Steter Tropfen

Das neue heiße Ding in der Kaffee-Welt ist kalt. Und tröpfelt bis zu 72 Stunden durch aufwendige Glas-Konstruktionen. Text von Florian Holzer Foto: Lucas Vossoughi Falls es jemand noch nicht mitbekommen hat: Filterkaffee ist gerade wieder sehr im Kommen, zumindest unter den Kaffee-Nerds und Anhängern der so genannten „Third Wave“, bei der es bekanntlich darum…

Das neue heiße Ding in der Kaffee-Welt ist kalt. Und tröpfelt bis zu 72 Stunden durch aufwendige Glas-Konstruktionen.
Text von Florian Holzer Foto: Lucas Vossoughi

Falls es jemand noch nicht mitbekommen hat: Filterkaffee ist gerade wieder sehr im Kommen, zumindest unter den Kaffee-Nerds und Anhängern der so genannten „Third Wave“, bei der es bekanntlich darum geht, besonders interessante Lagen-Kaffees, die besonders nachhaltig angebaut und hergestellt wurden, besonders schonend zuzubereiten. Wobei mit Filterkaffee natürlich nicht die braune Brühe gemeint ist, unter der man in der Prä-Espresso-Ära zu leiden hatte, nein, sondern quasirituell und mit Hilfe von Hightech-Filtern, -Kannen und -Pressen produzierte Aufgüsse, die dann mitunter sogar im Riedel-Glas serviert werden.
Diese Szene, die ihre Hotspots in Japan, New York, an der amerikanischen Westküste, in Skandinavien, London und Amsterdam hat, ist extrem lebendig, vernetzt und kreativ. Und ständig auf der Suche nach Innovation oder Verbesserung einzelner Herstellungsschritte beziehungsweise der Entdeckung gänzlich neuer Methoden. Gänzlich neu ist die „Cold Drip“-Methode zwar nicht, in New Orleans etwa erfreut sich diese Art der Kaffee-Herstellung seit jeher großer Beliebtheit, wovon die restliche Welt aber nie besondere Notiz genommen hatte. Vor drei Jahren änderte sich das schlagartig, als amerikanische und japanische Hersteller aufwendige, an alchimistische Labor-Gerätschaft erinnernde Konstruktionen auf den Markt brachten, die nicht nur spektakulär aussehen, sondern auch einen sehr speziellen Kaffee generieren: Kaltes Wasser sickert dabei tröpfchenweise und stundenlang durch grob gemahlenen Kaffee und ergibt auf diese Weise ein völlig anderes Getränk, als wir es aus der Bohne bisher kannten – feiner, süßer, fruchtig, und da keine Hitze im Spiel ist, werden auch die Bitterstoffe der Kaffeebohne kaum bis gar nicht ausgelaugt. Der Name „Kyoto-Methode“ setzte sich bald durch.
In seiner Urform in New Orleans ließ man gemahlenen Kaffee einfach ein paar Stunden in kaltem Wasser extrahieren, filterte das Gebräu dann und versah das so entstandene Konzentrat mit Eiswürfeln, Wasser, Likör oder was auch immer. Nicht die delikateste Zubereitungsart, aber für Eiskaffee immerhin schon ein enormer Fortschritt gegenüber gekühltem Brühkaffee oder Espresso, der durch den Temperaturschock zwangsläufig leidet, sauer und bitter wird. Einige Hersteller, Toddy (USA) der namhafteste unter ihnen, standardisierten dieses System und entwickelten einfache und preiswerte Kunststoffkannen, mit denen man gute Ergebnisse erzielen kann. Robert Gruber, mit seinem kleinen Kaffeelabor „POC – People on Caffeine“ direkt an der Alten Kirche in der Josefstadt einer der österreichischen Masterminds in Sachen „Third Wave“, war bisher dennoch nicht besonders zufrieden damit: „Man braucht Unmengen an Kaffee und wartet ewig, es bleibt im Endeffekt aber eine Spielerei mit ungewissem Ausgang.“ Johannes Runge vom kleinen „Kaffeemodul“, ebenfalls in der Josefstadt, sieht seine bisherigen KaltmazerationsErfahrungen hingegen durchaus positiv, „nach 12 Stunden Extraktion war der Kaffee noch fruchtig, nach 48 Stunden wurde die Sache dann schon kräftig. Aber der Hit war es nach 72 Stunden, da hatte der Kaffee etwas von Scotch, erinnerte stark an Barrique-Ausbau“. Auch James Freeman, Besitzer der berühmten und für viele Kaffee-Innovationen der vergangenen Jahre verantwortlichen Kette „Blue Bottle Coffee“, wird vom NYT-Blogger Oliver Strand dahingehend zitiert, dass kalt und über Stunden zubereiteter Kaffee eine „alkoholische Hitze“ hätte, „wie Rum oder Bourbon“.
Abgesehen davon sind die – mitunter aus mundgeblasenen Röhren, Spiralen und Ballons gefertigten und dementsprechend sündteuren – Kyoto­Dripper natürlich überaus spektakulär. Im Blue Bottle Coffee in Williams­burg/Brooklyn steht eine Batterie von fünf solchen Tröpfchen-Automaten nebeneinander. Braucht man auch, denn pro Gerät darf man in zwölf Stunden nicht mit viel mehr als eineinhalb, zwei Litern konzentrierten kalten Kaffees rechnen, „bei den japanischen Geräten kann man die Durchflussgeschwindigkeit einstellen“, weiß Robert Gruber, „das Spektrum liegt zwischen sieben und zwölf Tropfen pro Minute“. Er hat sich so ein Gerät des japanischen Herstellers Oji jedenfalls schon bestellt. Und wenn die Glaskonstruktion in Wien angekommen ist, wird er das zum Anlass nehmen, sein kleines Kaffeelokal gleich einmal ein bisschen umzugestalten. Bei der Kyoto-Methode trinkt das Auge schließlich mit.

Adressen

POC
Schlösselgasse 21, 1080 Wien
Mo.–Fr. 8–17 Uhr
www.facebook.com/pages/POC-People-On-Caffeine/ 150002268356137

Kaffeemodul
Josefstädter Straße 35, 1080 Wien
Mo.–Fr. 7.30–17.30 Uhr
www.kaffeemodul.at

Blue Bottle Coffee
www.bluebottlecoffee.com