Unser Alleskönner

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Der Grüne Veltliner zeigt sich mit den aktuellen Jahrgängen einmal mehr in seiner ganzen Pracht.

Text & Verkostung von Willibald Balanjuk

Im Rahmen der heurigen Grüner-Veltliner-Grand-Cru-Verkostung wurden 603 Weine verkostet. Die Mehrheit der Weine stammt vom einladenden und fruchttiefen Jahrgang 2022. Ein Jahrgang, der die Winzer und ihre Nerven forderte. Auf einen niederschlagsarmen und milden Winter folgten ein eher später Austrieb und eine frühe Blüte. Die dabei auftretenden Niederschläge erforderte konsequente Pflanzenschutzmaßnahmen. Die folgende lange warme und trockene Phase war für jüngere Rebanlagen eine wirkliche Herausforderung. Doch die Niederschläge im August konnten den Grünen Veltliner in den meisten Gebieten retten. Danach folgte ein regional starker Herbst. Häufiger Regen bei guten Temperaturen führte zu hohen Gradationen, jedoch auch zu starkem Fäulnisdruck. Die Säure fiel in manchen Weinbaugebieten weit unter jene von 2021, oft vergleichbar mit 2017. Viele Winzer konnten aber durch gutes Weingartenmanagement und selektive Lese nicht nur manches ausgleichen, sondern ernteten perfekte Trauben. Allgemein präsentiert sich der 2022er-Grüne-Veltliner mit einer offenen, vollreifen, saftigen Frucht und harmonischer Textur. Die zugänglichen Fruchtaromen erlauben es, den Wein schon sehr früh anzutrinken. Natürlich gibt es wie immer auch Ausnahmen. So hatten kühlere Lagen, alte Rebanlagen und zahlreiche Bio-, Biodynamische- und Respekt-Winzer durch die richtige Bodenbegrünung und entsprechendes Management Vorteile.

Die A la Carte-Grüner-Veltliner-Grand-Cru-Verkostung wurde in fünf Kategorien ausgeschrieben.

In der Kategorie 2022 Grüner Veltliner (fruchtig-würzige, klassische Vertreter der Rebsorte) wurden 283 Weine verkostet. Die Bandbreite in dieser Kategorie reicht von lebendiger, frischer Fruchtwürze bis hin zu dominanten, kandierten Noten. Durch die etwas mildere Säurestruktur wirkt die Frucht oft reif, gelbfruchtig und kandiert. Die besten Weine dokumentieren die große Erfahrung hervorragender Winzer im Umgang mit den herausfordernden Bedingungen und kommen aus nahezu allen Weinbaugebieten.

Die Kategorie 2022 Grüner Veltliner gehaltvoll und Reserve war mit 92 Weinen sehr stark vertreten. Die meisten Weine waren Fassproben und/oder noch nicht im Verkauf. In dieser Kategorie hat die Wachau bei den eingereichten Weinen (vieles wird erst viel später kommen) die Nase vorn. Nicht nur der Siegerwein – Grüner Veltliner Smaragd Ried Achleiten von der Domäne Wachau –, auch die Mehrheit der weiteren Topweine stammt aus der Wachau. Die meisten Weine sind bereits gut antrinkbar und werden in den nächsten drei bis fünf Jahren großes Trinkvergnügen bereiten.

In der Kategorie 2021 Grüner Veltliner fruchtbetont und klassischer Ausbau zeigen sich die eigenständige Qualität und Stilistik des 2021er-Jahrgangs. 27 Weine wurden degustiert. Sie wirken rassig und verfügen über ein lebendiges Frucht-Säure-Spiel. Das Niveau der besten Weine war sehr hoch, aber die große Bandbreite der Grüner-Veltliner-Interpretationen stellte trotz des großen Vergnügens eine Herausforderung dar. Der Grüne Veltliner Ried Gmirk Gösing von Bernhard Ott vereint Frische, Straffheit und Eleganz.

Die Kategorie 2021 Grüner Veltliner gehaltvoll und Reserve war mit 151 eingereichten Weinen sehr prominent vertreten. Hier hatten die „usual suspects“ die Nase vorn. Viele dieser Weine wurden mehrmals verkostet, und manche beginnen bereits, sich zu verschließen. Die Qualität der Weine ist sensationell. Die 21er-Serien von Bründlmayer und Bernhard Ott stechen heraus. Beide Winzer haben mit diesem Jahrgang vielleicht die besten Serien der letzten Jahre gekeltert. Der Grüne Veltliner Ried ­Rosenberg Feuersbrunn von Bernhard Ott (bereits gefüllt, wird aber erst im Herbst auf den Markt kommen) trinkt sich wie Nektar. Der Wein spielt in einer eigenen Liga. Er vereint Sortencharakter, Konzentration, Engmaschigkeit, feinste Gerbstoffe und Mineralität mit einer unvergleichlichen Finesse. Ein Muss für alle, die Grünen Veltliner und /oder auch weiße Burgunder mögen.

Die Kategorie reifere Grüne Veltliner aus den Jahrgängen 2020 & 2019 (50 Weine) unterstreicht das sensationelle Potenzial der Rebsorte. Viele der kandierten, gelben Aromen werden komplexer, und in der Entwicklung im Glas präsentieren sich zarte Würze und Kräuternoten. Die 15 besten (darunter auch viele Weinviertler Grüne Veltliner) werden in den kommenden Jahren noch dramatisch zulegen.

Zusammenfassend zeigt sich, dass – wie schon in den letzten Jahren – die „klassisch fruchtig-würzigen“ Grünen Veltliner ein enorm hohes Niveau erreicht haben und ein ausgezeichnetes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Die gehaltvollen Weine aus 2022 werden mehrheitlich früher antrinkbar sein und die meisten in den nächsten drei bis sechs Jahren ihren Höhepunkt erreichen. Die 2021er sind im ersten Moment vielleicht etwas fordernder, aber Pflicht für jeden Weinliebhaber. Die 2021er überzeugen durch einen lebendigen Trinkfluss und eignen sich durch das präsente Frucht-Säure-Spiel als ideale Speisenbegleiter. Dass Grüner Veltliner sehr gut reifen kann, ist ja nicht neu. Die 2020er wirken etwas verhalten, und einige 2019er sind noch verschlossen, verfügen aber über ein enormes Potenzial. Kurz: Grüner Veltliner spielt in allen Stilen und Reifestadien in einer internationalen Topliga. —

Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten Weine jeder Kategorie in einer Blindprobe von einer Fachjury bewertet.

Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Del Fabro Weinhandel), Dragos Pavelescu (Önologe), Simon Schubert (Restaurant Reznicek), Johannes Tremmel (Weinhandel) und der Autor.

Bewertungen:
Kategorie 2022 Grüner Veltliner (fruchtig-würzige, klassische Vertreter der Rebsorte)
Kategorie 2022 Grüner Veltliner gehaltvoll und Reserve
Kategorie 2021 Grüner Veltliner fruchtbetont und klassischer Ausbau
Kategorie 2021 Grüner Veltliner gehaltvoll und Reserve
Kategorie reifere Grüne Veltliner aus den Jahrgängen 2020 & 2019