Wachau abseits großer Namen

Keine Frage, Winzer wie Franz Hirtzberger, Emmerich Knoll oder F. X. Pichler haben entscheidend dazu beigetragen, dass die Wachau heute weinimagemäßig ziemlich unangefochten an der Spitze der heimischen Weinregionen steht. Doch es gibt auch ein Leben jenseits der großen Namen, wie unsere Probe zeigt.

Wachau abseits großer Namen

Text von Michael Prónay Foto: Lukas Beck
Was soll man über die Wachau – den Donauabschnitt zwischen Melk und Krems – sagen, was nicht schon längst gesagt worden ist? Dass "sauer wie ein Wachauer" ein Spruch aus den 1950er Jahren ist, der längst in die Mottenkiste gewandert ist? Dass die "Grand Old Men" Franz Hirtzberger senior, Willi Schwengler (damals Chef der Freien Weingärtner in Dürnstein) und Franz Prager im Jahr 1983 den Schutzverband "Vinea Wachau Nobilis Districtus" gegründet haben? Dass der Leichtwein "Steinfeder" (bis 11% Alkohol) mit dem Jahrgang 1984, "Federspiel" (11,5 bis 12,5%) und "Smaragd" (12,5% und mehr) hingegen mit dem Jahrgang 1986 erstmals ans Licht der Öffentlichkeit traten? Dass in der Wachau knapp 1.400 Hektar unter Reben stehen?
Genug der rhetorischen Fragen, schauen wir uns die Rebsortenstatistik ein wenig genauer an. Die letzte Weingartenerhebung der Statistik Austria stammt aus dem Jahr 1999, aber im Großen und Ganzen sind die Zahlen nach wie vor aktuell. Wenig überraschend führt der Grüne Veltliner mit 710 Hektar (51% der Rebfläche), gefolgt vom Riesling mit 185 ha (13%). An dritter Stelle folgt der totgeschwiegene Rivaner vulgo Müller-Thurgau mit 125 ha oder 9%. Die Nummer vier ist überraschenderweise Zweigelt (95 ha/7% – der Rotweinanteil in der Wachau liegt insgesamt bei über 10%), auf Platz fünf liegt mit 80 ha (knapp 6%) die alte Traditionssorte Neuburger, die nicht zuletzt deshalb beliebt war, weil sie mit großem Abstand die trockenheitsresistenteste Sorte ist, was in den Terrassenlagen in der Zeit, bevor die Bewässerungen installiert wurden, einen nicht zu unterschätzenden Vorteil bedeutete.
Knappe zwei Drittel der Wachauer Rebfläche – mit steigender Tendenz – entfallen also auf die Sorten Grüner Veltliner und Riesling. Mit diesen beiden Sorten hat sich die Wachau ihr Renommee redlich erarbeitet, und so ist es auch nicht verwunderlich, dass wir uns an sie gehalten haben. Wir haben also ein gutes Dutzend Winzer abseits der großen Namen gebeten, uns je einen Riesling und Grünen Veltliner zu schicken, trocken oder halbtrocken, wahlweise aus dem Jahrgang 2006 oder 2007. Elf Winzer sind unserer Bitte nachgekommen, 22 Weine haben wir – wie immer blind – in Sortengruppen nach aufsteigendem Alkohol verkostet. 15 Weine waren aus dem Jahr 2006, 7 jüngere 2007er. Sieben Federspiele waren dabei und zwölf Smaragde. Ein Wein – die Riesling-Selektion aus dem Hause Schneeweiß – war halbtrocken und somit kein Smaragd; die beiden Weine vom Tegernseerhof in Loiben dürfen die Vinea-Bezeichnungen nicht tragen, weil der Betrieb – wegen seines nicht ganz unbedeutenden Weingartenbesitzes außerhalb der Wachau – nicht Mitglied der Vinea Wachau sein kann, weil diese vorschreibt, dass ausschließlich Wachauer Wein in den Kellern verarbeitet werden darf. Kleinere Ausnahmen sind zulässig, so darf Emmerich Knoll seinen Wein vom Pfaffenberg, der in Krems liegt, daheim in Loiben verarbeiten. Weinrechtlich ist der Pfaffenberg nicht mehr in der Wachau, auch wenn die reine Urgesteinslage geografisch wie geologisch eindeutig der Wachau zurechenbar ist. Im Gegenzug sind Vater Franz und Junior Martin Mittelbach mit ihrem Tegernseerhof das jüngste Mitglied bei den "Traditionsweingütern", jenem Verein, der im Kamptal gegründet wurde und sich inzwischen ins Krems- und Traisental, an den Wagram und nunmehr auch in die Wachau ausgedehnt hat.
Seit dem Jahrgang 2006 sind endlich auch Glas- und Drehverschlüsse für Smaragde zugelassen, und es ist höchst erfreulich anzumerken, dass Letztere bereits die Mehrheit in unserer Probe stellten.

