Stark wie eine Flasche leer

Flasche leer, Flasche voll. Was ist wirklich trinkreif, was wäre ein geniales Schnäppchen? Das Angebot in umfangreichen Weinkellern ist wie ein geheimer Code und nur für echte Auskenner aussagekräftig. Wer durchblickt, wird belohnt mit preisgünstigen gereiften Kreszenzen aus anfangs nicht so angesehenen Jahrgängen. Fotos Regina Hügli Flaschenpost zwischen den Genres. Aus gegebenem Anlass dürfen wir…

Flasche leer, Flasche voll. Was ist wirklich trinkreif, was wäre ein geniales Schnäppchen? Das Angebot in umfangreichen Weinkellern ist wie ein geheimer Code und nur für echte Auskenner aussagekräftig. Wer durchblickt, wird belohnt mit preisgünstigen gereiften Kreszenzen aus anfangs nicht so angesehenen Jahrgängen.

Fotos Regina Hügli

Flaschenpost zwischen den Genres. Aus gegebenem Anlass dürfen wir darauf hinweisen, dass Giovanni Trapattonis Wutrede kürzlich 15 wurde. „Was erlauben Strunz“, „wie Flasche leer“ und „ich habe fertig“ – innerhalb von nur dreieinhalb Minuten hat es der damalige FC Bayern-Trainer geschafft, gleich mit drei kruden Formulierungen Eingang in die deutsche Sprachgeschichte zu finden.

A la Carte liegt in diesem Zusammenhang natürlich die Sache mit der Flasche nahe, wobei trefflich darüber zu diskutieren wäre, ob „Flasche leer“ oder „Flasche voll“ ein erstrebenswerteres Prädikat ist. – Und ob die so genannten „Super Tuscans“ wirklich heillos überbezahlt sind und mit unserem Gaumen Catenaccio spielen oder die deutschen Rieslinge tatsächlich effektiver als die unsrigen Botrytis-Diven sind. Das ist aber nicht der Sinn dieser Geschichte, gleichwohl sie eine Gute wäre und daher die Idee von einem anderen Begabten bei einer passenden Gelegenheit noch aufgenommen werden wird.

Auszüge aus Giovanni Trapattoni Pressekonferenz am 10. März 1998:

… „Es gibt im Moment in diese Mannschaft, oh, einige Spieler vergessen ihnen Profi was sie sind. Ich lese nicht sehr viele Zeitungen, aber ich habe gehört viele Situationen: Wir haben nicht offensiv gespielt. …

… Ich habe auch andere Mannschaften gesehen in Europa nach diese Mittwoch. Ich habe gesehen auch zwei Tage die Training. Ein Trainer ist nicht ein Idiot! Ein Trainer sehen, was passieren in Platz. In diese Spiel es waren zwei, drei oder vier Spieler, die waren schwach wie eine Flasche leer! …

… Haben Sie gesehen Mittwoch, welche Mannschaft hat gespielt Mittwoch? Hat gespielt Mehmet, oder gespielt Basler, oder gespielt Trapattoni? Diese Spieler beklagen mehr als spielen! Wissen Sie, warum die Italien-Mannschaften kaufen nicht diese Spieler? Weil wir haben gesehen viele Male solche Spiel. Haben gesagt, sind nicht Spieler für die italienische Meisters. …… Struuunz! Strunz ist zwei Jahre hier, hat gespielt zehn Spiele, ist immer verletzt. Was erlauben Strunz? …

… Ich bin müde jetzt Vater diese Spieler, eh, verteidige immer diese Spieler! Ich habe immer die Schulde über diese Spieler. Einer ist Mario, einer, ein anderer ist Mehmet! Strunz dagegen egal, hat nur gespielt 25 Prozent diese Spiel! …

Ich habe fertig!“

Trapattonis Flasche-leer-Rede hatte nicht nur komödiantischen Höchstwert, sie war zugleich auch eine Art Abschiedsrede. Er war tatsächlich fertig und verließ kurz danach den Verein.

