Sonnenschein? "Überhaupt nicht", so Joachim Skoff, der als Einziger zugibt, mit Vater Walter gelegentlich in heftige Diskussionen über dieses oder jenes zu verfallen. "Aber das ist kurz und eruptiv, und dann ist’s vorbei. Nur die Mutter hat sich früher gelegentlich eingemischt, mit dem Ergebnis, dass sie plötzlich allein gegen uns stand." Was ja auch ein Indiz dafür ist, dass es mit den Differenzen nicht so weit her ist. An seinen ersten Konflikt erinnert er sich noch gut: "Den gab’s, als ich im Keller um 3 Uhr früh gesagt hab ,ich bin müde‘, worauf ich vom Vater mindestens hundertmal zu hören gekriegt hab: ,Inkonsequenz akzeptiert der Wein nicht!‘ – und das hab ich mir ziemlich gut gemerkt!
Interessanterweise haben zwei der Jungwinzer ungefragt die Rolle des Humors angesprochen: "Der Spaß an der Arbeit ist das Wichtigste, bei uns wird während der Lese auch um Mitternacht im Keller noch gelacht", so Gerhard Wohlmuth, und auch Lukas Pichler meint betont dezidiert, dass Humor "zu meiner Strategie, dem Druck, den ich als Sohn habe, standzuhalten, jedenfalls dazugehört".
Praktisch alle sind übereinstimmend der Ansicht, dass Meinungsverschiedenheiten völlig normal sind, weil es in der Natur des Menschen liegt, Auffassungsunterschiede zu haben. Aber ebenso übereinstimmend meinen sie, dass es erstens nie um Grundlegendes geht. Emmerich Knoll: "Die Meinungsdifferenzen werden mit der Zeit einfach kleiner und weniger, das macht die Erfahrung. Schließlich weiß man ja, dass man weder das Rad neu erfinden noch alles umdrehen muss. Das führt naturgemäß dazu, dass ich beispielsweise keine großen Visionen oder Zielvorgaben habe. Ich bin da viel bescheidener: Ich will, irgendwann in der Zukunft, wenn ich den Betrieb übernommen habe, dass Weinfreunde in einer Vertikalprobe eben nicht sagen können: ,Das schmeckt man jetzt, bis daher sind die Weine vom Vater und ab da vom Jungen.‘ Klingt wenig, ist aber viel für mich."
Auch Gerhard Wohlmuth sieht nicht den geringsten Anlass zu einem Generationenkonflikt: "Wir haben ja beide genau dieselbe Vorstellung eines Weins im Kopf. Wir wollen die Mineralik der Schieferböden herausarbeiten, wir wollen kein "pee of an oversexed tomcat" (Pipi eines übergeilen Katers), wie es Michael Broadbent so trefflich formuliert hat." Dazu gehören minimalistische Eingriffe bei der Vinifikation, auch bei den jüngst zum Programm gestoßenen burgenlän-dischen Roten. In Neckenmarkt, wo inzwischen das Traubengut von 10 ha verarbeitet wird, steht der Blaufränkische als Leitsorte fest. "Ich denke eventuell über Malbec nach, aber das ist Zukunftsmusik", so Gerhard junior, der natürlich auch mit allem Möglichen experimentiert: "In kleinem Rahmen ist das überhaupt kein Problem. Und mir ist natürlich klar, dass ein versuchsweise spontan vergorener steirischer Cabernet eine reine Spielerei ist und nichts, was in irgendeiner Art Zukunft haben könnte."
