Sanfte Rebellen

In einigen österreichischen Weinbetrieben zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Die wohl spannendste Nachfolge findet in zwei der bekanntesten Betriebe statt: Alwin Jurtschitsch und Vincent Bründlmayer versuchen auf sehr unterschiedliche Weise ihrem großen Erbe gerecht zu werden. Text von Christina Fieber Foto: Julia Stix Wer kennt sie nicht? Die bunte Künstleretikette auf der durchsichtigen Weinflasche. Seit…

In einigen österreichischen Weinbetrieben zeichnet sich ein Generationswechsel ab. Die wohl spannendste Nachfolge findet in zwei der bekanntesten Betriebe statt: Alwin Jurtschitsch und Vincent Bründlmayer versuchen auf sehr unterschiedliche Weise ihrem großen Erbe gerecht zu werden.

Text von Christina Fieber Foto: Julia Stix

Wer kennt sie nicht? Die bunte Künstleretikette auf der durchsichtigen Weinflasche. Seit etlichen Jahren zieren die Zeichnungen von Christian Ludwig Attersee einen Grünen Veltliner des Weinguts Jurtschitsch. Mit der geschützten Bezeichnung „GrüVe“ gelang den Brüdern Jurtschitsch ein genialer Marketingschachzug. 1987, als Österreichs Weinwirtschaft noch dabei war, sich mühsam aus dem Glykolskandal zu schälen, setzten die findigen Brüder auf einen trockenen, unkomplizierten Grünen Veltliner. Der „GrüVe“ ist seither Synonym für leichte und preiswerte Weine aus gutem Hause – eine Erfolgsgeschichte. Ein Vierteljahrhundert später übernimmt Alwin Jurtschitsch, der Sohn des ältesten Bruders, das bekannte Weingut.

Auch in einem anderen legendären Weinbaubetrieb kündigt sich ein Generationenwechsel an: Vincent Bründlmayer, ältester Sohn von Willi Bründlmayer, gibt mit seinem ersten eigenen Wein deutliche Lebenszeichen von sich. So unterschiedlich ihre Konzepte sind, beiden gemeinsam ist das Vorhaben, nicht nur ein großes Erbe anzutreten, sondern auch eigene Spuren zu hinterlassen.

Während der junge Bründlmayer die klassische Linie des Hauses grundsätzlich weiterverfolgen will, möchte Alwin Jurtschitsch gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Stefanie dem Namen Jurtschitsch ein völlig neues Image geben. Stefanie Hasselbach, aus einem ebenso namhaften Weinbautrieb in Rheinhessen stammend, sitzt aber nicht im Büro und kümmert sich um die Buchhaltung, sorgt für nette Blumendekoration oder hält ihrem Mann sonst wie den Rücken frei, nein, Stefanie ist von nun an gemeinsam mit Alwin neue Chefönologin des renommierten Weinguts.

Obwohl sie deutliche Veränderungen vornehmen, posaunen sie es nicht in die Welt. Kaum jemand nimmt von der vor drei Jahren stattgefundenen Betriebsübergabe im Hause Jurtschitsch Notiz.

„Wir hatten von Beginn an klare Vorstellungen, wohin es gehen soll, aber wir sind immer noch auf dem Weg“, erklärt Alwin Jurtschitsch fast bescheiden „wir wollen experimentieren, die Grenzen des Machbaren ausloten.“

Vincent Bründlmayer hingegen wollte zu Beginn eher seine persönlichen Grenzen ausloten. Nach der Schule zog es ihn von Langenlois nach Wien, ins Leben. Er versuchte sich in verschiedenen Genres, weit weg vom Weinbau, von der Provinz. Er studierte Tontechnik, Grafik und Design, arbeitete in der Mode- und Filmbranche, als DJ und Promotor, zuletzt sogar als Galerist, Veranstalter und Caterer. Ziemlich viel für einen jungen Mann mit knapp 29 Jahren: „Ich war auf der Suche nach mir selbst, wollte unbedingt kreativ schaffen, aber nirgendwo bin ich zur Ruhe gekommen!“, resümiert er sein umtriebiges Leben.

