So rein, so gut

Die besten Neusiedlersee-DAC-Weine: Charakter-Zweigelt und Spitzen-Auslesen.

Foto von ÖWM/WSNA
Text von Willibald Balanjuk

Der Zweigelt, eine Kreuzung aus Blaufränkisch und St. Laurent, feierte letztes Jahr sein 100-Jahre-Jubiläum. Österreichs häufigste Rotweinsorte wächst auf insgesamt circa 6.500 Hektar, wovon sich rund 2.500 im Burgenland befinden. Von Gastronomie und Weinhandel wird der Zweigelt geliebt, da er ein konsumfreundlicher, vielseitiger Speisenbegleiter ist. In der Qualitätswahrnehmung stand die Rebsorte aber sehr lang im Schatten des Blaufränkisch. Erst durch die Etablierung mehrerer DAC-Gebiete, allen voran Neusiedlersee DAC, erfährt der Zweigelt als reinsortig ausgebauter Wein seine heute wohlverdiente Positionierung.

In der Erfolgsgeschichte des österreichischen Rotweins seit den 1980ern war Josef Umathums Zweigelt Ried Hallebühl sehr lange die qualitative Spitze auf der Messlatte für sortenreinen Zweigelt. Die Mehrheit der besten Zweigelt-Chargen bildete einst in Kombination mit Cabernet Sauvignon und/oder Merlot die zahlreichen Ausnahme-Cuvées im Neusiedlersee-Gebiet – viel zu lange aus heutiger Sicht, denn Zweigelt kann sortenrein vor allem in Hinblick auf regionale Typizität und Herkunft doch mehr. Heute weiß man das.

Das Match in dieser Qualitätskategorie fand damals zwischen Andau, Gols und Göttlesbrunn statt. Hans Schwarz versuchte 1999 erstmals, mit Schwarz Rot einen Spitzen-Zweigelt zu etablieren. Danach folgte eine Periode der Stilausrichtung. Mit dem Schwarz Rot 2011 erreichte er schließlich den Spitzenwein-Status und zeigt seither, was mit der Rebsorte möglich ist. Das Weingut Pöckl hat sich immer schon für Zweigelt stark gemacht. Meist als Hauptbestandteil der Top-Cuvées Admiral und Rêve de Jeunesse, keltert auch René Pöckl seit dem Jahrgang 2018 eine sortenreine Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve – von internationalem Format natürlich. ­Bereits Renés Vater, Josef Pöckl, proklamierte in den 1990er-Jahren in einem Interview: „Der Zweigelt hat für mich alles, was ein großer Wein braucht: Körper, Farbtiefe und Tannin. Allerdings auch eine intensive Frucht, die Wissen und Bedacht bei der Vinifizierung erfordert.“

Die heutige Generation der Neusiedlersee-DAC-Winzer weiß, dass geringe Erträge und streng selektionierte Trauben die Basis für gehaltvolle Top-Zweigelt sind. Gekonnte Extraktion und fein verwobene Holznoten garantieren beim reinsortigen Ausbau zudem große Komplexität und Lagerfähigkeit und stellen die Neusiedlersee-DAC-Reserven in die Reihe der österreichischen Top-Rotweine. Diese Entwicklung ist auch international nicht verborgen geblieben. Master of Wine Dirceu Vianna Junior MW outete sich im UK-Fachmagazin Drinks Business gar als Zweigelt-Fan. Besonders die Vielseitigkeit der Rebsorte in Bezug auf Herkunftsexpression und Genussmöglichkeiten findet er fast schon einzigartig. Andrew Catchpole, Editor des Fachmagazins Harpers Wine & Spirit, zieht nach einer UK-Verkostung folgendes Resümee: „Die Stärken der Neusiedlersee-DAC-Zweigelt-Weine – gleich klassisch ausgebaut oder als Reserve – liegen im Frische-/Fruchtcharme, ihrer Balance sowie der Vielfältigkeit in der Wein-Speisen-Kombination.“

A la Carte hat mit dem regionalen Weinkomitee und einer fünfköpfigen Jury 74 Weine verkostet. Stefan Neumann (Master Sommelier und Wine Consultant aus London), Adi Schmid (ehemaliger Sommelier Steirer­eck), Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wines), Benjamin Mayr (Kolarik & Del Fabro) und der Autor haben Ende Jänner in Illmitz die Weine blind verkostet und bewertet. Beeindruckt hat alle Koster das hohe und homogene Niveau der klassisch ausgebauten Neusiedlersee DAC Zweigelt des Jahrgangs 2021. Die 38 Weine dieser Kategorie kennzeichnet ein charmantes Fruchtspiel von Kirsche, Weichsel, Heidelbeere und Brombeerjoghurt. Die harmonische Textur und das samtige Finish erlauben, dass die Weine wunderbar antrinkbar sind und sich in den nächsten zwei bis drei Jahren entwickeln werden. Die Neusiedlersee DAC ­Reserven stammen aus den Jahrgängen 2020 und 2019. Beide zeigen die reife, saftige Fruchttiefe des Zweigelt, eingebettet in mehr oder weniger präsente Holzwürze.

Der 2019 Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve von Robert Goldenits, der 2020 Zweigelt Neusied­lersee DAC Reserve von Michael Kast und der 2019 ­Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve von Reinhard Bruckner sind absolute Top-Weine. Alexander Egermann, das Weingut ­Keringer und der Salzl Seewinkelhof liegen mit ihren Reserve-Weinen knapp dahinter. Ganz allgemein war das Niveau der 36 Neusiedlersee DAC Zweigelt Reserven hoch, wenngleich in dieser Kategorie auch ein höheres Maß an Individualität im Vergleich zu den klassisch ausgebauten Neusiedlersee-DAC-Zweigelt-Weinen festzuhalten ist. War die Fruchttiefe gebietstypisch und der Herkunft entsprechend, so stellt sich doch die Frage nach Holzdosierung und Tanninstruktur – und wie viel es davon für diese Herkunft wirklich braucht. Positiv bleibt: Die Richtung stimmt, und die Qualitäten steigen insgesamt sehr deutlich. Das würdigte letztes Jahr auch der Decanter und hielt fest, dass „sehr abwechslungsreiche Zweigelt-Stilistiken, ­jedoch auf höchstem Niveau, vom Neusiedlersee-DAC-Gebiet kommen“.

Zum Abschluss wurden 16 Neusiedlersee-DAC-Süßweine in den Kategorien Spätlese, fruchtsüße und edelsüße Beerenauslesen & Trockenbeerenauslesen verkostet. Die sieben fruchtsüßen Weine präsentieren einen Mix aus Steinobst und exotischen Noten. Sie besitzen eine trinkfreudige Struktur und gut eingebundene Restsüße; das hat richtig (Genuss-)Spaß gemacht, und hier könnte ein neuer Aufschwung eingeleitet werden. Die neun höheren Prädikatsweine waren beeindruckend. Dicht, straff und sehr lang anhaltend im Finish. Die gut verwobene Restsüße erlaubt, diese Weine als flüssige Desserts zu servieren. —

Bewertungen
Kategorie 1: Zweigelt Neusiedlersee DAC
Kategorie 2: Zweigelt Neusiedlersee DAC Reserve
Kategorie 3: Neusiedlersee DAC Spätlese
Kategorie 4: Neusiedlersee DAC Reserve Prädikatsweine