Sind österreichische Spitzenweine zu billig?

Zu billig oder zu teuer? Wie sind die Preise für österreichische Spitzenweine im internationalen Vergleich tatsächlich einzuordnen? Und kann Österreich bei der Vermarktung mit den internationalen Big Playern auch nur ansatzweise mithalten? Fragen über Fragen, auf die A la Carte-Weinchef Willi Balanjuk eine Antwort zu geben versucht.

Text von Willi Balanjuk/Foto GettyImages

Es ist lange her. 1994 publizierte Jancis Robinson, schon damals eine der einflussreichsten Weinkritikerinnen der Welt, im Wine Spectator einen Artikel über Alois Kracher. Bezeichnender Titel: „Playing with the big boys“. Robinson lobte das Potenzial seiner Weine, verglich sie mit den Besten der Welt und pushte damit das Weingut in die Topliga der Süßweinproduzenten.

Vor Kurzem schrieb Jancis Robinson in der Financial Times, dass Österreichs Topweine – vor allem die Rotweine – im internationalen Vergleich zu billig sind. Liegt Jancis Robinson mit ihrem Statement wieder richtig? Sind die Topweine Österreichs im internationalen Vergleich tatsächlich zu günstig?

Versuchen wir, für die Einschätzung dieser Theorie einige grundsätzliche Punkte zu definieren, zum Beispiel die unterschiedlichen Märkte und ihre Eigenheiten.

Der Begriff Topwein bzw. Spitzenwein wird im angelsächsischen Raum als „super premium wine“ definiert. Diese Weine liegen in einem Preisband über 50 Euro (nach oben offen). Im deutschsprachigen Raum werden schon Weine zwischen 30 und 50 Euro dazu gezählt. Diese „super premium“-Weine spiegeln den Rebsortencharakter, die Herkunft und/oder die Lage wider und besitzen Entwicklungspotenzial. In Österreich gibt es eine Vielzahl dieser Weine im Bereich zwischen 35 und 50 Euro, und nur eine Handvoll Weine erzielt einen Preis über 100 Euro. Frankreich, Italien und Spanien verkaufen Topweine zurzeit sehr erfolgreich um und über 100 Euro. Weiße und rote ­Burgunder, Bordeaux, nördliche Rhône, Piemont und Toskana, Ribera del Duero und Riojas kosten ab 100 Euro, und ihre Preisentwicklung ist nach oben offen. In der Neuen Welt findet man solche „Icons“ jenseits der 150-Euro-Grenze.

Neben emotionalen Faktoren werden Weinpreise auch durch gegebene Fakten wie Grundstückspreise, Produktionskosten, Produktionsmenge, Vertriebskosten, Image einer Region und vieles mehr definiert. In Österreich kostet ein Hektar eines Spitzenweingartens zwischen 50.000 Euro und 250.000 Euro pro Hektar. Toplagen in Bordeaux und im Napa Valley kosten rund 2 bis 2,5 Millionen Euro pro Hektar. Im Burgund wurden für Monopol-Grand-Cru-Lagen sogar unvorstellbare 25 Millionen Euro pro Hektar bezahlt. – Eines der Hauptargumente der Winzer dieser Regionen für die Höhe der Weinpreise. Die Herstellungskosten werden durch Erträge, Lohnkosten und die Art wie auch die Dauer des Ausbaus am stärksten geprägt. Diese Kosten liegen sowohl im Bordeaux und in Kalifornien als auch in Österreich relativ knapp beieinander und sind garantiert nicht verantwortlich für den Weinpreis. Die Handarbeit und die biologische sowie biodynamische Weingartenbewirtschaftung werden immer wichtigere, aber auch kostspieligere Faktoren. Hingegen scheint die verfügbare Menge eines Weins kein Faktor für die Gesamtkalkulation zu sein. Grand-Cru-Weine des Burgund mit Flaschenanzahlen von etwa 160 Stück sind nicht die teuersten. Im Vergleich dazu produziert Screaming Eagle rund 6.000 Flaschen des teuersten Weins Kaliforniens, er kostet das Doppelte eines Burgunders.

In bare Münze verwandelt sich in diesem Zusammenhang die Zeit der Marktpräsenz. Außer den Weinen der Neuen Welt findet man fast alle sehr teuren Weine bereits seit Jahrzehnten in den meisten Spitzenrestaurants und im weltweit agierenden Fachhandel. Diese Präsenz hat viele Weine tatsächlich zu Luxusmarken mit einem entsprechenden Preis gemacht.

Im besten Fall hat auch das Vertriebssystem einen positiven Einfluss auf die Preisgestaltung. Österreich hat seine Entwicklung seit den 1990ern aufgrund des starken Ab-Hof-Verkaufs sehr schnell und erfolgreich umgesetzt. Daher sind in der Kalkulation vieler Weine keine Margen für internationale Aktivitäten und Handelsspannen eingerechnet.

Chris York, Geschäftsführer der Weinmarketing Österreich, meint, dass rund drei Viertel der heimischen Weine in Österreich verkauft werden. Willi Klinger, Geschäftsführer von Wein & Co, sieht noch einen langen Weg der österreichischen Topweine vor sich, bis diese international mit Preisen über 100 Euro etabliert sind.