Wenn man die Generation der Väter ein wenig besser kennt, dann könnte man bei den Pöckls, wo sich Vater Josef ("Pepsch") kein Blatt vor den Mund zu nehmen pflegt, am ehesten ein Konfliktpotenzial sehen. Doch auch hier winkt der Junior ab: "Ich seh meinen Vater längst nicht so dominant, wie er vielleicht nach außen wirkt. Er ist eher ein dynastisch denkender Familienmensch. Er fördert mich sehr und weiß genau, dass er mich braucht, damit das Weingut weiterbesteht. Die Zukunft gehört immer der jüngeren Generation. Ich selber sehe mich ein bissel als Quereinsteiger (weil ich ja nie Winzer werden wollte), aber mit dem Wissen eines 50-Jährigen im Rücken. Ich muss nicht alle Fehler, die der Herr Papa schon gemacht hat, noch einmal machen." Trotzdem gibt’s doch deutlich spürbare Unterschiede, wenn auch nur in Nuancen: "Ich versuche, meinen Stil zu definieren. Die Weine des Vaters sind kernig und tanninig, ich suche eher weiche Mineralität. Das schmeckt man auch, der Rêve ist hedonistischer in seiner Anlage als der Admiral." Die ganz große Stärke des Vaters, von der René profitiert, ist die genaue Kenntnis vom Zusammenspiel von Rebsorte, Boden und Klima: "Bei der Assemblage der Cuvées, da hat er mir durch dieses Wissen natürlich viel Erfahrung voraus." Übrigens: "Gröbere Wickel gab’s noch nie, ich bin ein sehr teamfähiger Mensch, ich kann mit jedem zusammenarbeiten, der das tut, was ich sage", so ein verschmitzter René, der nicht versäumt hinzuzufügen, dass dieser Ausspruch genausogut vom Vater sein könnte. Noch einen Vorteil sieht René in der Existenz des Herrn Papa: "Er hält mir, indem er die finanzielle Gestion des Guts überhat, den Kopf für andere Dinge frei. Wir sind einfach zu groß, und da braucht man zuverlässige Leute – und das sind in erster Linie meine Eltern."
Raum für gröbere Meinungsunterschiede sieht auch Hannes Schuster nicht: "Alle drei – Mutter, Vater und ich – müssen voll hinter dem Produkt stehen. In der Kellertechnik ist in Summe schon sehr viel bekannt. Ich glaube, dass im Weingarten noch etwas zu holen ist", so Schuster, "gröbere Veränderungen wird’s nicht geben, im kleinen Stil wird irgendwann der Pinot Noir dazukommen, allerdings weder burgundisch noch australisch oder kalifornisch, sondern nach Burgenland schmecken."
Ganz ähnlich sieht das Gernot Leitner: "Natürlich wird’s in Zukunft kleine Veränderungen geben, aber das sind mehr Adjustierungen als grobe Richtungsänderungen. 2003 gibt’s seit langem wieder einen trockenen Riesling, und vielleicht kommt in sehr guten Jahren einmal ein Wein dazu oder in schwachen einer weg." Dazu kommt ein behutsames Facelifting für die Etiketten oder ein neuer Webauftritt. "Unser Motto lautet: Schritt für Schritt, langsam, aber bestän-dig seinen Weg weitergehen."
Konfliktfrei geht es offenbar auch im Haus Pichler zu. Lukas: "Bei Entscheidungen gibt’s praktisch keine Differenzen, weil wir ja dieselben Visionen haben und dasselbe wollen. Kleine Änderungen – eine langsamere Gärführung oder längerer Hefekontakt – werden grundsätzlich gemeinsam entschieden." Veränderungen wird’s immer geben, man versucht ja, sich weiterzuentwickeln. "Never change a winning team", so das Familienmotto. Allerdings stößt man an die Grenzen, der Keller ist voll ausgelastet, in den nächsten Jahren steht die Auslagerung der Produktion an: "Wir werden wohl neu bauen. Der alte Keller ist sehr tief und nahe an der Donau, wir haben praktisch jedes Jahr Wasser drinnen, bei den beiden Hochwassern umso mehr, das ist kein Dauerzustand." Wo genau, steht zwar noch in den Sternen, aber man kann davon ausgehen, dass die Entscheidung gemeinsam getroffen wird.
Lassen wir zum Abschluss noch einmal Joachim Skoff zu Wort kommen: "Ich hab immer geglaubt, es gibt zwei Meinungen: die vom Papa und die richtige. Aber erst nach Neuseeland hab ich gemerkt, wie wichtig Individualität ist und dass er vielleicht doch nicht ganz Unrecht hat. Mit der wilden Hefe beispielsweise wird der Wein wirklich einzigartig. Je intelligenter der Winemaker, desto besser der Wein – davon bin ich fest überzeugt."