Smoke on the water

Der zugleich älteste und wahrscheinlich neueste Gag heimischer Spezialitäten-Brauer: geräuchertes Bier.

Smoke on the water

Text von Florian Holzer Foto: pixelio
Das mit dem – gerauchten – Rauch war bisher ja ziemlich unschön, und die Debatte wird in näherer Zukunft aller Voraussicht nach nichts an untergriffiger Härte verlieren – die Positionen sind zu unvereinbar, der Gesetzgeber wird um eine Regelung nicht umhin können. Und gerade da tauchen Biere auf dem Markt auf, die einer Deeskalation in dieser Frage quasi Hohn sprechen: nämlich Rauchbiere!
Die Braucommune Freistadt versucht sich seit 2002 auf diesem Sektor, das Siebensternbräu in Wien braut seit etwa vier Jahren Rauchbier und Rauchbock. Aber so neu sei die Idee gar nicht, erklärt Richard Grasmück, Braumeister in Freistadt, denn das Malz sei in früheren Zeiten wohl immer mit Hilfe von holzbefeuerten Öfen gedarrt worden, eine gewisse Rauchigkeit hätte sich damit wohl gar nicht vermeiden lassen. Auch in den Sudkesseln sei die Hitze sicher nicht selten über das gewünschte Maß hinausgegangen, was wohl ebenfalls zu einem etwas gerösteten Aroma geführt hätte. Nach wie vor traditionell ist Rauchbier jedenfalls im fränkischen Bamberg, wo Rauchbier von etwa sieben Brauereien gebraut wird, es zu einer lokalen Berühmtheit brachte und wo geräucherte Malze auch für Exportzwecke hergestellt werden.
Als die Brauerei in Freistadt 2002 ihr 225-Jahr- Jubiläum feierte, bekam Braumeister Richard Grasmück jedenfalls den Auftrag, sich für diesen historischen Anlass etwas zu überlegen. Und es fiel ihm ein, ein Bier zu brauen, das an die Produktionsbedingungen des Gründungsjahres 1777 ein bisschen erinnert – also zumindest in mancher Hinsicht. Er kreierte also ein Rauchbier, ließ sich das spezielle Malz aus Franken kommen und braute ein Bier, das sich vom legendären "Schlenkerla", der Ikone unter den Rauchbieren und fixer Be-standteil sämtlicher Spezialitätenbierkarten dieser Welt, aber doch recht deutlich unterscheidet: "Beim ,Schlenkerla‘ wird hundert Prozent geräuchertes Malz verwendet, aber das erschlägt ganz einfach." Er strebte mit dem Freistädter Exemplar eher eine "österreichische Lösung" an, also mit nicht so dominierendem Rauchgeschmack. Auch der Hopfen sollte bei diesem Exemplar nicht zu stark in den Vordergrund drängen: "Wir wollen hier nur eine Grundbittere, zu viel Hopfen würde den Charakter dieses Bieres sicher beeinträchtigen." Wobei man natürlich sagen muss, dass man gerade in Freistadt unter "Grundbittere" vielleicht ein bisschen etwas anderes versteht als anderswo: Das Bier lässt es an Pikanz jedenfalls nicht fehlen.
Auch Vladko Sedmak, Braumeister im Siebensternbräu, legte es ein klein bisschen anders an als die Originale in Bamberg: Das Malz seines in Bügelflaschen gefüllten Rauchbieres stammt zwar ebenfalls aus Bamberg, allerdings dachte er, dass man sich ein Rauchbier wohl etwas dunkler erwarte, als es "Schlenkerla" und Kollegen vielleicht sind. Weswegen er das fränkische Malz – der Rauch des Buchenholzes kommt dort erst am Ende der Malzung zum Einsatz – nur zu 95% verwendet, und insgesamt fünf Prozent Karamell- und Farbmalz