Trappistenbier

Seit zwei Jahren wird im Stift Engelszell wieder Bier gebraut. Und es scheint so, als hätte die Welt darauf gewartet.

Text von Florian Holzer Foto: beigestellt

14 Uhr, die klösterliche Mittagsruhe ist vorbei. Es bleibt aber auch nach zwei Uhr nachmittags noch recht ruhig. Die Donau strömt vor sich hin, gleich auf der anderen Seite liegt Bayern. Allerdings ein sehr waldiger, unberührt wirkender Teil von Bayern.

Engelhartszell ist nicht wirklich ein Hort pulsierenden Lebens. Der Ort ist bekannt wegen seiner Donau-Pegelstandsmessungen und ein bisschen wegen des Stiftes Engelszell, einem kleinen Stift, das seit dem 13. Jahrhundert oft abgebrannt, ausgeraubt, aufgelöst, verkauft, wieder eingeweiht wurde und seit 1929 von Österreichs einziger Trappisten-Gemeinschaft bewohnt und verwaltet wird.

Im Stift Engelszell werden Liköre gebrannt, sechzehn verschiedene, Kräuterbitter, Wacholder, Schwedenbitter, Eierliköre, die jüngste Kreation von Bruder Reinhard ist ein Granatapfel-Likör. Es gibt auch Kräutergärten, einen Garten mit alten, vergessenen Rebsorten und ein paar Bienenstöcke. Und die werden vom gleichen Imker betreut, der auch den Honig für den Honigbock der Mühlviertler Brauerei Hofstetten liefert. Weshalb die Patres eines Tages einen Betriebsausflug nach St. Martin machten und sich anschauten, wie der Honig aus ihren Gärten dort zu schaumigem Starkbier wird, man sprach miteinander und Hofstetten-Besitzer Peter Krammer fragte schließlich, warum die Engelszeller Trappisten denn eigentlich kein Engelszeller Trappistenbier brauen.

Vor allem deshalb, weil sie nicht wussten, was ein Trappistenbier ist, und als Peter Krammer es ihnen erzählte und dabei erwähnte, dass es zur Erhaltung der Stiftsgebäude – vor allem der Sanierung des Kirchendaches – beitragen könne, fanden sie die Idee gut und schlugen vor, dass die Brauerei Hofstetten doch so ein Trappistenbier brauen solle. „Aber so funktioniert das halt nicht“, erklärte Krammer den Gottesmännern, denn um ein echtes, von den Fans begehrtes Trappistenbier zu machen, müsse man es im Kloster brauen, nur so bekäme es das sechseckige Authentizitäts-Siegel, das es von einem beliebigen Klosterbier unterscheide.

Peter Krammer hörte sich also ein bisschen um. Seine amerikanischen Händler waren begeistert von der Idee, bestanden aber auf ein Bier, das weder pasteurisiert noch filtriert ist, was die Verwendung einer gebraucht gekauften und damit billigeren Brauanlage allerdings zum Risiko machte. Also neu bauen, in Zusammenarbeit und nach Planung von Weihenstephan, im Gebäude der früheren Hackschnitzelheizung, eine hochmoderne, auf 2.000 Hektoliter ausgelegte Brauanlage, 450.000 Euro nahmen die asketischen Mönche dafür in die Hand. Das enorme Interesse an dem Bier und die Möglichkeit, es zu einem doch verhältnismäßig hohen Preis zu verkaufen, machten immerhin den Zeitpunkt vorstellbar, an dem kostendeckend gebraut und sodann in die Erhaltung des Kirchendachs investiert werden könne.

Blieb noch die Frage: Wie sollte das Engelszeller Trappistenbier aussehen? Peter Krammer erinnert sich, dass der Imker, der ja gewissermaßen der Ursprung des Projektes war, einige Abhandlungen über das Stift, sein Umland, seine Aura verfasst hatte, „unser US-Importeur sagte zu mir, Krammer, brauen Sie ein Bier, das genau so ist, das genau so viel aussagt wie diese Texte“. Also zuerst einmal das „Gregorius“, benannt nach Abt Gregorius Eisvogel, der die Trappisten nach ihrer Vertreibung aus dem Kloster Oelenberg im Elsass nach Engelhartszell brachte, und das den Untertitel „Die Macht der Fluten“ trägt. Ein dunkles, kräftiges Bier, gebraut aus fünf verschiedenen, großteils dunklen Malzen, sowohl mit einer amerikanischen, extrem leistungsfähigen obergärigen Bierhefe vergoren als auch mit Honig-Zugabe und Nachgärung in der Flasche mittels Weinhefe, drei Hopfengaben, ein Bier mit knapp zehn Volumsprozent Alkohol, unendlicher Dichte und Komplexität, mit feinen Säure-Akzenten neben einer Ladung voll Aromen von Karamell, Kastanien, Portwein und Madeira, von Minute zu Minute verändernd, großartig.