Erst in seiner Tätigkeit als Caterer, als er für Veranstaltungen selbst kocht, begegnet er sozusagen wieder seiner Herkunft: dem Wein. Über den kulinarischen Genuss kommt er langsam auf den Geschmack des Weins. Er ist fasziniert. Beginnt ein Önologiestudium und schließt es auch ab. Praktiziert auf einem der besten Weingüter der Welt: Domaine Dujac im Burgund.

Mit Beginn des Jahres zieht er zurück nach Langenlois, ins Haus der verstorbenen Großmutter und ist von nun an jeden Tag im Weingut: „Ich bin endlich angekommen“, meint er mit so scheuem wie verschmitztem Lächeln, „erst jetzt begreife ich, was für ein Glück ich eigentlich habe!“ Sein Blick strahlt mit einer Unbedarftheit, die besticht.

Dagegen wirken Alwin Jurtschitsch und seine Freundin schon wie alte Hasen: Mit ihnen begann eine völlig neue Ära im Weingut: Dazu gehört, dass die gesamte Rebfläche auf organisch biologische Bewirtschaftung umgestellt wurde; ein nicht unerhebliches Risiko bei 70 Hektar: fällt eine Ernte wegen Schädlingsbefall aus, gibt es kein Sicherheitsnetz.

„Wir haben hoch gepokert“, meint auch Stefanie Hasselbach, „aber wir waren uns einig, biologischer Weinbau ist unsere Mindestanforderung!“

Nicht allein aus ethischen Gründen haben sie sich dafür entschieden, sondern auch aus der Überzeugung, mit gesunden Rebstöcken eine höhere Qualität zu erreichen. Zudem werden alle Lagenweine mit natürlichen Hefen vergoren, um den Weinen mehr geschmacklichen Ausdruck zu verleihen. Sonst wird im Keller so wenig wie möglich eingegriffen.

„Wenn man sein Terroir kennt, kann eigentlich nichts passieren“, ist Alwin Jurtschitsch überzeugt, „man lernt den eigenen Weinen zu vertrauen!“

Auch Vincent Bründlmayer baut auf die Qualität des Terroirs. Schon sein Großvater hat die Bedeutung exzellenter Lagen erkannt, in einer Zeit als viele andere noch Massenwein abfüllten. Niemand wollte auf der heutigen Spitzenlage, dem Zöbinger Heiligenstein Wein anpflanzen, zu steil, zu heiß und zu mühsam, sei die Arbeit dort, lieber hat man es sich in der Ebene bequem gemacht. Bründlmayer Senior hat damals fast den gesamten Weinberg erworben und Riesling ausgepflanzt. Ein Visionär. Auch sein Sohn, Willi Bründlmayer, verfällt nicht der Versuchung, schwere üppige Lagencuvées abzufüllen, wie sie der Markt verlangt, sondern setzt auf Einzellagen. Er beginnt ihre Besonderheit herauszuarbeiten.

„Mein Vater ist mein Lehrmeister“, meint Vincent anerkennend, „er hatte immer einen offenen Geist auf der Suche nach absoluter Qualität. Mit seiner Erfahrung und diesen Lagen, kann mir eigentlich nichts passieren!“ Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war wohl nicht immer so friktionsfrei. „Bei einem beinahe perfekten Vater ist es nicht immer leicht, seinen eigenen Wert zu erkennen, sich selbst zu finden.“

Vincent Bründlmayer ist viele Umwege gegangen, um zu sich selbst zu kommen. Sein Vater war so klug, ihn diese Wege gehen zu lassen und ihn nie unter Druck zu setzen. „Man muss freiwillig zum Wein kommen, sonst kann man die nötige Begeisterung für diesen wahnsinnigen Beruf nicht finden“, ist Vincent überzeugt.

