Steirisches Herzblut

Die Rebsorte Sauvignon Blanc und die Weinbauregion Steiermark – das sieht auf den ersten Blick wie eine ungetrübte Erfolgsgeschichte aus. Aber ganz so einfach ist es doch nicht.

Steirisches Herzblut

Text von Michael Prónay Foto: beigestellt
Die Diskussionen unter Weinfreunden – weniger hierzulande, wohl aber in Italien, Frankreich oder jenseits des großen Teichs – drehen sich sehr häufig um die Frage, ob Sauvignon tatsächlich ein "großer Wein" sein kann, wobei "Größe" einerseits als Tiefgang und Komplexität, andererseits als Fähigkeit, mit zunehmender Flaschenreife qualitativ zuzulegen, definiert wird. Nach dieser – durchaus zutreffenden Definition stehen in Weiß Chardonnay und Riesling – und seit kurzem auch Grüner Veltliner außer Frage; anderen Rebsorten, wie etwa dem Traminer, wird Größe zugestanden, auch wenn er derzeit nicht gerade fashionable ist.

Bei Sauvignon hingegen scheiden sich die Geister. François Mauss, Gründer und Chef der "Grand Jury Européen", die anerkannt gute Weinkostgaumen aus der ganzen Welt vereint, bringt es klar zum Ausdruck: "Wenn wir Chardonnay kosten oder Cabernet, Pinot Noir oder Syrah, da ist das Urteil zwar nicht immer einstimmig, aber 80 bis 90% der Voten unserer Mitglieder deuten in dieselbe Richtung. Kosten wir hingegen Sauvignon, dann ist’s plötzlich völlig anders: Die eine Hälfte der Verkoster findet die Sorte definitv indiskutabel, während die andere Hälfte sich durchaus als Anhänger deklariert." Der Grund dafür mag – zumindest zum Teil – in einem vor allem in Frankreich ausgetragenen Richtungsstreit begründet liegen. Auf der einen Seite ist das Denis Dubourdieu, in Sachen Bordelaiser Weißwein (und somit auch in Sachen Sauvignon) als so etwas wie ein Papst angesehen, auf der anderen Seite mit Michel Bettane und Bernard Burtschy zwei der der bekanntesten und angesehensten Weinjournalisten Frankreichs. Der Streit geht um die von Dubourdieu vertretene Meinung, dass der Sauvignon seine optimale Aromatik bei (nicht aufgebesserten) 12,5 Volumsprozent entfaltet, was aber, so die Gegenmeinung, "zu den klassischen Katzenpipi-Weinen führt, die einfach indiskutabel sind."
Nun gut, hierzulande stehen wir definitiv über den Dingen, hier hat der Sauvignon dank des Vorreiters Steiermark durchaus den Stellenwert eines großen Weins. Wir baten also die Landwirtschaftkammer Steiermark um eine kleine Auswahl, die um einige Weine der STK-("Steirische Terroir- und Klassik"-)Winzer ergänzt wurde, insgesamt waren es 20 Weine. Es verkosteten – blind, von jung nach alt, nach steigendem Alkoholgehalt gereiht – Brigitte Obauer (Österreich A la Carte, Wien), Dietmar Bruckner (Die Bouteille, Wien) und der Autor. Dem Freigut Thallern in Gumpoldskirchen sei hiermit für seine Gastfreundschaft herzlich gedankt.