Im Februar 2012 wurde der erste Sud eingebraut, „wir begannen mit dem stärksten Bier, um die neue Anlage einmal so richtig zu fordern“, erklärt Peter Krammer. Ein Jahr später kam dann noch das Bernstein-farbene „Benno“ dazu, benannt nach Abt Benno Stumpf, der in der Nachkriegszeit wesentlich am Wiederaufbau des Klosters beteiligt war: Das Bier trägt den Untertitel „Herbst im Donautal“, drei verschiedene Malze und als Reminiszenz an die Elsässer Heimat des Abtes einen Elsässer Hopfen, ebenfalls Nachgärung in der Flasche, knapp sieben Prozent Alkohol, Aromen von Herbstlaub und Nuss, am Gaumen feines Karamell, Krokant, lebendige Kohlensäure durch die Nachgärung, ein sehr komplexes Bier.

„Was wir definitiv nicht wollten, ist ein bestehendes Trappistenbier nachzumachen“, sagt Peter Krammer, andererseits stand fest, hier Biere zu brauen, die mit ziemlicher Sicherheit von den lokalen Konsumenten rundherum kaum verstanden würden, „als sie das Gregorius zum ersten Mal kosteten, sagten die Leute aus dem Ort, dass wir die Brauerei in einem halben Jahr wieder zusperren können“.

Davon ist nach jetzt zwei Jahren aber keine Rede, und obwohl Braumeister Krammer der Ansicht ist, sich mit den Engelszeller Trappistenbieren noch in der Phase des Feintunings zu befinden, ist er andererseits zum ersten Mal in seinem Bier-Leben damit konfrontiert, Bier nicht verkaufen zu müssen, „es ist verkauft, bevor wir es noch gebraut haben“. Mit dem heurigen Jahr kam noch ein drittes Bier dazu, das „Jubiläumsbier“, ein fruchtiges, Hefe-geprägtes Bier, das zwar auch eindeutig „belgischen“ Charakter hat, aber zumindest auch von Ausflüglern und Stifts-Besuchern ohne größere Starkbier-Erfahrung getrunken werden kann. Und damit soll noch keineswegs Schluss sein, „die Tradition der Kräuterliköre ist da, die Kräuter sind da, da liegt es auf der Hand, etwas damit zu machen“, meint Krammer, „das ist eine ganz große Spielwiese“.

Abt Marianus Hauseder ist zufrieden. Die Hackschnitzel-Heizung war unwirtschaftlich. Das Trap-pistenbier aus Engelszell sei bei den Menschen sehr beliebt und verkaufe sich gut, sagt er. Man werde bald damit beginnen können, das Dach der Kirche zu renovieren.

Der Orden der Trappisten, ein im 17. Jahrhundert entstandener Reformzweig der Zisterzienser („Orden der Zisterzienser von der strengeren Observanz“), fühlt sich der Abgeschiedenheit und Klausur, der körperlichen Arbeit und der Askese verpflichtet. Alles keine Attribute, die man jetzt unmittelbar mit Bier in Zusammenhang bringen würde. Dennoch sind die Trappistenbiere seit Jahrzehnten rare und gesuchte Kult-Getränke.

Um das Siegel der Trappisten zu bekommen, muss ein Trappistenbier in einem Trappistenkloster von den Mönchen selbst oder unter ihrer Aufsicht gebraut werden. Die Brauerei muss dem Kloster unterstellt sein und eine Betriebsstruktur aufweisen, die mit dem klösterlichen Lebensentwurf harmoniert. Außerdem darf die Brauerei nicht gewinnorientiert sein, die Erlöse dürfen allein dem Lebensunterhalt der Mönche beziehungsweise dem Erhalt des Klosters dienen, etwaige Überschüsse müssen karitativen Zwecken zugeführt werden.

Wie ein Trappistenbier zu schmecken hat, ist nicht festgeschrieben, allerdings hat sich – sechs der zehn brauenden Trappistenklöster liegen in Belgien, zwei in den Niederlanden – ein belgischer Bierstil durchgesetzt: obergärig, sowohl dunkel als auch hell und vor allem mit bis zu 12% Alkohol wahnwitzig stark. Trappistenbiere gelten gemeinhin als ewig haltbar.

Die strengen Regeln führten stets zu eingeschränkter Verfügbarkeit, Stärke und Haltbarkeit machten sie in der Bierwelt zu etwas Besonderem, die Preise lagen dementsprechend hoch, Freundeskreise und Sammler in aller Welt suchten diese Raritäten. Gewissermaßen kann man die Trappistenbiere also ein bisschen als Vorläufer der aktuellen Craft Beer-Szene erachten.

Stift Engelszell
Stiftstraße 6, 4090 Engelhartszell,
www.stift-engelszell.at