dazu- kommen. Das macht das Bier einerseits etwas dunkler, andererseits rundet es den doch recht scharfen Rauchgeschmack ab. Sedmaks Bier ist ungefähr so kräftig, wie es auch aussieht: 13,5° Stammwürze ergeben 5,1% Alkohol, das Freistädter ist mit 12,3° Stammwürze und 5,3% Alkohol nicht leichter, aber trockener durchgegoren. Unterschiede auch in der Farbe: Das Freistädter ist bernsteinfarben, der Schaum feinporig, das Raucharoma besitzt hier den Effekt einer angenehmen Zusatzwürze, die aber keinesfalls dominiert. "Den Mainstream kann man mit so einem Bier dennoch nicht abholen", meint Richard Grasmück. Wahrscheinlich hat er damit recht, obwohl das Bier wirklich gut ist.
Die Farbe des Rauchbiers aus der Siebensterngasse tendiert schon eher ins Kastanienbraune, der Buchenholz-Rauchton wirkt kühl und selchig, den Schaum dieses Bieres könnte man fast als "Crema" bezeichnen, ein Eindruck, der auch zu dem röstig-karamellig-rauchigen Geschmacksbild dieses Bieres sehr gut passt.
Aber wann Rauchbier trinken? Die Freistädter Brauerei empfiehlt das Bier – wenig überraschend – zu geräuchertem Fisch, Fleisch und Käse, zu Speisen halt, die ebenfalls ein bisschen geräuchert sind. Da kann man die Fantasie aber ohne Weiteres noch ein wenig schweifen lassen: So könnte das trockenere, herbe Freistädter Rauchbier ohne Weiteres zu geräuchertem Truthahnschinken, stark geräuchertem, fettem Speck und dem unvergleichlichen Katenschinken – die quasi unübertreffliche Kombination aus Schweinefleisch und Buchenrauch – aus Norddeutschland passen. Beim schweren, karamellig-süßen Siebensterner lägen die legendäre Waldviertler Wurst – rauchiger Klassiker aller Wiener Würstelstände – oder aber geräucherter Spanferkelschinken mit Honigkruste auf der Hand. Oder überhaupt gleich geräucherte Ente à la Szechuan. Aber soll man geräuchertes Bier überhaupt zu geräuchertem Essen reichen, ist das dann nicht ein smoky overkill? Überhaupt nicht, meint Biersommelier Karl Schiffner, gerade zu leichter oder stärker geräucherten Speisen hätten Rauchbiere dann auch jenen überaus gut geschmeckt, die mit dem bloßen Bier ihre Schwierigkeiten gehabt hätten, meint der Mann aus dem Mühlviertel. Und die Zukunft der rauchigen Biere, steigt da ein Trend auf wie eine Rauchsäule am Horizont? Durchaus, bestätigt Biersommelier Schiffner, gerade für Kleinbrauereien sei das ein Produkt, mit dem man das Publikum überraschen und begeistern könne, "wenn es gut gemacht ist". Und die zunehmende Zahl an Rauchbieren etwa aus Norwegen oder aus den USA, wo man laut Schiffner auch ganz unglaubliche "Smoked Porters" braue, ließe da durchaus eine gewisse Tendenz erkennen. Ob geräuchertes Bier allerdings eine Methode ist, die Befürworter von rituellen Tabakverbrennungen in Restaurants auf diesen weitaus kulinarischeren Weg des Rauchverzehrs einstimmen zu können, bleibt abzuwarten.

A la Carte-Info
Freistädter Bier, Rauchbier, 12,3° Stammwürze, 5,3 Vol.-%, erhältlich über Braucommune Freistadt, Promenade 7, 4240 Freistadt, Tel.: 07942/757 77
Siebensternbräu, Bamberger Rauchbier, 13,5° Stammwürze, 5,1 Vol.-%, erhältlich über Siebensternbräu, Siebensterngasse 19, 1070 Wien, Tel.: 01/523 86 97