Redaktionell hat man manchmal auch fertig, wenn Dinge konsequent anders gehen, als man es sich vorstellt. Besonders beim Wein liegt zwischen Erzähltem und Geschriebenem oftmals ein großer Canyon des Unvermögens – enttäuschend wie ein großer Wein mit Korkschaden: einiges versprochen, nichts gehalten. Sei’s drum, wir haben Michael Pronay durch einige großartige Weinkeller des Landes geschickt, hier Auszüge aus seinen Betrachtungsprotokollen.

Im Berghotel Tulbingerkogel soigniert der Hausherr Frank Bläuel eine Vinothek (und natürlich eine Weinkarte), die ihresgleichen sucht, denn hier wird feiner Wein schon seit über einem halben Jahrhundert eingekauft und gelagert. „Begonnen hat es Mitte der 1950er-Jahre, mein Vater hat sich damals bei Friedrich Pecenka – mit Morandell der erste Bordeaux-Importeur nach Österreich – ausgetobt und den Grundstock zur wohl ältesten tollen Weinkarte im Lande gelegt. Man hat mir erzählt, dass es in den 1950er und 60er-Jahren nur zwei Lokale in und um Wien gegeben hat, die Bordeaux-Wein auf der Karte hatten: die längst verblichene Rôtisserie Coq d’Or in der Führichgasse hinter der Staatsoper, und eben wir.“

Frank Bläuel startete Anfang der 1970er Wein einzukaufen, „und wenn man einmal damit angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören“. Ist eine solche Riesenweinkarte sinnvoll? „Rein betriebswirtschaftlich gesehen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht. Umgekehrt: Wir machen immer wieder Verkostungen rund um die Weinwelt, das könnte ich auf einem Klavier mit 80 oder 180 Positionen nicht spielen. Es sind 24.000 Flaschen, die sind meinem Nachfolger nicht leicht zu erklären. Aber vielleicht schreibe ich ein Buch darüber.“

Ganz besonders erwähnenswert sind zwei Seiten in der Karte, die als „Museum“ bezeichnet sind. Da geht es für Österreich und Bordeaux in eine unglaubliche Jahrgangstiefe, und das zu sensationell günstigen Preisen. „Château Margaux 1955, der war absolut zum Niederknien, einer der großartigsten Weine überhaupt, und das trotz schlechter Bewertung.“

Sehr Geheimtipp-verdächtig für önologische Schnäppchen ist das Gasthaus Zu den 3 Hacken. Josefine Zawadil ist nicht nur Wirtin, sondern auch Weinhändlerin, gleich ums Eck in der Riemergasse ist die Dependance, 3 Hacken Magazin geheißen, wo man ebenfalls fein speisen kann. „Wein ist seit Jahrzehnten mein Hobby, meine Leidenschaft. Seit über 20 Jahren handle ich mit Wein, was auch der Grund dafür ist, dass wir für ein Gasthaus eine vergleichsweise große Weinkarte haben. Ich möchte die Winzer persönlich kennen, teilweise sind es wirklich gute Freunde geworden. Das ist auch der Grund, warum der Auslandsteil so klein ist: Diese Winzer kann ich ja gar nicht kennenlernen.“

Wobei noch der Weinhandel im „Magazin“ kurz gelobt sei, denn dort gibt es feine Flaschen praktisch zu Fast-ab-Hof-Preisen (Aufschlag 50 Cent bis 1 Euro), und die sind gekühlt und auch Sonn- und Feiertag bis spät in die Nacht erhältlich.

