Zeitlos gut

In den letzten Jahren war aus dem Weinviertel hauptsächlich von jungen, frischen DAC-Veltlinern die Rede. Dass die Region wesentlich mehr kann – auch im reiferen Segment –, bewies "Österreichs Geheimwaffe auf dem Welt-Weinmarkt" (© David Schildknecht, Robert Parkers Mann für Österreich) auf das Eindrucksvollste.

Zeitlos gut

Text von Michael Prónay Foto: R. Lichtenecker
Um den Beweis anzutreten, ließen wir also Mag. Ulrike Hager, die Geschäftsführerin des Weinkomitees Weinviertel (die übrigens jedermann praktisch ausschließlich als Ulli bekannt ist) die Qual der Wahl. 26 Weine waren es schließlich, die wir einer äußerst beeindruckenden Blindprobe unterzogen haben: 14 trockene Weiße (10 Grüne Veltliner, 3 Rieslinge, 1 Sauvignon), 8 rote (je 2 Zweigelt und Blauburgunder, je 1 Syrah, Merlot und Cuvée, 1 ohne Sortenangabe) und 4 süßere (je ein Veltliner, Riesling, Gewürztraminer und Chardonnay). Die Jahrgänge reichten von 2006 bis 1996 zurück. Ein Wein, der 1996er Grüne Veltliner von Graf Hardegg, korkte und wir hatten nur eine Flasche zur Verfügung, sodass 25 Weine hier abgedruckt sind.
17 davon erreichten 90 und mehr Punkte, was selbst angesichts der Tatsache, dass Ulli Hager ja wohl Topweine von Topbetrieben ausgesucht hat, ein ausgezeichnetes Ergebnis darstellt. Was uns ganz besonders überrascht hat, war die häufig anzutreffende absolute Zeitlosigkeit der Weine mit drei, vier und mehr Jahren auf dem Buckel. Natürlich kennt man das Phänomen aus Regionen mit einem traditionell höheren Renommee – wir denken an die Wachau, Kamp- und Kremstal oder die Ther-menregion –, dass es aber auch im Weinviertel so geballt aufzutreten in der Lage ist, hat denn doch überrascht. Ebenfalls auffällig: die hohe Qualität ist nicht auf trockene Weiße beschränkt, auch im roten wie im süßeren Segment vermochten die Weine mehr als zu gefallen. Glückwunsch!

Die Probe
Die Weißweine wurden in Sortengruppen nach aufsteigendem Alkoholgehalt gekostet, die roten ebenfalls nach Alkohol geordnet, die Süßen nach ansteigendem Zuckerrest. Die Verkostung erfolgte wie immer blind, nur Sorte, Jahrgang und Alkoholgehalt waren bekannt. Es verkosteten Sandra Büchler (Diplom-Sommelière, Wien) und der Autor.

