Sparkling Project

Einem nahezu unbekannten jungen Winzer aus dem Kremstal ist es gelungen, mit einer völlig neuen, von ihm erdachten Methode der Schaumweinherstellung die Champagne in Erstaunen zu versetzen.

Text von Christina Fieber · Fotos von Klaus Vyhnalek

Hinter der schweren Holztür verbirgt sich die Denkzentrale von Christoph Hoch.

Eigentlich ist es ja sein Sektkeller, aber die großen Schultafeln vor den Holzfässern verleihen dem alten Kellergewölbe einen gewissen Forschungscharakter: Mit weißer Kreide sind darauf unzählige Pfeile, Spiralen und Formeln aufgezeichnet. Was aussieht wie ein Wirrwarr an Zeichen und Symbolen, macht durchaus Sinn. Zumindest wenn es der lebhafte Winzer erläutert. Und das tut er sehr gerne und ausführlich. Dabei röten sich seine Wangen, als müsste er gerade einen Marathon bestreiten. Christoph Hoch ist ein großer, stämmiger Bursch mit freundlichem Gesicht und wendigem Geist. Man kann ihn nicht ­gerade als wortkarg bezeichnen, aber er hat auch viel zu sagen und man hört ihm gerne zu.

Hoch begnügt sich nicht damit, einfach nur Wein zu machen. Er will keine ausgetrampelten Wege beschreiten – er geht den Dingen auf den Grund, analysiert, forscht und probiert Neues: immer und immer wieder. Es ist ein fortwährender Prozess.

Vor drei Jahren begann er ein völlig neues Schaumweinverfahren zu entwickeln. Er nennt es „Sparkling Project“. Das habe sich zufällig ergeben, erinnert er sich. Die ausgeprägte Säure seiner Weine hätte ihn dazu inspiriert. Und natürlich der besonders kalkreiche Boden der Region, das sogenannte „Hollenburger Konglomerat“, das eine ähnliche Qualität aufweise wie die Böden der Champagne.

Bei einer Verkostungsreise dorthin gelang es ihm tatsächlich, einige der bekanntesten Champagnerwinzer für sein Projekt zu begeistern. Es folgte ein reger Austausch zwischen der weltberühmten Schaumweinregion und dem eher unbekannten niederösterreichischen Dorf. Inzwischen ist sogar schon eine 18-köpfige französische Winzerdelegation von Reims nach Hollenburg gereist, um das ehrgeizige Projekt zu beäugen.

Das ist ziemlich ungewöhnlich, gelten doch die Weinmacher der Champagne nicht gerade als offen für neue Ideen. Was ihren edlen Sprudel betrifft, lassen sie sich von niemandem dreinreden. Schon gar nicht von einem Nicht-Franzosen. Doch Christoph Hoch hat offensichtlich das Zeug, die selbstbewussten Franzosen zu begeistern.

Er wollte nicht einfach einen beliebigen Winzersekt machen – selbst die traditionelle Methode der Champagne erschien ihm irgendwie banal. Vor allem die Zugabe von ­gekauftem Zucker und fremden Hefen, um die Zweitgärung in der Flasche zu starten, kam für ihn nicht in Frage. „Alles soll natürlich, aus dem Wein selbst entstehen – ohne Intervention von außen.“

So kam er auf die Idee, eigenen Sturm zu verwenden: Zum fertigen Grundwein aus dem Vorjahr fügt er den noch gärenden Traubensaft hinzu und setzt somit die zweite Gärung in der Flasche in Gang. Diese Methode kennt man auch von den derzeit so trendigen Pet Nats, Perlweinen nach einem alten Verfahren, die nur maximal 2,5 bar Kohlensäure­druck aufweisen dürfen – also nur schwach perlen. Hoch will aber „richtigen“ Sprudel mit 6 bis 8 bar Druck genau wie beim Sekt oder Champagner. Und zwar konstant, in jeder einzelnen Flasche. Was so einfach klingt, ist im Detail ziemlich verflixt. Der Sturm muss so lebendig, die Hefen müssen so stark sein, dass die Gärung nicht stoppt. Der findige Winzer entwickelt daraus eine richtige Wissenschaft. Alles wird bis ins kleinste Detail ausgetüftelt.

Die Trauben müssen dafür aus den besten Lagen kommen, genauer gesagt von vier hoch gelegenen Rebzeilen, die einen besonders großen Kalkanteil aufweisen und auch sonst optimale Bedingungen bieten. Wie all seine Weinberge werden sie biologisch bewirtschaftet, sehen also ihr Leben lang keine Chemie. Für den überzeugten Biodynamiker eine absolute Voraussetzung für die erfolgreiche Gärung mit natürlichen Hefen.

Ab Mitte Juli erfahren diese vier Terrassenzeilen dann eine absolute Sonderhandlung: Mittels speziellem Boden-, Wasser- und Nährstoff-Management werde ein frühes Aufplatzen der Beeren provoziert, erklärt Hoch, da sei nämlich die natürliche Hefepopulation am größten. „Wir treiben das auf die Spitze – bis ans Limit, um das beste Ergebnis zu erzielen“, erklärt Hoch voller Enthusiasmus. Dabei dreht sich alles darum, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, sonst war alle Mühe umsonst.

Was dabei rauskommt, ist eine Art Hochleistungssturm – ganz ohne Doping. Auch im Keller bekommt er keinen Gramm Schwefel. Der von vielen Winzerkollegen so gefürchtete Austausch mit Sauerstoff ist durchaus erwünscht. Alles soll leben. So minutiös durchgeplant die Sache vorher war, so unbeeinflusst und frei darf sich der Wein jetzt entfalten.