Der Keller des Gasthaus Schwarz in Nöhagen erfuhr seine Gründung und Entdeckung durch Wein-Pfarrer Hans Denk. „Er war zum ersten Mal 1988 bei uns, da hatten wir schon Riedel-Gläser“, erinnert sich Erwin Schwarz. Sieht man in die umfangreiche Weinkarte, fallen einem gleich zwei lose Einlageblätter in die Hände: „Das sind junge leichte Weine für die Mittagsgäste, also derzeit 2011er und 2012er. Ich verstehe ja selber nicht, warum die Leute das trinken, ich trinke nur ordentlich gereifte Weine, die sind bekömmlicher und interessanter.“ Der umfangreiche Schwerpunkt der Karte ist logischerweise die nahe Wachau, die Auswahltiefe der Weine der Topwinzer ist tatsächlich stupend. Was ebenfalls lobend zu erwähnen ist: „Alle Weine lagern gekühlt, somit ist jeder Wein sofort einschenkbar, und außerdem reifen sie langsamer.“ Eine relativ große Abteilung der Karte ist den Magnumflaschen gewidmet. Hat Erwin Schwarz einen Favoriten? „Nigl Veltliner Privat 1992, das war ein Super-Highlight, der hatte etwas Zuckerrest, es gab auch nur ein paar hundert Flaschen. Leider ist der Wein inzwischen aus, aber wenn ich ihn irgendwo sehe, dann her damit!“

Bei Josef Floh in Langenlebarn bilden Weißweine vom Wagram den dichten und tiefen Schwerpunkt der Weinkarte. Auch Jahrgangs-tiefe ist angesagt, „denn österreichischer Weißwein hat ein tolles Alterungspotential, auch wenn der Durchschnittskonsument sich eher an das Jüngste hält. Bordeaux haben wir vergleichsweise wenig. Unser Schwerpunkt liegt eindeutig in Burgund und im Rhônetal. Aus den zuletzt genannten Frankreich-Regionen kommen nicht nur feine Rote, sondern ungemein spannende Weiße, das ist eine wirklich begeisternde Ergänzung.“

„In Sachen Großflaschen haben wir ein einzigartiges Sortiment. Es sind fast 300 verschiedene Magnums, zwei Drittel davon weiß, speziell heimische logischerweise, und dort auch sehr in die Jahrgangstiefe gehend.“ Auch die Auswahl an Edelsüßweinen ist beachtlich, etwa 50, 60 Positionen sind es.

Josef Floh leitet seit etwa 20 Jahren den Betrieb: „Zu Beginn sind wir zu den Winzern hingefahren und haben begonnen, unseren Keller anzulegen. Die ersten zehn Jahre haben wir praktisch alles, was wir verdient haben, in den Keller investiert. Bis vor vier, fünf Jahren haben wir ihn auch ständig erweitert, seither haben wir den Stand konsolidiert.“

Hat er spezielle Lieblinge unter den Winzern? „Ja. Ich war mit Rudolf Kellner, dem seinerzeitigen Besitzer des Altwienerhofs in Wien, vor vielen Jahren in Burgund. In jedem Wirtshaus und Restaurant hat er gefragt, ob es Weine vom Burgunderweingut Coche-Dury gibt, und wenn ja, hat er gekauft, was er bekommen konnte. Diese Reise hat meine nachhaltige Liebe zur Region bewirkt.“

Martin Lackner, Patron des Seehotel Lackner in Mondsee, setzt sich seit 15 Jahren intensiv mit Wein auseinander, und einige seiner Prinzipien sind bemerkenswert streng: „Wir kaufen grundsätzlich beim Winzer ein, aber wir bestehen auf eine gekühlte Anlieferung der Flaschen.“

Schaut man in die Weinkarte, beginnt sie mit Weinen, die „Selection Martin Lackner“ heißen, die der Wirt bei Winzern wie Sepp Mantler (Gedersdorf) oder Helmut Preisinger (Gols) ausgewählt und eigens ausbauen hat lassen. Der Mantler-Riesling 2003 beispielsweiswe heißt „Hot Summer“, der 1999er „Amante“. „Diese eigene Weinlinie habe ich mit den Winzern ins Leben gerufen, der Grund war einfach: Ich brauche für meine ganz persönliche Küche die wirklich optimalen Speisebegleiter. Die Mantler-Weine beispielsweise, die sind kräftig, sie harmonieren wunderbar mit Fisch und Krustentieren.“