Glossar
DI Diam-Kork (mit Fehlerfreiheitsgarantie)
DV Drehverschluß
GL Glasverschluss
NK Naturkork
PK Presskork
PL Plastikstöpsel
TT Twin-Top-Kork, Presskork mit Naturkorkscheiben an den Enden

Grüner Veltliner

93 Johann Bäuerl, Joching, 2006 Smaragd Stein am Rain 14%, NK
Wow! Herrlicher Stoff, saftige Dichte, wunderschöne Fülle, dabei herrlich strahlende Balance, Veltliner und Wachau at its very best.
92 Wolfgang & Waltraud Bäuerl, Loiben, 2006 Smaragd Loibenberg 13,2%, NK
Wow! Herrlich dichte, saftige, tolle Aromatik, der Jahrgang lässt sich nicht verleugnen; absolut toller Stoff, der Zuckerrest (6,6 g) perfekt eingebunden, ganz groß.
90 Franz Gritsch, Mauritiushof, Spitz, 2006 Smaragd Singerriedel 14,5%, NK
Wow! Herrliche reife, dichte, tiefe Fruchtfülle, wunderschön exotisch angehaucht; wunderschön feine, reife, tiefgründige Frucht, saftig und üppig, ein Wein für die Ewigkeit.
90 Winzerhof Haiderer, Unterbergern, 2007 Federspiel Süssenberg 12,5%, DV
Ein wenig verhalten in der zartwürzigen Aromatik; am Gaumen ausgesprochen stimmig, wunderschön feine Balance, herrliche Grapefruitwürze, feine Mineralik, ganz ausgezeichnet.
90 Weingut Schneeweiss, Weissenkirchen, 2007 Federspiel Terrassen 12,5%, NK/DV (Unsere Probeflaschen waren verkorkt.)
Herrlich feine, dabei unspektakuläre, aber dennoch präsente Würze; wunderbar saftiger Biss, klar und blitzsauber, ruhiger Trinkfluss, sehr fein.
89 Rupert & Erika Gritsch, Spitz-Radlbach, 2007 Federspiel Setzberg 12,5%, DV (füllfertige Fassprobe)
Recht verhalten in der Nase; am Gaumen aber wunderschön aufgehend, geschmeidige, dabei aber auch blitzsaubere und klare Frucht, sehr fein.

89 J. Höllmüller, Joching, 2006 Smaragd Pichlpoint 13,5%, DV
Verhalten, geht mit Luft im Glas wunderschön klassisch auf; saftige, aber ein wenig weiche Fruchtfülle, dafür sehr lang im Abgang, Zukunft.
89 Tegernseerhof Mittelbach, Loiben, 2006 Höhereck 14%, DV
Wunderschön dichte, saftige, präsente Nase; auch am Gaumen dicht und strahlend, fast mollig in der Anmutung, viel Stoff, aber irgendwie fehlt das letzte Spitzel zum Superwein.
Johann Donabaum, Spitz-Laaben, 2006 Smaragd Limitierte Edition 15,3%, NK (Magnum)
Goldgelb; enorm hohe Reife, ein Hauch Marilleneis, aber dennoch noch völlig embryonal; weiche, dichte, üppige Fülle, ein Monster von einem Wein, der im Moment in Wahrheit noch gar nicht abschließend zu beurteilen ist, tolle Länge, derzeitige Trinkbewertung 88/89, aber mit Zukunftspotenzial für weit in die 90er hinein.
88 Andreas Lehensteiner, Weissenkirchen, 2007 Federspiel Terrassen Weissenkirchen 12%, DV
Feines Pfefferl, klassisch, kühl, richtig "crispy", wie man in England sagen würde; saftiger, frischer Biss, ein wenig weicher als erwartet, trotzdem sehr süffig und fein.
88 Erich Machherndl, Wachau, 2007 Federspiel Kollmütz 12,6%, DV
Zarte Eisbonbon-aromatik; hübscher Fruchtbiss, eher leichtgewichtig, sehr zugänglich, ein richtiger Schmeichler.

