Zart und entschlossen

Matthias Warnung zeigt, wie man ohne ultramodernes Equipment Weine produzieren kann, die staunen machen. Dabei lässt er auch die oft unterschätzten Sorten Blauer Portugieser und Müller Thurgau glänzen.

Text von Christina Fieber Foto : Matthias Wartung/Regina Hügli

Steigt man in den neuen Weinkeller von Matthias Warnung hinab, glaubt man, im Bauch eines Wals gelandet zu sein. Es ist dunkel, lediglich einige wenige nackte Glühbirnen sorgen für schummriges Licht im weitläufigen Gewölbe, das unterhalb der Weingärten verläuft.

Der neue Keller ist eigentlich gar nicht neu, sondern 400 Jahre alt. Warnung hat ihn vor einiger Zeit erworben. Ein Schatz, wie er meint. Er fühlt sich sichtlich wohl in dem alten Gemäuer – anders als die meisten seiner ­Kollegen will er keine neue, ultramoderne Produktionsstätte, sondern vorhandene Strukturen nutzen. Kein Ort, der sich für Hochtechnologie eignet, aber darauf kann der Winzer ohnehin verzichten.

„Hier herrscht Ruhe“, und das sei ihm das Liebste. Sein Gesicht ist schmal und blass – ganz offensichtlich hat er zuletzt viel Zeit hier unten verbracht. Noch ist nicht alles fertig. Er ist jemand, der nicht gerne viel „herumscheißt“, wie er es nennt, lieber holt er aus dem Gegebenen das Beste heraus. Ein Pragmatiker.

Was unspektakulär klingt, ist in Wirklichkeit eine Erfolgsgeschichte: Vor zehn Jahren stieg er mit gerade einmal 22 in den Betrieb ein, und heute ist der Winzer aus Etsdorf in der internationalen Naturweinszene eine fixe Größe. Seine Weine sind in der ganzen Welt verstreut. Viel Aufheben macht er darum nicht. Matthias Warnung ist nicht jemand, der sich inszeniert, er ist aber auch kein schweig­samer Einzelgänger. Er wirkt offen, unverstellt und strahlt trotz seiner Jugend eine gewisse Ge­lassenheit aus.

Keiner, der sich stressen lässt: Er besitzt kein Smartphone, und auch nach einer Website sucht man vergeblich. Die Einladungen seiner zahlreichen Händler lehnt er meist höflich ab, er sieht es nicht als die vordringliche Aufgabe eines Weinmachers, ständig in der Welt herumzujetten. Lieber geht er in den Weingarten.

Warnung arbeitet in seinem eigenen Rhythmus, nach seinen eigenen Vorstellungen. Und die sind oft ganz anders, als sonst bei Winzern üblich: Statt zu expandieren will er Rebflächen abstoßen, sie auf eine für ihn stimmige Größe reduzieren. Auch wenn er gerade einmal zwölf Hektar bewirtschaftet.

Er möchte in alle Arbeitsabläufe eingebunden sein. Auch bei der Lese sei er fast immer mit seinen Leuten draußen. Er kennt sie alle gut und weiß, wie wichtig es ist, sie zu motivieren. Wird die Lese vergurkt, war die ganze Arbeit im Weingarten ­umsonst. Passe hingegen die Qualität, muss auch nicht mehr manipuliert werden. Es sei ja alles schon da.

Bevorzugt arbeitet er mit großen langlebigen Holzfässern: „Die kann man ewig verwenden, und sie geben immer noch Gerbstoffe an den Wein ab“, sagt er und tätschelt ein 50 Jahre altes Fass, als wäre es ein lieb gewonnener Gaul. Er findet die Materie Holz spannend. Es spreche mit dem Wein.

Bewirtschaftet wird, was in den Weingärten seit jeher wächst. Und das sind eben nicht nur Riesling und Grüner Veltliner, sondern neben gemeinem Welschriesling und Zweigelt auch Underdogs wie Müller Thurgau und Blauer Portugieser – allseits geschmähte Rebsorten, denen von Kennern jeg­liche Klasse abgesprochen wird. Sorten, die üblicherweise als Billigware im Doppelliter landen oder gleich ausgerissen werden. Bei Warnung hingegen laufen sie zur Hochform auf: Sein Portugieser kommt von über 60 Jahre alten Rebstöcken, denen er beste biologische Behandlung angedeihen lässt. „Ich bewerte Rebsorten nicht“, sagt er. „Wenn ich all meine Energie in die Weingärten reinstecke, warum soll da nichts Gutes draus werden?“

Es ist sogar etwas sehr Gutes daraus geworden: ein zarter, zurückhaltender Rotwein, der keineswegs schlicht daherkommt – nur feiner gewoben. Die Vielschichtigkeit liegt im Detail, die Größe in der Finesse. Das mag Warnung an der Sorte. Da müsse man nichts aufmotzen.

Die alten Weinanlagen sieht er als Kapital. Wenn es nicht sein muss, wird auch nichts ausgerissen. Lieber setzt er selbst wieder Edelreiser aus – aus alten Anlagen, versteht sich. Er glaubt an traditionelles Hauerhandwerk, nicht aus Sentimentalität, sondern weil es ganz einfach funktioniert. „Altes Wissen ist vielfach verloren gegangen, weil die Bauern mit dem Einzug von Technik und Chemie die Verantwortung abgaben und somit die Fähigkeit, selbst zu denken“, glaubt er.