Ist der erfolgreiche Ab-Hof-Verkauf letztlich ein Nachteil für die internationale Akzeptanz der Topweine? Viele Weinhändler wie etwa Morandell sehen das so. International erfolgreiche Weine kosten ab Hof nahezu genauso viel wie am internationalen Markt. Daher wäre für Topweine ein hoher Ab-Hof-Preis notwendig und wohl auch gerechtfertigt.

Österreichische Weine, die beim Winzer mehr als 60 Euro kosten, finden sich in den verschiedensten Regionen. Beim Weißwein legt der Riesling Unendlich von F. X. Pichler mit rund 130 Euro die Latte sehr hoch. Dieser Riesling ist einer der etablierten Weine, die sowohl in Österreich als auch in Deutschland und der Schweiz erfolgreich sind. Bei den Rotweinen ist das Angebot wesentlich breiter. Pöckls Mystique, der Pinot noir und Cabernet Franc von Schloss Halbturn, der Pinot Noir Hengstberg von Clemens Strobl und der Club Batonnage kosten mehr als 100 Euro.

Weine wie der Blaufränkisch Alte Reben Lutzmannsburg von Roland Velich, der Blaufränkisch Spitzerberg von Dorli Muhr, der G von Albert Gesellmann, der Pinot Noir Grand Select von Fritz Wieninger beim Rotwein und der Riesling Singerriedel von Hirtzberger kosten um die 70 Euro.

Roland Velich exportiert 70 bis 85 % seiner Weine. Seine Moric-Blaufränkischen waren von Beginn an punkto Weinstilistik am internationalen Markt orientiert. Die konsequente Betreuung dieser Märkte und nicht zuletzt die sehr hohe Bewertung durch Robert Parker ergaben letztlich den ­respektabel hohen Preis. Generell haben österreichische Weine durch die Konzentra­tion auf den Ab-Hof-Verkauf vergleichsweise wenig internationale Präsenz und damit auch nur wenige internationale Bewertungen erhalten. In Österreich sind die Topweine entsprechend gut bewertet, international ist von ihnen aber nur wenig zu hören.

Interessant auch die Frage, ob Weißwein oder Rotwein höhere Preise zu erzielen vermag. Beim Riesling wird für den teuersten Wein über 1.000 Euro bezahlt. Beim Chardonnay liegt der Preis über 3.000 Euro pro Flasche. Beim Sauvignon blanc liegt der Preis einer Rarität bei 600 bis 700 Euro. Beim Rotwein kann der Konsument aus einem breiteren Angebot wählen. Teuerste Bordeaux-Weine liegen jenseits der 2.000 Euro, teuerste rote Burgunder liegen über 4.000 bzw. 5.000 Euro, teuerste Spanier liegen bei 800 bis 1.000 Euro, teuerste Italiener bei 500 bis 800 Euro. Von Screaming Eagle kommen die teuersten Weiß- und Rotweine Kaliforniens, jenseits von 2.000 Euro. Beim Prädikatswein, der die höchsten Produktionskosten hat, liegt der Chateau Yquem mit 400 bis 500 Euro pro Flasche vorn. Dagegen sind Österreichs Trockenbeerenauslesen wirklich zu günstig. Die Schaumweinpreise dagegen variieren zwischen 300 und 1.800 Euro die Flasche.

Auch das Image einer Region und eines Weinguts hat Einfluss auf den Preis. Am Clos Vougeot, einem 50 ha großen Grand-Cru-Weingarten im Burgund, gibt es bei den Produzenten eine Preisdifferenz von 100 bis 1.200 Euro. Auch in Österreich gibt es diese Unterschiede. Weine der Rieden Achleiten, Heiligenstein, Kellerberg, Loibenberg und Singerriedel differieren stark im Preis, aber nicht um den Faktor zehn wie beim Beispiel im Burgund. Zumindest derzeit wird in Österreich die Mehrheit der Weine in der frühen Fruchtphase ­getrunken. Dementsprechend sehen Spezialisten wie Clemens Riedl (Trink­reif) und Berndt May (May Wines) ein enormes Potenzial für dieses Segment, immerhin zahlt man international für gereifte und gelagerte Weine beachtliche Preise. Auch hier sind nationale und internationale Bewertungen im besten Fall ein Preisbooster

Ein höherer Preis wird grundsätzlich auch als Indiz für höhere Qualität wahrgenommen. Natürlich weiß der Weinkenner, dass die Unterschiede in der Qualität nicht immer durch den Preis nachvollziehbar sind. Wenn der Grüne Veltliner als Alternative zum Chardonnay im Burgund angesehen wird, dann dürfen auch einige Top-Grüne-Veltliner mehr als 100 Euro kosten. Dasselbe gilt für Riesling, Chardonnay und Sauvignon blanc. Autochthone Weine wie Wiener Gemischter Satz, Roter Veltliner, Zierfandler, Rotgipfler und Zweigelt müssen da noch die zuvor genannten Imagefaktoren und Top-Bewertungen erreichen.

Letztlich dokumentiert also der Preis die Anerkennung von Qualität. Eine nachhaltige Weinproduktion muss für alle Marktteilnehmer einen fairen und gerechten Anteil gewährleisten. Bei sinkendem Pro-Kopf-Verbrauch in den entwickelten Weinmärkten bleibt daher nur die Strategie, einen angemessenen Preis zu erzielen, der die Leistung des Winzers gerecht bezahlt. Das heißt, der österreichische Topwein wird teurer werden (müssen). So gesehen hat Jancis Robinsons recht, wenn sie meint, dass die Topweine Österreichs zu billig sind.