Was es bei Martin Lackner ebenfalls gibt: Gereifte Weine glasweise, die sich bemerkenswert gut halten: „Ein Gelber Traminer Smaragd 2002 von Knoll, da habe ich ein Glas den ganzen Abend über Stunden gehabt, der ist immer besser geworden.“ Gibt es eine Erklärung für dieses Phänomen? „Manche Jahrgänge halten offen besser als andere, aber eine Erklärungsmöglichkeit könnte sein, dass die Weine ihr gesamtes Leben kühl zugebracht haben und die Flaschen nie warm waren.“

Der Kreuzwirt am Pössnitzberg gehört den Winzern Erich und Walter Polz sowie Gerhard Fuchs, dem Küchenchef. Christian Zach ist der Sommelier. Der Weinkartenschwerpunkt liegt, wie unschwer zu erraten ist, auf der Südsteiermark, die Topweingüter sind in sehr guter und tiefer Auswahl vertreten. Die Südoststeiermark wird in Zukunft deutlich erweitert werden. Erich und Walter Polz haben ja nach der seinerzeitigen Insolvenz des Weinhandelshauses Tscheppe deren Lager übernommen, zu dem eine Raritäten-Vinothek mit Weinen zurück bis in die 1930er-Jahre gehört. Die Weine – damals unter dem Etikett Woracziczky etikettiert – liegen im benachbarten Gut Pössnitzberg (und stehen nicht auf der Karte), aber nach einem besonderen Jahrgang bei den Polzen nachzufragen, kostet bekanntlich nichts.

Andreas Zach ist ein besonderer Freund oranger Weine, die von Andreas Tscheppe schwefelarm ausgebaut werden. „Im Vorjahr haben wir den Czamillonberg 2007 aus der Doppelmagnum glasweise ausgeschenkt, der war deutlich enger und straffer als aus der Normalflasche.“

Auch hier wurde das Auslandsweinangebot gestrafft: „Aus Frankreich gibt es nur mehr Bordeaux und Burgund, wir kaufen nur mehr von Winzern, die wir kennen, Südfrankreich und Übersee sind passé.“

Das Hotel Jagdhof liegt in Neustift im Tiroler Stubaital, und das Toprestaurant hört auf den Namen Hubertus-Stube, Matthias Tanzer ist der Sommelier. „Von den Weinen, die wir haben, stehen nur 75 bis 80% auf der Karte, der Rest ist im Keller, sei es, weil die Weine noch zu jung sind, sei es, dass es sich um exorbitant teure Weine handelt, wie etwa Montrachet von Ramonet oder La Tâche, beide 1961. Das ist für Gäste, die etwas ganz Besonderes suchen.“ Die Weine kommen aus den üblichen Quellen, aber „wir haben vergleichsweise große Posten aus Kellerauflösungen in Deutschland gekauft, hauptsächlich natürlich Bordeaux, aber auch einige Gustostückerln aus Deutschland, Beerenauslesen von Prüm, Künstler oder Ernie Loosen, zurück bis 1976.“

Ebenfalls gut sortiert ist die italienische Abteilung, praktisch jedes klassische Weingut aus der Toskana und dem Piemont ist mit Tiefgang vertreten. „Es gibt Etikettentrinker, aber auch solche, die sich gerne an unsere Empfehlungen halten. Da gibt es dann einen Wein, den kaum jemand kennt, weil wir fast die gesamte Ernte von 3.000 Flaschen kaufen: den Pomaro Rosso vom Castello di Cussago im Veneto, der ist sensationell gut.“ Wer sich an die europäische Klassik auf höchstem Niveau halten will, wird ebenfalls gut bedient: Weine der Domaine de la Romanée-Conti gibt’s rauf und runter, Vega Sicilia bis 1968, den Grange bis 1967, Lafite bis 1916. Angelo Gaja macht eine uns bisher unbekannte Sonderfüllung („Barbaresco Infernot“), der steht mit 1970, ’67 und ’61 auf der Karte. Und Österreichs Toprote, die sind auch mit mehreren Jahrgängen, Großformate inklusive, vorhanden.