Die Bewertung

Weiss
94 Graf Hardegg, Seefeld-Kadolz
2001 Riesling Steinbügel, 13%, NK
Herrlich-klassische, ungemein intensive Steinobstfrucht, praktisch zum Hineinbeißen, rauchig-petrolige, aber ungemein harmonische Komponenten, ein absolutes Prachtstück.
93 Weingut Taubenschuss, Poysdorf
2003 Grüner Veltliner MX Alte Reben, 13,5%, NK
Herrlich dichte und intensive Nase, Raffaello, weiße Schokolade (aber kein Holz!); herrlich vielschichtige Fruchtfülle auch am Gaumen, fast mollig, dabei aber unheimlich süffig, brillant.
92 Graf Hardegg, Seefeld-Kadolz
2004 Riesling Steinbügel, 13%, NK
Ungemein feine Steinobst-Schmeichelnase; feine Zuckerwatte, auch Brioche und Bratapfel, überaus engmaschiger, dabei aber trinkiger Riesling.
92 Ewald Gruber, Röschitz
2003 Grüner Veltliner Weinviertel DAC Selection, 13%, NK
Feines Gelb; zart medizinalische Noten, dann auch exotische Gewürze (Chili, Curry, Cayennepfeffer); am Gaumen wiederum zeitlos-reife Apfel-Quitten-Frucht, extraktsüß und füllig, keine Spur zu weich, mineralisch ausklingend.
91 Rudolf Fidesser, Platt
2004 Sauvignon Blanc Außerm Holz, 13,5%, NK (Barriqueausbau)
Wunderschöne Nase, Litschi in Konzentration, reife Exotik; auch am Gaumen Mango und Papaya, das Holz deutlich, aber nicht störend, hochinteressante Variante.
91 Hofbauer-Schmidt, Hohenwarth
2004 Grüner Veltliner Reserve, 13,5%, DV (Barriqueausbau)
Zarte Holzaromen, Kaffee, Schokolade, dazu fein selchige Elemente; am Gaumen feiner Speck und dunkles Brot, sehnig und engmaschig, dabei durchaus trinkfreudig und fein.
91 Stift-Gschweicher, Röschitz
2000 Grüner Veltliner Exclusiv Spätlese trocken, 13%, NK
Überraschend helle Farbe; zuerst verhalten, dann steinig-kreidig-mineralisch aufgehend; überaus feine, zeitlos lebendige Frucht, Äpfel, Birnen und auch das Pfefferl ist da, ausgezeichnet.
90 Weingut Gschweicher, Röschitz
2006 Grüner Veltliner Primary Rocks, 14,5%, NK
Der Wein braucht deutlich Zeit und Luft, um sich aus der Verkapselung freizuspielen; vielschichtige, durchaus mineralisch terroirbetonte Aromatik, der Alkohol ein wenig neben den anderen Elementen, nicht ganz einfache Phase, hat aber Klasse.
90 NÖ. Landesweingut, Retz
2006 Grüner Veltliner Weinviertel DAC, 13%, DV
Zuerst verhalten, mit Luft dann frisch-pikante Noten freigebend; saftiger Biss, körperreich, aber ausgesprochen harmonisch und zeitlos, Zukunft.
90 R&A Pfaffl, Stetten
2006 Grüner Veltliner Hundsleiten, 13,5%, NK
Saftig-dichte, auch mineralisch angehauchte Fruchtfülle; feiner mineralischer Biss, körperreich und dicht, muskulös, dabei rund und harmonisch.
89 Weingut Diem, Obermarkersdorf
2006 Grüner Veltliner Cayenne (sic!) K. N., 15,5%, DV
Deutliche Aromen vom Holz, Vanille, Nougat und Schoko, die sich von der Nase über den Gaumen ziehen, nicht schlecht, wenn auch kaum Sortenaromatik spürbar.
88 Graf Hardegg, Seefeld-Kadolz
1996 Riesling Kabinett Steinbügel, 12%, NK
Reifer Petrolton, dahinter aber tatsächlich die klassisch gereifte Steinobstnote der Sorte; jahrgangsbedingt mit enormer Säure versehen, die aber keineswegs so stört, wie erwartet, auch ein Hauch Tabak und Tee.
88 Herbert Studeny, Obermarkersdorf
2005 Grüner Veltliner Atschbach, 13%, DV
Reife Apfel-Birnen-Frucht, auch ein wenig erdig angehaucht; auch am Gaumen reife, zart vegetabilisch angehauchte Aromatik, auch Efeu, kräuterwürzig ausklingend.