Riesling

95 Rupert & Erika Gritsch, Spitz-Radlbach, 2007 Smaragd Tausendeimerberg 13%, NK (füllfertige Fassprobe)
Wow! Herrlich strahlende, wunderschön tiefgründige, auch mineralisch fokussierte Steinobstnase; saftig-klare, unglaublich präsente und ausdrucksstarke Frucht, absolut brillant, ganz großer Stoff.
94 Johann Bäuerl, Joching, 2006 Smaragd Pichl Point 13,5%, DV
Ein wenig verhaltenere, nichtsdestowenig komplexe Nase, braucht merklich noch Zeit; am Gaumen explodiert die herrlich strahlende Frucht, wunderschöner Biss, feinst passende Säure, brillanter Stoff, ganz groß.
93 Weingut Schneeweiss, Weissenkirchen, 2006 Achleiten Selektion halbtrocken 14%, NK
Erste Flasche Korkschleicher. Wunderschön klare, feine, dichte Steinobstfrucht; saftiger Fruchtbiss, herrlich strahlend, ganz toller Wein nach jedem Maßstab – und die 11,2 g/l Zuckerrest waren beim ersten Kosten nicht einmal zu schmecken.
92 Wolfgang & Waltraud Bäuerl, Loiben, 2006 Smaragd Kellerberg 13,3%, NK
Zarte, ätherische, aber dennoch sehr ziselierte und feingliedrige Steinobstnase; wunderschöne klare, transparente Frucht, feinst knackig, saftig und klar, ganz ausgezeichnet.
91 Johann Donabaum, Spitz-Laaben, 2006 Smaragd Setzberg 14%, NK/DV
(Unsere Probeflaschen waren verkorkt.)
Feine, saftige Steinobstfrucht; wunderbar klare, dichte, saftige Frucht, schöne Fülle, saftig und würzig, macht von A bis Z Freude.
90 Franz Gritsch Mauritiushof, Spitz, 2006 Smaragd 1000-Eimerberg 14%, NK
Exotische, eindeutig an Muskat erinnernde Hollerblütenaromatik, dazu ein Hauch Marillenblüten; wunderschöne Substanz, kraftvoller Körper, saftig, schöner Biss, aber viel zu jung.
90 Andreas Lehensteiner, Weissenkirchen, 2006 Federspiel Terrassen Weissenkirchen 12,5%, DV
Feine Fülle, Hauch von Grammelschmalz (was nicht negativ zu verstehen ist); geht am Gaumen wunderschön auf, saftig-kerniger Biss, Wachau pur, strahlt schon, wird aber mit zwei, drei Jahren Flaschenlager jedenfalls besser.
90 Erich Machherndl, Wachau, 2006 Smaragd Steinterrassen 13,6%, NK
Feine, klare, klassische Steinobstnase, ausdrucksstark und dicht; weiche, aber gut konturierte Fülle, guter Druck, saftig, kerniger Biss, derzeit vielleicht ein wenig abweisend, dennoch aber ausgezeichnet.
90 Tegernseerhof Mittelbach, Loiben, 2006 Kellerberg 13,5%, DV
Saftige, dichte tiefe Steinobstaromatik, dazu ein Hauch von Limetten und Zitronengras; saftige, klare, feste, feine Frucht, ein Modellriesling.
88 Winzerhof Haiderer, Unterbergern, 2007 Federspiel Donauleiten 12,5%, DV
Lindenblüten und eine wunderschöne Steinobstfrucht; wunderbar klare, saftige, herzhafte Frucht, feine Fülle, elegant, süffig, ein richtig burschikoser Typ.
88 J. Höllmüller, Joching, 2006 Smaragd Pichlpoint 13%, DV
Zart gerüchig; am Gaumen aber sehr präsent, sehr knackig und frisch, ein recht burschikoser, aber deshalb nicht minder trinkenswerter Wein.