Die Besten – Jahrgang 2009

Jahrgang 2009
93 Lackner-Tinnacher, Gamlitz-Steinbach 2009 Steinbach, 13%, GL
Eigenwillig, Maracuja, Mangomolke, pikant; hübsche Fruchtfülle, sehr feiner Glanz, vorne etwas breitbeinig auftretend, aber mit wunderbar feinem Schliff ausklingend, sehr schön.
92 Sattlerhof, Gamlitz-
Sernau 2009 Sernauberg Erste STK-Lage, 13,5%, GL
Wunderschön klare, saftige, transparent-pfeffrige Sortenfrucht; pikant und saftig, wunderschöne Balance, die Frucht geht auf, Ananas, Marillen und Maracuja, auch mineralisch, ganz toller Stoff.
91 Otto & Theresia Riegelnegg, Gamlitz-Steinbach 2009
Sernauberg, 13,7%, DV
Herzhafte Würze, in die Liebstöckelrichtung gehend; saftige Fülle, schöne Dichte, gute Konzentration, Brennnesseln und Hollerblüten, schöner Fokus, tolle Länge.
90 Thomas Burger, Gross-Steinbach-Gschmaier 2009 Pönberg, 12,7%, DV
Sehr feine, dichte, wunderschön klare Sortennase; wunderschöne Frucht, passend-zartes CO2, ganz feines Zuckerspitzerl, engmaschig, dicht, fein.
90 Winkler-Hermaden, Kapfenstein 2009 Steirische Klassik STK, 12,8%, GL
Hübsch und pikant, fast vorlaut, aber wunderschön klar und transparent, sehr sortentypisch; herzhaft-kackiger Biss, auch feine Mineralik, beträchtliche Länge, ausgezeichnet.
89 Erich & Walter Polz, Spielfeld-Grassnitzberg 2009 Therese Erste STK-Lage, 13%, DV
Pikant-stichig, auch merklich animalisch geprägt; mineralisch und ätherisch, braucht viel Luft (und einige Jahre in der Flasche), sehr individuelle Sortenausprägung.
89 Manfred Tement, Berghausen-Zieregg 2009 Grassnitzberg, 13%, GL
Rauchige Würzefülle, fast petrolhafte Noten; weich und füllig, dichte, merklich ins Dunkle changierende Frucht, auch etwas Lakritze und Cassislaub.
88 Franz Gruber, Kaindorf-Obertiefenbach 2009 Klassik, 12,8%, DV
Hübsche, durchaus zugängliche Sortenfrucht, feine Hollerblüten; ruhig strömend, dichtes Mittelstück, sehr solid und sauber.
88 Gabriele Kaiser-Gröll, Steinboeckl Wein & Wild, Wies 2009 Sauvignon Blanc, 12,2%, DV Verhalten, dahinter zart rauchig-speckig, etwas Johannisbeerlaub; hübscher Biss, gute Substanz, freundlich und saftig.
88 Neumeister, Straden 2009 Steirische Klassik, 12,5%, DV
Pikante Würze, die deutlich in die Sämlingsrichtung geht; hübsche Fülle, herzhafter Stoff, hintendrein kernig-straffe Säure, ein schöner Sommerdrink.
88 Scheucher, St. Veit/Vogau 2009 Sauvignon Blanc, 12,8%, DV
Sehr freunliche Nase, mit Luft kommen eine helle Frucht und pikante Stachelbeeren; herzhafter Biss, knackig frisch, etwas Maracuja, sehr ordentlich und fein.
87 Franz Kohl, Grosswilfersdorf 2009 Sauvignon Blanc, 12,3%, DV
Hübsche Pikanz, die Sorte sticht merklich aus dem Glas heraus; herzhafter Biss, knackig frisch, hübsch und sauber.
87 Wilfried Schilhan, Gamlitz-Kranach 2009 Klassik, 12%, DV
Hübsch, klar, klassisch, ausgesprochen animierend, grün-pikantes Cassislaub; herzhaft, knackig-straffe Säure, unterm Strich ein wenig einfacher gestrickt.
86 Franz & Claudia Dietrich, Gamlitz-Sernau 2009 Jägerberg, 12,7%, DV
Eher zart entwickelte Sortenfrucht, grüne Johannisbeerelemente; ein wenig lasch wirkend, eher ins Breite gehend, im Ausklang kommt die Säure.
Reifere Jahrgänge
93 Stefan Potzinger, Gabersdorf 2008 Joseph® Ried Sulz, 13,7%, DV
Dezente Holz-Röst-Aromatik, im Moment noch ruppig, dazu auch Feuerstein; hübsche Cassiselemente, gute Struktur, kompakt, geht herrlich auf, dicht, Honigmelone, salzig und saftig, toller Stoff.
92 Landesweingut Silberberg, Leibnitz 2007 B.o.S., 13,8%, NK (Der Name bedeutet "Best of Silberberg".)
Feines Holz und wunderschöne Reife, die Sorte eher zart angedeutet; wunderschöne Frucht, rauchig, auch Rosenaromatik, feiner Glanz, ganz ausgezeichnet.
92 Peter Skoff, Gamlitz-Kranachberg 2007 KRA CRU, 14,7%, DV
Wunderbar saftig, Lychee, Honig, dicht verwoben, Johannisbeeren, auch Weihrauch; geschmeidig und dicht, extraktsüß, wunderschöner Glanz, wirkt süßer, als er ist, Zedernholz, sehr fein.
89 Frauwallner, Straden-Karbach 2008 Vom Buch, 13%, DV
Zuckermais und deutliche Vanille vom Holz, völlig anders in der Stilistik; noch sehr deutlich vom Holz geprägt, eigenwillig, solche Weine brauchen erfahrungsgemäß einige Jahre zur Harmonisierung.
88 K. & G. Strauss, Gamlitz-Steinbach 2008 Reserve Gamlitzberg, 13,9%, DV
Honig und kandierte Früchte, Trockenobst, Rosenholz; eigenwillige, fast traminerige Süße, wie Rosenblütenmarmelade, witzige Interpretation.
87 Hans & Rosemarie Schwarz, Kitzeck-Greith 2008 Wunsum, 13,3%, DV
Ganz eindeutig nach gegrillten Paprika, auch etwas Mais und Champignons, Kräuter; Paprika pur, merklich schräge Ausprägung, sehr individuell.