Wenn Weine vibrieren

Die aktuellen Grünen Veltliner sorgen für ein kleines Erdbeben. Sie sind so gut, dass die Verkoster die Qualitäten als positive Vibrationen empfinden.

Text & Verkostung von Willi Balanjuk

Die diesjährige A la Carte-Grüner-Veltliner-Grand-Cru-Verkostung hatte wirklich alles zu bieten. Rund 600 Weine aus den Jahrgängen 2023, 2022 und 2021 (plus einige 2020er) veranschaulichen eindrucksvoll das gesamte Spektrum dieser Rebsorte.

Die Mehrheit der Weine wurde in der Kategorie 2023 Grüner Veltliner fruchtbetont, elegant und „Klassik“ verkostet. Die eingereichten 276 Weine präsentieren sich einladend „fruchtig-würzig“ bis hin zu aromatisch, tief und komplex. Der Jahrgang 2023 hatte es aber auch in sich. Kühl und ausreichende Wasserversorgung zu Beginn, worauf eine lange Trockenperiode mit hohen Temperaturen folgte und viele Winzer den Jahrgang schon als verloren einschätzten. Gegen Ende August kamen die Niederschläge, der Vegetationsstillstand wurde rasch wettgemacht und die Erwartungshaltung der Winzer änderte sich. Nachdem auch die Wetterbedingungen für die Lese nahezu ideal waren – trocken und gute Abkühlung in den Nächten –, passten alle Parameter für einen großartigen Jahrgang. Regional waren die Unterschiede jedoch größer, als vorerst gedacht. Die Erntefenster waren für manche Regionen und Winzerstile größer, für andere sehr eingegrenzt, da die Endreifung in manchen Lagen sehr schnell erfolgte.

Die Kategorie 2023 Grüner Veltliner gehaltvoll, Smaragd oder Reserve war mit 110 Weinen vertreten. Da viele Weine des Jahrgangs noch in den Fässern liegen, waren einige Fassproben darunter, aber auch viele schon gefüllte Topweine. Diese Kategorie offerierte viele Spitzen-Grüne-Veltliner, aber auch einige unbalancierte Weine, geprägt von zu geringer Säure und hohem Alkoholgehalt. Die Spitzenweine kommen aus allen Herkunftsregionen. „Die besten 2023 Grünen Veltliner vibrieren“, war der Kommentar eines Topwinzers. Dieses Statement kann ich nur unterstreichen.

In der Kategorie 2022 Grüner Veltliner fruchtbetont, elegant und „Klassik“ waren 26 Weine eingereicht. Die besten Weine verfügen über großes Potenzial. Die 2022er zeichnen sich durch reife, gelbe Fruchtaromen (Zesten, leicht kandierte Noten, Melone und Nashi-Birne) aus. Die Weine sind stoffig, balanciert mit gut stützender Säure und feinem Gerbstoff. ­Einige Weine sind noch verschlossen, werden sich aber toll entwickeln.

Das gilt auch für die 2022 Grünen Veltliner gehaltvoll, Smaragd und Reserve. In dieser Kategorie wurden 104 Weine degustiert. Die Usual Suspects hatten die Nase vorn, und während manche Weine verschlossen waren, präsentierten sich die Grand-Cru-Weine in Bestform. Mein Tipp: Trinken und genießen Sie bei den gehaltvollen GV-Varianten sowohl 2023 als auch 2022 vor dem 2021er.

Der Jahrgang 2021 – hier wurden 81 Weine verkostet – zeigte sein Qualitätspotenzial: Viele der Grand-Cru-Weine werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren an Komplexität gewinnen und gehören in den Keller jedes Weinkenners. Vereinzelt waren auch Weine aus 2020 eingereicht. Dieser Jahrgang beginnt sich gerade zu öffnen und ist vielleicht mit dem 2022er zu vergleichen. Balancierte, lebendige Textur mit gutem Körper.

Zusammenfassend zeigte der Grüne Veltliner in den leichteren Versionen des Jahrgangs 2023 intensive, offene Fruchtaromen und vereinzelt auch „grüne Noten“. Sehr oft wurden zarter Gerbstoff oder diese ­Unreifenoten mit etwa Restsüße abgepuffert. Das macht die Weine einladender und erlaubt der Rebsorte, auch als universeller Speisenbegleiter zu agieren – vom Pilzrisotto über Fusionsgerichte bis hin zum Wiener Schnitzel mit Preiselbeeren. Der Jahrgang 2022 wird wahrscheinlich oft verkannt und unterschätzt. Dennoch ist die selektierte Qualität der Weine in allen Regionen sehr hoch. Die Jahrgänge 2023, 2022 und 2021 präsentieren sich sehr unterschiedlich. Sowohl 2023 als auch 2022 offerieren Vielschichtigkeit, eine zugängliche Frucht und Balance, die sich bei vielen 2021ern erst in den nächsten fünf Jahren zeigen werden. —

Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten Weine jeder Kategorie in einer Blindprobe von einer Fachjury bewertet.

Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Benjamin Mayr (Del Fabro-Kolarik), Johannes Tremel (Weinhandel) und der Autor.

Zu den Bewertungen:
1. Kategorie: 2023 Grüner Veltliner fruchtbetont, elegant und „Klassik“
2. Kategorie: 2023 Grüner Veltliner gehaltvoll, Smaragd oder Reserve
3. Kategorie: 2022 Grüner Veltliner fruchtbetont, elegant und „Klassik“
4. Kategorie: 2022 Grünen Veltliner gehaltvoll, Smaragd und Reserve
5. Kategorie: Grüner Veltliner Jahrgang 2021