Auch Müller Thurgau begegnet er vorurteilsfrei. Er mag den Weingarten. Im Keller erhält er eine sanfte Maischegärung, sie gibt ihm einen Hauch Gerbstoffe und Würze. Nichts soll sein Wesen verstellen. Es ist, was es ist. Und es ist gut.

Dennoch sieht er sich nicht als Retter diskriminierter Sorten, sie sind halt einfach schon da. Auf den internationalen Märkten schere sich ohnehin keiner um Rebsorten. Der Wein müsse gut und spannend sein und Charakter haben; egal, ob es sich dabei um Riesling oder Müller Thurgau handelt. Das ganze Getue um Rebsorten-Typizität nerve ihn ohnehin: „Am Ende werden sie ja ohnehin meist so hergerichtet, dass sie alle gleich schmecken“, meint er.

Seine Weine werden spontan vergoren, zu nichts genötigt und möglichst frei belassen. Das Loslassen sei für ihn ein Lernprozess gewesen, denn er sei schon sehr penibel. Aber Naturwein sei halt nichts für Kontrollfreaks. Man müsse bereit sein, das Ruder auch mal aus der Hand zu geben, die Weine ihren eigenen Weg gehen zu lassen und nicht korrigierend einzugreifen, wenn sie eine schwierigen Phase durchlaufen: „Ich habe aufgehört, andauernd zu kosten, das würde mich nur nervös machen“, verrät er sein Rezept gegen Kontrollzwang.

Ein Zugang zum Wein, den er erst lernen musste. Nach der Schule arbeitete er bei Markus Huber, dazumal als heimisches Nachwuchstalent gehandelt. Im Winter ging er dann auf Reisen. Vor allem Südafrika prägte ihn. Er landete in Swartland bei Craig Hawkins, einem heute gefeierten Star der Naturweinszene. Der übernahm damals gerade das Weingut seiner Schwiegereltern und setzte die Flaggen auf Revolution: biologische Bewirtschaftung und low intervention im Keller. Warnungs Bild von guten und bösen Weinen wurde über den Haufen ­geworfen. Was er in der Weinbauschule gelernt hatte, galt hier nicht mehr. Nicht selten habe er sich gefragt, was die da eigentlich machten. Statt akribischer Planung herrschte Improvisation – eine Herausforderung für den Jungwinzer. Aber es sei diese Passion von Hawkins gewesen, die ihn infizierte. Ständig wurde ­verkostet und leidenschaftlich über Weine diskutiert. Sei er vorher ein stiller Charakter gewesen, wurde er in Südafrika gezwungen, sich zu öffnen. Die ­Offenheit aus jener Zeit ist ihm geblieben.

Sechs Winter (dort Sommer und Lesezeit) verbrachte er dann noch bei Craig Hawkins, begleitete den Niedergang des alten Weinguts und die Geburt von Testalonga, dem neuen Betrieb. Danach werkte er noch bei Tom Lubbe von Matassa, auch er ein Guru der Naturweinszene.

Entsprechend aufmunitioniert, etablierte er derweil im väterlichen Betrieb eine eigene Weinlinie. Er pachtete zwei alte Anlagen und sorgte gleich mit seinem Debüt-Jahrgang für Staunen: einem maischevergorenen und einem traditionell ausgebauten Grünen Veltliner, die offenbarten, wie schlank und filigran die Sorte sein kann, ohne an Struktur einzubüßen. Eine Stilistik, die sich seither durchzieht – geradlinige Weine ohne Strenge, zart und entschlossen. Weine, die nichts erzwingen, die bei sich sind und trotzdem schweben.

Draußen arbeitet er biologisch, drinnen auf Sparflamme: Die Trauben werden als Ganzes gepresst oder auf der Maische vergoren – spontan. Danach bleiben sie für eine ganze Weile auf der Vollhefe, ohne dabei gestört zu werden. Auf der Vollhefe holt sich der Wein alles, was er in seinem späteren ­Leben braucht. Unfiltriert werden sie mit einer Mini-Schwefelmenge abgefüllt.

Neben den Einzellagenweinen, der Crème de la Crème sozusagen, gibt es nicht minder be­gabte Ortsweine aus Etsdorf, den Namen darf er jedoch nicht am Etikette angeben. Seine ersten ­Weine entsprachen nicht den Vorstellungen der Prüfkommission und wurden daher nicht als „Qualitätsweine“ klassifiziert. Das mag bei dieser Qualität erstaunen, allein, Matthias Warnung braucht es nicht zu kümmern. Er verkauft seine Weine auch so und verzichtete von nun an sogar freiwillig auf die Prüfnummer. Er nennt sie einfach „Espere“, also nach dem alten Namen von Etsdorf.

Der Grüne Veltliner Espere hat die feine Klinge eines japanischen Filetiermessers. Seine Kraft liegt in der Finesse. Es gibt unter dem Namen auch einen ziemlich außergewöhnlichen Zweigelt Rosé mit der Struktur eines ganz großen Rotweins – ohne dessen ausladenden Gestus freilich.

Eigentlich gefällt ihm die Bezeichnung Espere ganz gut, sie erinnert an das französische „j’ espère“, „ich hoffe“ – trägt doch auch jeder neue Jahrgang eine Hoffnung in sich.

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