Auch Alwin Jurtschitschs Wege führten nicht direkt ins eigene Weingut. Auch er wollte nur weg aus Langenlois. Wenngleich seine Reise früh im Namen des Weines stand. Er zieht durch die Welt mit dem Segen des Vaters. Unter einer Bedingung: Er solle lernen, wie man Wein macht. Zu Beginn hält sich Alwin nur aus taktischen Gründen an diese Vorgabe, aber schnell fängt er Feuer. Bei seinem ersten Praktikum in Neuseeland ist er fasziniert von der Art wie dort über Wein kommuniziert wird: „Es wurde ständig diskutiert, aber nicht über Traktoren und Hektarerträge wie bei uns in Langenlois, sondern über Weingartenbegrünung und spontane Vergärung; Da hab ich Blut geleckt!“

Nach einem kurzem Zwischenaufenthalt zuhause, zieht es in wieder weg, nach Australien. Dort habe er sich erstmals mit biologischem Weinbau beschäftigt. Obwohl auch seine Familie nicht drängt, werden sie langsam unruhig. Alwin beginnt eine Ausbildung in Geisenheim, der renommierten deutschen Weinbauschule, die schon sein Vater besuchte. Nicht ganz ohne Hintergedanke. Hat er doch bei der Ernte zu Hause die deutsche Praktikantin Stefanie kennengelernt, die ebenfalls in Geisenheim studiert. Nach ihrem Abschluss 2005, ziehen sie gemeinsam durch Frankreich, um mit Arbeit in Weingütern Geld zu verdienen. Allein in Frankreichs bekannten Weingegenden zeigt man sich nur mäßig interessiert an dem „deutschen“ Paar und so landen sie im Roussillon.

„Es war zu dieser Zeit die wildeste Weinregion der Welt, eine Art Woodstock des Weins!“ erinnert sich Alwin Jurtschitsch. Die beiden fühlen sich in ihrem Element. Sie arbeiten bei Tom Lübkes neu gegründeter Domaine Matassa, dem Revolutionär in Sachen moderner Weinbau. Lübke ist einer der ersten, der seinen Weinen keinen Schwefel zusetzt. Er ist ein früher Protagonist der „Natural Wine“-Bewegung, die immer noch die Gemüter erhitzt. Tom Lübke bleibt der wichtigste Mentor und Ratgeber des jungen Winzerpaars, er prägt sie nachhaltig. Nach einem kurzen Zwischenspiel beim renommierten Weingut Chapoutier landen sie 2008 endgültig in Langenlois und brennen darauf, all ihre Erfahrungen im eigenen Weingut auszuprobieren.

Vincent Bründlmayer setzt mehr auf die Erfahrung seines Vaters und die Zusammenarbeit im Team. Weintechnische Entscheidungen treffen die beiden mit ihren zwei jungen Önologen. Vincent fühlt sich im Team gut aufgehoben.

„Ich habe mir selbst großen Druck gemacht“, antwortet der Jungwinzer auf die Frage, wie er mit diesem großen Erbe umgehe „ hab mir früher nicht zugetraut, so viel Verantwortung zu übernehmen“, sinniert er. „aber jetzt empfinde ich es als Befreiung; ich hab meine Erfüllung gefunden!“ Für ihn ist die Tätigkeit des Winzers vergleichbar mit künstlerischem Schaffen. Die vielfältigen Anforderungen beflügeln ihn: „Ich habe mich ins Weinmachen verliebt!“ stellt er nicht ohne Koketterie fest. Dabei zieht wieder dieses strahlende und zugleich sanfte Lächeln über sein Gesicht, mit dem er wohl das eine oder andere Mädchen verführt.

Seine erste Kreation schlägt gleich ziemlich ein: Vincents Spiegel 2011 ist ein Grüner Veltliner aus der Lage Spiegel. Mit dem Erbe von seiner Großmutter hat er dem Vater einen Hektar des Weinbergs mit 40 Jahre alten Rebstöcken abgekauft. Darauf ist er stolz. Es ist ein knochentrockener Wein mit prägnanter Säure und Mineralik, erstaunlich balanciert, sehr straight und doch nicht unschmeichelhaft. Ziemlich gelungen.

„Er soll nicht aus der Reihe tanzen“, merkt der junge Winzer an. Das tut er nicht und tut es trotzdem. „Vincents Spiegel“ ist zwar in einer Weise im Stile des Hauses Bründlmayer gemacht, aber geht gleichzeitig darüber hinaus, hat auch eine völlig eigene Handschrift. Der folgende Jahrgang wurde spontan vergoren: eine Neuheit im Weingut.

