Wurzelwerk & Winzersbeitrag
Grenzen ausloten - ein Privileg der Jugend. Aus dem Wunsch gemeinsam und voneinander zu lernen, zu experimentieren und Antworten auf ihre Fragen zu finden haben drei Winzer jeweils eine kleine Menge ihrer besten Trauben getauscht und ein spannendes Prokelt initiiert.
Text von Willi Balanjuk Foto: Kaimueller.eu
Während seiner Geisenheimzeit führte Albin Jurtschitsch unzählige "Terroir"-Diskussionen mit jungen deutschen Kollegen. Die Frage, wie man den Begriff hinterfragen, erklären und im Wein ausdrücken kann, führte zu den unterschiedlichsten Ideen. Boden, Klima und der menschliche Faktor prägen zu unterschiedlichen Anteilen diesen Terminus. Die vier jungen Winzer – Max von Kunow (Weingut von Hövel, Saar), Johannes Hasselbach (Weingut Gunderloch, Rheinhessen) und Stefanie und Albin Jurtschitsch (Kamptal) übernahmen fast zur selben Zeit die elterlichen Betriebe und damit drei Weltklasse-Riesling-Lagen – Scharzhofberg, Rothenberg und Heiligenstein! Kurz vor der Lese 2012 wurde bei einem gemeinsamen Spaziergang in den Weingärten, die Idee des Traubentauschs geboren. Vier Wochen später wechselten die Trauben (eingemaischt) ihre Besitzer. Es wurden ausschließlich gesunde Trauben ohne Botrytis verwendet. Um die Ergebnisse nicht durch den Ausbau zu verfälschen, wurde er auf allen Weingütern ident durchgeführt: 13 bis 15 Stunden Maischestandzeit, Spontanvergärung im Stahltank, ähnliche Niveaus, die Weine zu schwefeln etc. Die Gärung verlief aber im Weingut von Hövel vollkommen anders als bei Gunderloch und Jurtschitsch. Sie dauerte über ein halbes Jahr, was durch den kälteren Keller an der Saar öfter vorkommt. Mit den Fragestellungen „Wie stark ist der Charakter der Lage?“ und „Wie groß ist der Einfluss des Winzers“ produzierte jeder der Winzer drei Weine. Es gibt also vom Jahrgang 2012 drei Interpretationen der jeweiligen Lagen. Findet man einen gemeinsamen Nenner der Lage in jedem der drei Weine? Albin Jurtschitsch erzählt, das er vor dem Projekt – den Terroirbegriff in einer Aufteilung von 30 % Boden und Klima und rund 70 % menschlicher Faktor, sprich Wahl des Standortes, Auspflanzung, Rebmaterial usw., gesehen hätte. Nach dem ersten Jahrgang würden seine Frau Stefanie und er eine weitere Dimension hinzufügen – die „Keller-Aura“ – gemeint ist damit das immer selbe Fass, in dem ein Wein gekeltert wird, die Position der Fässer, die Hefen und Bakterienkulturen im Keller usw. Dieses Projekt soll in Zukunft mit der Hochschule Geisenheim koordiniert werden, um daraus vielleicht wissenschaftliche Erkenntnisse zu ziehen.
A la Carte hatte das Vergnügen, die neun Weine mit dem Ehepaar Jurtschitsch zu verkosten. Das Resumée: In dieser jugendlichen Phase der Weine zieht sich der Stil von Von Hövel klar und wiedererkennbar in allen Weinen durch. Durch das lange Gären wirken die Weine von Von Hövel verschlossener und straffer. Bei den Gunderloch- Interpretationen ist die Handschrift des Winzers weniger erkennbar und die zwei opulenteren Lagen Rothenberg und Heiligenstein wirken zugänglicher als der Scharzhofberg. Die Keller-Aura im Hause Jurtschitsch ist durch eine kühle Fruchtnote in allen Weinen ausgedrückt, aber nicht als klar zuordenbare Kellerstilistik. Die Weine veränderten sich sehr stark im Glas und daher ist die obige Beschreibung eine Momentaufnahme.
Produziert wurden insgesamt 400 Boxen à neun Flaschen. Zu beziehen sind die ausgewöhnlichen Terroirweine über die Weingüter. Drei
große Lagen aus verschiedenen Perspektiven entdecken.
Fazit: Großartiges „europäisches“ Projekt, das alle Hindernisse der Distanzen und gesetzlichen Rahmenbedingungen überwindet. Imponierend daran ist auch die nicht risikoscheuende Herangehensweise und dass ein Winzer jemanden anderem seine besten Trauben gibt, um voneinander zu lernen.—
Schatzberg
(1/9) von Hövel
Offene saftige Frucht, gute Würze, am Gaumen Grapefruitnoten, straff, sehr dezente Frucht, verschlossen, guter Ansatz, Mineralität. Klare Saar-Charakteristik, Hefe, Schiefer.
Schatzberg
(2/9) Gunderloch
Offene saftige Frucht, reifer Pfirsich, straffe Textur, etwas präziser, feine Mineralität, gute Länge, klarer Wein.
Schatzberg
(3/9) Jurtschitsch
Offene Fruchtnoten, reife Frucht, Marille, Pfirsich, gute Textur, frisch, nuanciert, einladend, lebendigster Wein, zarte Mineralität, leichter Frucht-Schmelz.
Rote Berg
(4/9) von Hövel
Offene saftige reife Frucht, etwas dumpfe Noten, am Gaumen stoffiger Wein, leichte Würzenoten, blättrig, straff im Finish, reife Frucht und Mineralität.
Rote Berg
(5/9) Gunderloch
Saftige, offene reife Frucht, einladende, sehr präzise Frucht, cremige Noten, am Gaumen saftig und stoffiger Wein, weiche Textur, nuancierte Frucht, süßer Fruchtschmelz.
Rote Berg
(6/9) Jurtschitsch
Helle, kühle, reife Fruchtnoten, weichere Textur als von Hövel, aber straff, lebendig und stoffiger Wein mit feiner Mineralität, gute Länge.
Heilige Stein
(7/9) von Hövel
Kühle, klarer Weingartenpfirsich, straffer Wein, mittlerer Körper, vibrierender Wein, gute Länge, mineralisch.
Heilige Stein
(8/9) Gunderloch
Komplexe Nase, Frucht, Einlegegewürze, süß-sauer, stoffiger Wein, weichere Textur, süßer Fruchtschmelz am Gaumen.
Heilige Stein
(9/9) Jurtschitsch
Offene Stilistik, sehr reife Frucht, nuanciert, am Gaumen körperreich, geht gut im Finish zusammen, wird dicht und mineralisch.