Rot
92 Weingut Schwarz, Schrattenberg
2003 Grande Reserve, 13,5%, NK
Herrlich offene, hochfeine, verführerische Holz-Röst-Aromatik, dazu feinste Dunkelfrucht; dieselbe verführerische Aromatik auch am Gaumen, fein-fülliger, aber auch gefühlvoller Holzeinsatz, ganz ausgezeichnet.
91 Graf Hardegg, Seefeld-Kadolz
1999 Syrah, 13%, NK
Wunderbare Nase nach schwarzen Oliven, dazu Pfeffer, Myrrhe und ein zarter Maulbeerhauch; am Gaumen kompakte, dichte, völlig zeitlose Frucht, samtige Textur, toller Stoff.
91 Weingut Zull, Schrattenthal
2004 Pinot Noir, 13%, NK
Reife Stachelbeer-Zwetschken-Aromatik, ganz zartes Holz; wunderschön rundes Tannin, feine, sortentypische Beerenfrucht, hochfeiner Pinot.
90 Hofkellerei Fürst Liechtenstein, Wilfersdorf
2003 Selektion Karlsberg Profundo, 13%, NK (Zweigelt)
Zart selchig-rauchige Aromatik mit einem attraktiv-süßlichen Schoko-Rum-Pflaumen-Element vom gelungenen Holzeinsatz, dazu Kirschen und Zwetschken, sehr fein.
89 Graf Hardegg, Seefeld-Kadolz
2000 Merlot, 13,5%, NK
Offen, fein verwobene Würze und zeitlose Frucht; dichte Aromatik, Kräuter und schwarzer Pfeffer, auch Kakao, noch genug Tannin für eine weitere gute Reifung.
88 Christoph Bauer, Jetzelsdorf
2006 Pinot Noir, Gerichtsberg, 13,5%, NK
Transparent-verhaltene, grün-vegetabilische Noten; etwas ungestümes Tannin, hat aber Potenzial. Diese Flasche war merklich nicht in Bestform, im "Guide A la Carte 2009" notiert der Wein mit verdienten 92 Punkten.
88 Weingut Frank, Herrnbaumgarten
2004 Zweigelt Altenberg, 13%, NK
Überraschend jugendliche Kirschfrucht, auch Maulbeeren, Schoko und etwas Nougat; auch am Gaumen jugendlich und trinkfreudig angelegt, gute Säureunterstützung.
86 Anton Schöfmann, Haugsdorf
2005 Hutberg Reserve, 13,5%, NK (CS/ME/ZW)
Verhalten, etwas Kautschuk, Teer und Leder; am Gaumen etwas sperrig mit nerviger Säure (beide Flaschen gleich).


Süss
92 Graf Hardegg, Seefeld-Kadolz
1997 Riesling Auslese süß, 11%, NK
Leuchtendes Gelb; eher dezente Aromatik, steinig, mineralisch, auch kreidig, dahinter kommt zaghaft das Steinobst; am Gaumen kommen Äpfel und Marille und feinst abgestimmte Süße zu ihrem Recht, zart rauchig, wunderschön.
92 RM Roland Minkowitsch, Mannersdorf an der March
2006 Gewürztraminer Auslese lieblich, 13,5%, NK
Wunderbar klare, klassische, blitzsaubere Sortenfrucht, traubig, Rosen, Veilchen und Litschi, überaus attraktiv; herrliche Frucht am Gaumen, wunderschön balancierte, zarte Süße (22 g/l), saftig, cremig, brillant.
92 Rudolf & Anita Schwarzböck, Hagenbrunn
2004 Chardonnay TBA süß, 11%, NK
Leuchtendes Orange; zarte Uhu-Azeton-Nase, die aber nicht stört, dazu herrliche Honigmelone, Banane und Toffee; weich und schmelzig, feines Süße-Säure-Spiel, überaus harmonisch, auf eine feine Marillenrösternote ausklingend.
87 Josef Salomon, Falkenstein
2005 Grüner Veltliner Falkensteiner Rosenberg lieblich, 12,5%, NK
Schon recht gereift wirkende Aromatik, etwas Herbstlaub und Waldboden; am Gaumen Apfelkompott, aber die nervige Säure wird vom dezenten Zuckerrest kaum abgepuffert.