Zeitlose Perlen
Die Vielzahl der österreichischen Burgundersorten zeigt sich in der A la Carte-Grand-Cru-Verkostung von extrem hoher Qualität und mit hervorragendem Reifepotenzial.
Verkostung von Willi Balanjuk
Um es gleich vorwegzunehmen: Das durchgehend hohe Niveau aller Rebsorten unter den 463 eingereichten Weinen war beeindruckend. Die Bandbreite der Qualitäten innerhalb der Jahrgänge 2019, 2018 und 2017 ist dabei nochmals enger und kann durchschnittlich als extrem hoch bezeichnet werden. Verkostet -wurden die Weine in neun Kategorien, wobei versucht wurde, besonders auch die Reifung der Weine zu berücksichtigen und nicht nur die recht vordergründige Primärfrucht zu beurteilen. So waren die Kategorien zwar bei den fruchtbetonten Stilen des Jahrgangs 2019 offen, die überwiegende Mehrheit der Winzer hat allerdings sowohl bei Weißburgunder als auch Chardonnay die Jahrgänge 2018 und 2017 eingereicht. Bei den -Rebsorten Grauburgunder und Neuburger sowie den Cuvées waren die Kategorien ab dem Jahrgang 2018 ausgeschrieben.
Fast alle Weine sind bereits gut antrinkbar, wobei die besten auch über ein enormes Potenzial verfügen. Der Jahrgang 2018 präsentiert sich in dieser noch recht -jugendlichen Phase etwas runder, saftiger und gelbfruchtiger am Gaumen und etwas kandierter mit zartem Fruchtschmelz im Abgang als 2017. Diese Charakterisierung lässt sich übrigens auf alle Weinbaugebiete anwenden. Die neuen DAC-Regelungen in der Steiermark sowie die Empfehlungen der Traditionsweingüter sehen zudem vor, dass die Weine nicht nur in Gebiets-, Orts- und Lagenweine unterteilt, sondern mitunter auch erst reifer auf den Markt gebracht werden.
Der Chardonnay hat sich auf den rund 1.600 Hektar Anbaufläche (gesamt Österreich) in den letzten zehn Jahren in Österreich stilistisch verfeinert und enorm entwickelt. Kandierte Orange, Kletzen und -Würze-Noten stehen bei den meisten Weinen im Vordergrund. Die vormals beliebte stark rauchig-röstige Stilistik ist mittlerweile eher eine Minderheit, die besten Weine verbinden heute tiefe Frucht mit zarter Holzwürze. Die Kategorie der 2019er- und 2018er-Chardonnays (107 Weine) war fest in steirischer Hand, mit Interpreta-tionen von „kühl-reduktiv-straff“ wie bei Tement bis zu „steirisch-fruchtig-international-straff“ wie bei Erwin Sabathi.
Die größte und beeindruckendste Serie der Verkostung stellen die Chardonnays 2017 (81 Weine) dar. Nicht nur Burgund und einige Grand Crus werden sich neben den besten österreichischen Chardonnays schwer tun. Österreich fordert mit diesen Qualitäten Chardonnay-Produzenten weltweit heraus. Neben den „usual suspects“ aus der Steiermark beeindruckten auch Albert Gesellmann, John Nittnaus, Hans Moser und Leo Sommer mit ihren 2017ern.
Bei den gereiften Chardonnays (36 Weine) gilt wie auch beim Weißburgunder, dass die besten Weine vielschichtige Aromen und harmonischen Trinkfluss vereinen und somit die klar besseren Speisenbegleiter sind (wären). Die eingereichten Weine aus den Jahren 2013 bis 2016 sind -beeindruckend. Dass auch die Gastronomie und internationale Verkoster dies so sehen, wird durch den Sieg des 2014 Chardonnay Reserve von Erwin Sabathi bei einer Expertenverkostung am Arlberg untermauert.
Pinot blanc (Weißburgunder) ist in Österreich mit rund 2.000 Hektar ausgepflanzt. Die Mehrheit der Weine wird fruchtbetont und reduktiv ausgebaut, das heißt im Stahltank oder neutralem Holz. 2019 und 2018 (85 Weine) präsentieren sich fruchtig-präzise und balanciert. Die 50 eingereichten Weine aus 2017 offerieren bereits erste Reifenoten, die die Weine komplex und hochwertig machen. Die reife Frucht verbindet sich mit nussiger Würze und Zesten im Finish. Im direkten Vergleich empfanden der Autor und die Jury den 2017er-Jahrgang sogar etwas lebendiger und straffer im Trinkfluss. Weine wie der Weißburgunder Ried Hochrain 2015 vom Weingut Jamek sind ein exzellenter Beweis für das Reifepotenzial der Rebsorte.
Beim Pinot gris (Grauburgunder, Pinot Grigio, Ruländer), von dem man in Österreich rund 200 Hektar findet, variieren die Stilistiken. Von rötlich-bernsteinfarben Weinen bis hin zu blassgelb, von zart Barriqe-gereiften Interpretationen bis zu lang im Fass gereiften Weinen. Hier entscheidet der Weinliebhaber am besten individuell. Von der Jury wurden die 33 Weine qualitativ homogen und hochwertig gesehen.
Auch der Neuburger (1.000 Hektar) – er gilt als „Alt-Österreicher“ – gewinnt mit Flaschenreife und gilt als einer der Geheimtipps unter den -österreichischen Weißweinen. Insgesamt waren in dieser Kategorie 23 Weine eingereicht, wobei sich einige Betriebe als „Spezialisten“ hervortun.
Weiße Burgunder-Cuvées (32 eingereichte Weine) sind in Österreich ein Randthema. Während beim Rotwein seit den 1990ern die Cuvées sehr oft die besten Weine im Keller darstellten, hat die Weißwein-Cuvée mit Ausnahme des berühmten „Spiegel“ (PG, PB) von Willi Bründlmayer keine Historie. Dennoch könnte diese Kategorie in Zukunft unter den Aspekten von „global warming“ eine bedeutendere Rolle spielen.
Verkostet und bewertet wurden die eingereichten Weine vom Autor in Zalto-Universalgläsern. Im Anschluss wurden die besten Weine in den Kategorien von einer Jury in einer Blindverkostung bewertet und die Grand-Cru-Sieger ermittelt.
Jurymitglieder waren Hans Martin Gesellmann (Kracher Fine Wine), Wolfgang Kneidinger (Sommelier Coburg), Benjamin Mayr (Del Fabro Weinhandel), Dragos Pavelescu (Önologe),
Philipp Schäfer (Weinakademiker & Weinhandel Schäfer) und der Autor.
Abkürzungen
CH Chardonnay
DAC Districtus Austriae Controllatus
DI Diamkork
DV Drehverschluss
FP Fassprobe
GE Gemischter Satz
Gl Glasverschluss
GV Grüner Veltliner
htr. halbtrocken
NE neuburger
nk Naturkork
ÖTW Österreichische Traditionsweingüter
PB Pinot blanc
PG Pinot gris
SB Sauvignon blanc
TR Traminer
Chardonnay gereift 2016 bis 2013
Weißburgunder/Pinot Blanc 2018 + 2019
Weißburgunder/Pinot Blanc 2017
Weißburgunder/Pinot Blanc gereift 2016 und älter