Deren gibt es viele im Hause Jurtschitsch: Die Jungwinzer haben alle Pachtflächen zurückgegeben, um auch wirklich jene Qualität garantieren zu können, die sie im Weingarten anstreben. Immerhin noch 62 Hektar.

Zwischen den Rebzeilen wird begrünt und mit Kuhmist gedüngt. Zusätzlich pflanzt man Pfirsichbäume, Kräuter und Weingartenknoblauch. Weg von der Monokultur zu einer Vielfalt im Weingarten. In einigen Jahren, wollen sie auch komplett auf Bewässerung verzichten: Gesunde Reben sind widerstandsfähig genug und wurzeln auch tiefer, sind die beiden Jungwinzer überzeugt.

All dies passiert ohne großes Marketinggeschrei: „Es soll eine langsame, gesunde Entwicklung sein, keine Revolution, eher eine Reformation“, erklärt Alwin besonnen. Der junge Winzer wirkt reif und geerdet. Stefanie lacht: „Er war nicht immer so, als ich ihn das erste Mal sah, war er ein richtiger Wilder, mit einem langem Fundibart und kontroversen Ansichten, das hat mir imponiert!“ Natürlich mussten sie sich mit ihren Neuerungen im Weingut durchsetzen, mussten beweisen, dass sie auch wirklich was draufhatten, erzählen sie. Aber sie wären dabei immer ein gutes Team gewesen. Die Weine tragen zwar noch das alte Etikett, aber im Inneren haben sie sich gewandelt. Sie sind purer und hintergründiger geworden, haben spürbar an Charakteristik gewonnen.

Nur zwei Weine tanzen aus der Reihe und dürfen das auch zeigen. Eine schlanke Schrift ziert die Etiketten: „Non Vintage“ steht auf der einen Flasche geschrieben und auf der anderen „Die Quelle“. Wie die Ankündigung eines Theaterstücks. Tatsächlich befindet sich in diesen beiden Flaschen die gesamte Erfahrung ihrer Reisen. „Non Vintage“ 2009, ist sehr wohl ein Jahrgang und soll auf das Unzeitgemäße verweisen. Die neue alte Weise, Wein zu machen. Der Veltliner wurde mit den Schalen vergoren, wie früher: „Gären mit Beeren“ nennen sie die Methode programmatisch.

Es war ein heißes Jahr und so versuchten sie die mangelnde Säure durch Tannine zu kompensieren. Wie beim Rotwein werden der Schale bei der Gärung die Gerbstoffe entzogen. Das gibt dem Wein Rückgrat und Reifepotenzial. Ein zeitloser Wein. Trotzdem äußerst präzise, punktgenau. Kein Firlefanz, keine Fruchtbombe, keine Explosion am Gaumen. Kein Theater der Affekte, sondern Art brut, purer Wein.

Ein Projekt, genau wie „ Die Quelle“2010, ein Riesling vom äußersten Westen des Zöbinger Heiligensteins, dort wo die Nordwinde am kältesten pfeifen. Auf steilen, schmalen Terrassen, so dass keine Traktoren fahren können. Ein wildes Stück Weinland. In jedem Fall ein wilder, ungezügelter Wein, ohne Botrytis, spontan vergoren, kaum Schwefel. Keine Verzärtelung, sondern richtiger Riesling. Gnadenlos gut.

Für die Zukunft schwebt beiden Jungwinzern vor, ihre Rotweinkompetenz auszubauen. „Pinot Noir ist unser nächstes Projekt“, prognostiziert Alwin Jurtschitsch. „Pinot Noir ist meine große Leidenschaft“, verkündet auch Vincent Bründlmayer. Die Rebstöcke sind jetzt alt genug. Es geht weiter.

Weingut Jurtschitsch
Rudolfstraße 39, 3550 Langenlois,
Tel.: 02734/21 16
www.jurtschitsch.com

Weingut Bründlmayer
Zwettler Straße 23, 3550 Langenlois,
Tel.: 02734/21 72-0
www.bruendlmayer.at