Riesling der Extraklasse

Das Kamptal beweist wieder einmal, dass nicht nur die Wachau große Rieslinge erzeugen kann.

Riesling der Extraklasse

Text von Michael Prónay Foto: Sabine Jellasitz
Kamptal, das sind knapp 3.900 Hektar Reben, gelegen im Gerichtsbezirk Langenlois im politischen Bezirk Krems. Sechs Gemeinden umfasst das Weinbaugebiet: Grafenegg (vormals Etsdorf-Haitzendorf), Hadersdorf-Kammern, Langenlois (inklusive der bekannten Weinbauorte Gobelsburg, Schiltern und Zöbing), Schönberg am Kamp (mit Mollands) und Straß im Straßertale. Statistisch gesehen hat sich der Grüne Veltliner mit über 52% der Weingartenfläche den Löwenanteil gesichert. An zweiter Stelle steht mit 11% der Müller-Thurgau (Rivaner), den offenbar keiner kennen will. Dann kommt der Zweigelt mit etwas über 8 und der Riesling mit knappen 8%, was seinen zweithöchsten Anteil im Lande (nach der Wachau mit 13%) bedeutet. Keine andere Rebsorte erreicht 5%.
Natürliches Zentrum der Region ist Langenlois, nicht zuletzt deshalb, weil die alte Stadt mit etwa 2.400 ha Reben die mit Abstand größte Weingartenfläche des Gebiets (über 60%) aufzuweisen hat. In der Vergangenheit gab’s einen amüsanten Wettstreit zwischen Langenlois und Gols, wer denn tatsächlich die größte Weinbaugemeinde im Lande sei. Die Golser verwiesen auf den Umstand, dass Langenlois erst durch Eingemeindung der umliegenden Orte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf seine gegenwärtige Größe gekommen sei, während Gols so etwas nicht notwendig hätte. Inzwischen hat man sich auf die Kompromissformel geeinigt, dass Gols die größte Weinbaugemeinde, Langenlois hingegen die größte Weinbaustadt sei.

Die Topwinzer
Langenlois ist aber auch die Heimat von drei traditionellen Topwinzern im Lande: Bründlmayer, Hiedler und Jurtschitsch haben hier ihren Sitz. Allerdings haben sie im Laufe der letzten Jahre durch einige Newcomer Konkurrenz bekommen, in erster Linie durch das Schloss Gobelsburg unter Michael Moosbrugger seit 1996 (Willi Bründlmayer ist übrigens 50%-Partner, hält sich aber aus dem Tagesgeschäft bewusst völlig heraus), durch den "Modernisten" Fred Loimer, durch das Geschwisterpaar Ehn, aber auch durch die engagierte Birgit Eichinger und ihre Schwester Michaela Haas vom Weingut Allram im benachbarten Straß im Straßertale.
Dort hat auch das Weingut Dolle seinen Sitz, ebenso Johann (Hansi) Topf sowie das Weingut Maglock-Nagel (das durch seine glänzende Performance mit dem leichtgewichtigsten Riesling der Probe aufhorchen ließ). Zwei Winzer sollten jedenfalls noch erwähnt sein, weil sie sich mit ihren Traminern bravourös behaupten konnten: die Weingärtnerei von Josef und Berta Aichinger aus Schönberg und Thomas Leither aus Langenlois. Letzterer ist übrigens ein Urenkel von Prof. Fritz Zweigelt, dem in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts die Kreuzung der erfolgreichsten heimischen Neuzüchtung aller Zeiten gelungen ist, eben dem Zweigelt. Der Fairness halber sei erwähnt, dass der Namensvorschlag nicht von ihm selbst ausgegangen ist: Er nannte die Kreuzung aus Blaufränkisch x St. Laurent "Rotburger", das Suffix "burger" in Anlehnung an seine Wirkungsstätte, der Weinbauschule Klosterneuburg. Von Fritz Zweigelt stammt übrigens auch der Blauburger (Blauer Portugieser x Blaufränkisch), in jüngerer Zeit wurde auch noch der Goldburger nach diesem Schema benannt.

Die Weine
Wir baten alle Weingüter, die im Guide "Österreich A la Carte 2004" verzeichnet sind, um je einen Wein nach freier Wahl. 22 Güter lieferten ihre Weine, und so kamen wir zu acht Rieslingen (mit dem Steininger’schen Riesling-Sekt sogar neun), sechs Grünen Veltlinern, zwei Traminern sowie zu je einem Grau- und Weißburgunder-Verschnitt, Neuburger, Weißburgunder, Chardonnay, Sauvignon Blanc und zu einem Eiswein (ohne Sortenangabe).
Verkostet hat das "A la Carte"-Stammteam (Dietmar Bruckner, Michael Prónay und Günter Reindl). Die Weine wurden in Gruppen nach aufsteigendem Alkohol blind verkostet, und zwar in der Reihenfolge Sekt, Veltliner, Sauvignon, Riesling, Pinot & Compagnie, Traminer, Eiswein. Die besten Weine wurden in einer Finalrunde ohne Ansehung der Rebsorten nach aufsteigenden Punktezahlen revolvierend verkostet, sodass die Punktezahlen der verschiedenen Gruppen durchaus miteinander in Bezug zu setzen sind. 14 Weine waren 2002er, sechs Stück 2003er, je einer kam aus 2001 und 1999.
Etwas überraschend dann das Ergebnis: Mit einem Ex-aequo-Sieg des Leithner’schen Traminers und des Allram’schen Rieslings vor dem Kabinettriesling von Maglock-Nagel hatte keiner gerechnet, der Ex-aequo-dritte-Platz des Gobelsburger Lamms war hingegen erwartet. Ein Wein sollte noch Erwähnung finden: Der "Spiegel" von Willi Bründlmayer ist wahrscheinlich der am meisten unterschätzte Wein des Landes. So diskret, fein, elegant und zart holzumspielt zeigt er seit vielen Jahren das Fingerspitzengefühl des Winzers (und seines Kellermeisters Sepp Knorr, der auch einmal vor den Vorhang gebeten werden soll).