Keine Eingriffe, keine Zusätze.

Das ist die andere Seite des sonst so akribischen Winzers. Zum richtigen Zeitpunkt loslassen, sich der Natur und ihren Prozessen unterordnen – fließen lassen. „Es war ein Lernprozess“, erzählt auch der Vater von Christoph Hoch, der das Projekt mit Spannung begleitet. Es sei für ihn anfangs schwer gewesen, nicht einzugreifen. „Wir haben das ja immer so eingetrichtert bekommen“, erinnert er sich. Inzwischen sind beide ziemlich gelassen. „Natürliche Dinge funktionieren einfach“, ist Christoph Hoch überzeugt, „ich will keine geführten, sondern begleitete Weine!“

Auch Benoît Tarlant, gefeierter Winzerstar der Champagne, wurde auf das „Sparkling Project“ des kleinen österreichischen Weinmachers aufmerksam und besuchte ihn. Was er sah und kostete, dürfte ihn ziemlich beeindruckt haben, stellte er ihm doch zwölf unbehandelte Holzfässer aus seinem eigenen Keller zur Verfügung. Gelänge es tatsächlich, mit dieser Methode kontinuierlich stabilen Sekt zu erzeugen, seien die Fässer ein Geschenk.

Die Schaumweine von Hoch zählen jedenfalls zu den aufregendsten, die hierzulande produziert werden: Drei verschiedene Sekte sind im ­Entstehen, der erste davon kommt jetzt im Frühling auf den Markt: „Kalkreich“ – Große Reserve 2013, ein Brut Nature aus Weißburgunder und ­einem Hauch Riesling und Veltliner, erinnert an guten Champagner: cremig, vielschichtig und hocharomatisch. Statt vordergründiger Frucht oder gefälligem Zuckerguss besticht er mit temperamentvoller Säure. Reif und doch quicklebendig.

Christoph Hoch gefällt die Idee des „Non Vintage“-Schaumweins, ­einer Cuvèe aus mehreren Jahrgängen, wie sie auch in der Champagne üblich ist. Die unterschiedlichen Reifegrade der Grundweine mache ihn facettenreicher, ist er überzeugt.

Der nächste Jahrgang, eigentlich ein Verschnitt aus Weinen von zwei Jahrgängen plus Sturm, packt noch deutlicher zu, besitzt noch mehr Tiefgang und Herkunftscharakter. Allerdings muss er noch ein Jahr im Keller reifen, bis es soweit ist.

Der jüngste „Kalkreich“ aus den Grundweinen von 2013, 2014 und 2015 ist wohl der eigenständigste von den drei Sekten – er trägt am klarsten die Handschrift von Hoch: feinsinnig, hintergründig und frech. Noch ist er im Werden, klar ist jedoch schon jetzt, dass es ein großer Schaumwein wird. Benoît Tarlant hat ihm jedenfalls die zwölf Holzfässer geschenkt.

Im Zuge des „Sparkling Projekts“ hat er auch gleich einen Pet Nat produziert. Um zu lernen. Er nennt ihn den kleinen Bruder des „Kalkreich“. Als Spaßprojekt sieht er den Pet Nat aber keineswegs. Dazu ist er viel zu ausgefeilt und komplex. Ein seriöser Perlwein, sozusagen.

„Ich bin kein junger Wilder und mache auch keine lustigen Weine“, meint er bestimmt. Große Weine sollten es sein, Weine, die sich mit den besten der Welt messen können, das war ihm von Beginn an klar. Da war immer diese ausgeprägte Neugierde, der Drang zu forschen. Schon damals, als er nach einigen Jahren im elterlichen Betrieb sein eigenes Weingut gründete. Er wollte ausprobieren, an die Grenzen gehen, sehen, „was man rausholen kann“. Einer seiner wichtigsten Mentoren war der renommierte Wachauer Winzer Rudi Pichler. Er habe ihm gesagt: „Zuallererst musst du deinen Boden verstehen!“ Und dann begann er, die Geologie seiner Weingärten zu erforschen. Mit der ihm eigenen Besessenheit. Wie ein Terrier verbiss er sich in die Materie. Bis er auf diese außergewöhnlichen Kalkböden stieß.

Euphorisch und wortreich erklärt er, was den Kalk des Hollenburger Konglomerats so besonders macht. Das für Laien nicht gerade aufwühlende Thema Bodenbeschaffenheit gerät bei ihm zum Thriller. Das Wort „Terroir“ nimmt er dabei jedoch nicht gerne in den Mund. Zu abgelutscht sei das inzwischen.

Am Anfang seiner noch jungen Winzerkarriere habe er so produziert, wie man es in der Weinbauschule halt lerne – ohne Ecken und Kanten. Bis es ihm zu eintönig wurde. Nach intensivem Nachdenken und etlichen Forschungsreisen im In- und Ausland kam er zu dem Entschluss, biodynamisch zu wirtschaften. Es ergäben sich einfach die spannendsten Weine. Die Idee, den industriellen Charakter im Weinbau wieder zurückzuschrauben, begeisterte ihn zunehmend – Weine zu machen wie in den 1970ern oder davor, ­ohne Chemie oder Zusätze, mit natürlichen Aromen und wenig Alkohol. Altes Wissen kombiniert er mit eigenen, neuen Methoden, an denen er unermüdlich tüftelt. Derzeit arbeitet Christoph Hoch gemeinsam mit den Champagnergütern De Sousa und Laherte an einem sehr speziellen Rebveredelungsprojekt: „Da ist noch viel möglich!"