Sommelier Hermann Lankmaier vom Burghotel in Lech am Arlberg hat eine originelle Einkaufsschiene für feine Raritätenweine aufgetan: „Wir haben viele Gäste mit großen, wirklich toll bestückten Privatkellern. Da ist es immer wieder so, dass einerseits diese Weinsammler in ein Alter kommen, in dem sie nichts oder kaum mehr etwas trinken, aber andererseits ihre Kinder kein Interesse an einem solchen Weinkeller haben, weil sie dazu keine Beziehung haben. Wenn die verlangten Preise stimmen, dann können wir da so manches schöne Stück nachkaufen, und alle sind zufrieden.“ Schwerpunkt auf der Karte ist naturgemäß Österreich in Weiß wie Rot, Italien und Spanien sind gut vertreten, die Bordeaux- und Burgunder-Auswahl ist unglaublich: „Das ist ja auch das Hobby vom Patron, Gerhard Lucian, dadurch gibt es eine sehr spannende und tiefgehende Auswahl.“

Das Zentrum der Wiener Innenstadt ist zwei- bis dreistöckig unterkellert. Walter Bauers Flaschen lagern dort bei gleichbleibenden 12 bis 14 °C. Die Schwerpunkte in Walter Bauers Karte sind Österreich und Frankreich. Was auffällt, ist die vergleichsweise große Auswahl an Halbflaschen: „Natürlich haben wir zum Menü eine glasweise Weinbegleitung, aber vor allem unsere ausländischen Gäste kennen diese Sitte weniger, die verlassen sich lieber auf die kleinen Flaschen.“ Hat er besondere Kanäle zur Weinbeschaffung? „Da kommen Leute auf mich zu, weil sie wissen, dass ich ein Weinfreak bin: Ja, Du, mein Vater war ein Weinsammler, der ist kürzlich verstorben, ich brauch das nicht, hast Du Verwendung dafür? Ich suche mir die für mich interessanten Schmankerln heraus, natürlich meistens nur in kleinen Mengen, oft sind es auch hochinteressante Einzelstücke, die sich in der Karte sehr gut tun.“ Die teuersten Stücke auf der Karte entstammen, was kein Wunder ist, der Burgunder-Domaine de la Romanée-Conti: „Wir haben eine Seite in der Karte, es könnten aber ruhig zwei sein.“ Und wer trinkt die teuren Flaschen? „Wir haben zwei österreichische Stammgäste, die sich da gütlich tun, gelegentlich greifen auch Gäste aus Japan oder Russland zu.“ Was ist sein witzigster Wein? „Daniel Gantenbein, der Graubündner Großmeister, kultiviert auf 0,2 Hektar Riesling, die er bewusst im moselanischen Stil ausbaut. Wir bekommen 6 Flaschen pro Jahr. Ich lasse gerne Winzer blind probieren, und bisher hat noch jeder auf Deutschland getippt.“

Der Weinkeller im Schwarzen Kameel ist ebenfalls von unvergleichlicher historischer innerstädtischer Pracht und hat zudem deutlich über 700 Positionen. Natürlich steht auch der Spitzen-Bordeaux aus Pomerol, Château Pétrus, mit seinem vierstelligen Preis auf der Karte, aber, so Sommelier Johann Georg Gensbichler, „wenn ich Bordeaux-Weine anbiete, dann solche um 100 oder 120 Euro. Wirklich teure Weine holt sich unser Gast sowieso zu Hause aus dem eigenen Keller.“

Weil Inhaber Peter Friese den Weinhandel im Hause besorgt, sind die Aufschläge im Restaurant vergleichsweise niedriger, die Weinpreise liegen deutlich unter dem gewöhnlichen Durchschnitt. Das glasweise Angebot dürfte ebenfalls zum reichsten im Lande zählen: Je acht Weiße (aus Österreich) und Rote (Österreich, Italien, Spanien, Frankreich) werden hier ausgeschenkt und mit Vergnügen degustiert. Gibt es neue Entwicklungen? „Sehr wohl, die Nachfrage nach deutschem Riesling steigt beträchtlich.“

