Unikat mit Drang zu Höherem

Viele Jahre galt der Zweigelt, Österreichs weitverbreitetste Rotweinsorte, in allen Rankings stets als Underdog. Mit kraftvollem Fruchtcharme erobert Zweigelt nun auch die ersten Plätze.

Foto von ÖWM / WSNA
Text von Willibald Balanjuk

Zweigelt ist mit über 6.500 Hektar Rebfläche die meistverbreitete Rotweinsorte Österreichs. Aus der Mehrheit der Trauben werden fruchtige, unkomplizierte Weine gekeltert. Daneben haben sich in den letzten Jahren vermehrt Rieden- und DAC-Reserve-Weine etabliert, mit dem Anspruch, reinsortigen Zweigelt gereift und aromatief auf die Flasche zu bekommen. Das Image der Rebsorte wird daher sehr unterschiedlich gesehen.

A la Carte hat eine Zweigelt-Grand-Cru-Verkostung in fünf Kategorien ausgeschrieben. Insgesamt wurden 231 Weine aus den Jahrgänge 2019, 2020, 2021 und 2022 eingereicht. Der Stil der Jahrgänge variiert sehr stark – nicht in der absoluten Qualität, sondern in der offenen bzw. verhaltenen Fruchtausprägung. Während sich 2020 und 2022 einladend präsentieren, zeigen sich 2019 und 2021 verhalten, aber auch tiefer in der Aromatik. Die Tanninqualität der vier Jahrgänge ist durchwegs als großartig zu bezeichnen, Balance und Textur laden dazu ein, die 2020er vor den 2019ern und die 2022er vor den 2021ern zu trinken.

Die Kategorie 1 – fruchtbetonte Zweigelt 2022 war mit 45 Weinen wie zu erwarten groß. In dieser Kategorie finden sich sowohl feinfruchtige als auch Frucht­joghurt-geprägte Weine. Etablierte Winzer und viele in den Regionen Carnuntum und Neusiedlersee reifen ­Teile des Weins oder sogar den gesamten in gebrauchten Barriques oder 500er/600er-Fässern. Einige Weine werden auch nur im Stahltank ausgebaut und überzeugen mit intensivster Frucht. Das Match in dieser Kategorie trugen Göttlesbrunn und Gols aus. Philipp Grassls Rubin Carnuntum etwa vereint Frucht und Holzausbau mit perfekten, zart offenen Fruchtnoten.

Die 2. Kategorie – Zweigelt, gehaltvoll & DAC Reserve war mit nur drei Weinen vertreten. Das beweist das Eingangs-Statement, denn in dieser Kategorie bringt die Mehrheit der Winzer gereiftere Weine auf die Flasche. Es wurden daher nur Fassproben und zwei eben erst abgefüllte Weine verkostet.

Die 3. Kategorie – Zweigelt 2021 (84 Weine) steht für einen großen Jahrgang in Österreich. Da das Image eines Jahrgangs von Weiß-, aber auch von Rotwein geprägt wird, sind die Erwartungshaltungen hoch. Die Bandbreite reichte von Zweigelt-Klassik bis hin zu hochwertigen Riedenweinen des Jahrgangs. Wieder waren die großen Gegenspieler Neusiedlersee und Carnuntum. Michael Schwarz gelang es, mit Schwarz Rot einen individuellen Top-Zweigelt zu keltern – aromatisch, ein Mix aus rotbeerigen Noten und Schwarzkirsche. Die Herausforderer aus Carnuntum, der heurige Salon-Sieger Zweigelt Ried Haidacker 1 ÖTW von Lukas Markowitsch und der Zweigelt Ried Schüttenberg 1 ÖTW von Philipp Grassl, überzeugten mit dunkler Kirschfrucht. Stefan Bayer, ein Newcomer aus Weiden, keltert seinen Zweigelt Ried Bühl wiederum mit rot- und dunkelbeeriger Aromatik. Sein erst zweiter Jahrgang überzeugt. Auch René Pöckl, dessen Zweigelt-Cuvées die letzten Jahre geprägt haben, kontert mit Kraft, Balance und Konzentration. Die besten Weine werden sich in den nächsten drei bis fünf Jahren optimal präsentieren.

Kategorie 4 – Zweigelt-dominierte Cuvées 2021 war mit 24 Weinen eine der größeren Kategorien. Die Usual Suspects entsprechen jenen in den vorigen Kategorien. René Pöckls Admiral 2021 steht leicht über den anderen Weinen – eine perfekte Cuvée aus Zweigelt, Merlot und Cabernet Sauvignon mit enormer Konzentration und perfektem Tannin. Vielleicht der beste Admiral von René Pöckl. Auch die Herausforderer Philipp Grassl, Werner Achs und Franz Netzl offerieren Fruchttiefe, Balance und sensationellen Gerbstoff. Die Weine des Jahrgangs 2021 verfügen zudem über exzellentes Reifepotenzial.

Die Kategorie 5 – Zweigelt und Cuvées 2020 und 2019 präsentierte sich mit 75 reifen, harmonischen und trinkfreudigen Weinen. Der Zweigelt Ried Haidacker 1 ÖTW von Lukas Markowitsch beginnt sich gerade zu öffnen und spielt alle Stärken des Zweigelt aus – saftige, einladende Kirschfrucht mit gut eingebundenen Holznoten. Feinkörniges Tannin rundet den Wein ab. Daneben 2020, der erste Jahrgang von Stefan Bayer, der etwas opulenter und druckvoller daherkommt.

Resümee: Zweigelt besitzt alle Eigenschaften, die es braucht, um großartige Rotweine zu keltern. Die heute älteren Toplagen, deren Trauben nicht nur mehr für Cuvées verwendet werden, stärken und sind Garant für die gestiegene Qualität der angebotenen Weine. Zweigelt mit Riedencharakter gewinnt weiter an Profil. Die Serie der großartigen Jahrgänge verstärkt das Qualitätsniveau. Der Umgang mit Holz und die verfeinerte Extraktion führen zu präzisen und eleganten Weinen, die mit 2022 (die Topweine des Jahrgangs kommen erst nächstes Jahr) und 2020 früher antrinkbar sind. Für Liebhaber gereifterer Weine lohnt es sich, die 2019er und 2021er weiter zu lagern und die Entwicklung zu verfolgen. Wenn Sie noch keine 2021er im Keller haben, sollten Sie sich umgehend darum kümmern, den dieser Jahrgang verfügt über riesiges Reifepotenzial und sollte in keinem Keller fehlen. —

Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten Weine jeder Kategorie in einer Blindprobe von der Fachjury bewertet.

Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Weinhandel Del Fabro/Kolarik), Dragos Pavelescu (Önologe), Johannes Tremel (Weinhandel), Philipp Schäfer (Weinakademiker & Weinhandel Schäfer) und der Autor.

Kategorie 1: Zweigelt klassisch 2022

Kategorie 2: Zweigelt Reserve 2022

Kategorie 3: Zweigelt klassisch und Reserve 2021

Kategorie 4: Zweigelt und Cuvées 2021

Kategorie 5: Zweigelt und Cuvées 2020 bis 2018