Im Wiener Steirereck hält Chefsommelier Adolf „Adi“ Schmid seit über 35 Jahren die Stellung, und die Weinkarte ist eine der besten im Lande. Die Sortierung ist klassisch, aber das ist noch nicht so lang her: „Bis vor kurzer Zeit hatten wir die Magnums vorne stehen, weil wir ja auf unsere Sammlung stolz sind. Der Gast aber schlägt die Karte auf und sagt verwundert: „200 Euro für einen Grünen Veltliner Schütt von Knoll, das ist aber ein mehr als stolzer Preis!“

Die österreichischen Klassiker laufen ohnehin von selber, aber Adi Schmid hat durchaus neue Perspektiven: „Es geht viel in Richtung biologisch, Biodynamik, Spontangärung, wenig bis gar kein Schwefeleinsatz, das sind die Orange- oder Naturweine.“ Wobei der Trend natürlich vom Sommelier und seiner Empfehlung ausgeht, denn: „Niemand kennt von Werlitsch den ex vero 1, 2 oder 3. Aber im schönen Burgunderglas zum Probieren serviert, das ist eine völlig andere Welt als Veltliner und Riesling, und es kommt wirklich gut an.“ Wie überhaupt Adi Schmids Erfolgsgeheimnis im glasweisen Ausschank begründet liegt: „Niemand bestellt beispielsweise eine ganze Flasche Traminer. Aber ein Glas zum passenden Gericht, das macht wirklich Spaß.“ In Weiß liegt der Weinkartenschwerpunkt auf Österreich. Deutschland ist ein großer Brocken mit den Rieslingen aus allen Weinbaugebieten, vermehrt gehen nebst Burgundern auch Weiße aus Südfrankreich und aus Spanien aus Bierzo. „In Rot ist Osteuropa im Kommen, das interressiert mich persönlich sehr, Ungarn oder Bulgarien. Das Wichtigste ist, die Gäste immer wieder zu überraschen. Alle drei, vier Wochen gibt es eine neue Karte; eine, die es das ganze Jahr gibt, das ist das Fadeste, was es gibt.“

Das Arlberg-Hospiz-Hotel in St. Christoph beherbergt eine der weltweit größten Sammlungen von Großflaschen jenseits der Magnum. Hannes Mossauer ist dort Sommelier. „Die Sammlung hat Adi Werner, der Senior des Hauses, in den frühen 1970er-Jahren begonnen. Mit Peter Morandell, dem Weinhändler in Wörgl im Inntal, ist er nach Bordeaux gefahren und hat Freundschaften geknüpft.“ Die erste Großflasche im Hause war der Haut-Marbuzet 1981 von Henri Duboscq, der bald nach seiner Ankunft bei einem großen Diner geöffnet wurde. Aus einer Großflasche wurden im Jahr darauf deren sechs, und so hat es begonnen. Es kamen Pichon-Lalande mit May-Éliane de Lencquesaing und Figeac mit Thierry Manoncourt hinzu. Im Spezialkeller in der Hospizalm liegen 3.000 Großflaschen, von der Doppelmagnum bis zur 18-Liter-Flasche. Der Schwerpunkt ist Bordeaux, denn „wenn man unvergleichlich sein will, muss man sich spezialisieren.“ Wie sieht es mit gereiften Österreichern aus? „Wunderbar. Derzeit gibt es den 1997er Sauvignon Blanc Zieregg von Tement glasweise aus der Magnum, der kommt bei den Gästen prächtig an!“

Was dem Hause seit jeher ein Anliegen ist: große Weine nicht zu jung auf die Karte zu setzen. Der jüngste Bordeaux ist 2004. Wieviele Flaschen gibt es insgesamt? „Je nach Saison zwischen 45.000 und 50.000.“ Die 70-seitige Weinkarte hat 5.000 Positionen.