Brutal regional

Es muss nicht immer Meeresfisch sein: Spitzenköche zeigen, was man mit Saibling und Forelle aus heimischen Gewässern alles anstellen kann, welche Teile für sie interessant sind und was wieder zurück ins Wasser geht.

Foto von Michael Reidinger
Text von Claudia Schemerl-Streben

Wenn am frühen Vormittag im oberösterreichischen Restaurant Bootshaus die Warenübergabe ansteht, nimmt Spitzenkoch Lukas Nagl seine Produkte nicht nur vor der Küchentür entgegen. Er macht sich mit kräftiger Unterstützung aus der Küche auch auf den Weg zum kleinen „Hafen“ des Hotels Traunsee, wo er seine Bestellungen stapelweise in Kisten am Steg übernimmt. Geliefert werden Wildfangfische vom tiefblauen Traunsee über den Wasserweg.

Von Süßwasserfischen scheint Nagl nicht genug zu bekommen. Mit über zehn Fischern hat er eine Vereinbarung getroffen. So wie er es in der Zeit als Koch in Afrika kennen- und schätzen gelernt hat, nimmt er ihnen den gesamten Tagesfang ab, egal, wie viele oder wenige Fische ihnen ins Netz gegangen sind; auch die Fischarten sind nicht vorbestimmt, einzig die Schonzeiten geben eine Selektion der Produkte vor. Barsch, Aal, Hecht, Aalrutte, Saibling, Forelle und Reinanke von Traunsee, Attersee und Mondsee sowie von den Flüssen der Region nimmt der 35-jährige Küchenchef und Fischkenner dankbar entgegen: „Dass wir nicht immer wissen, was und wie viel uns erwartet, fördert und fordert unsere Kreativität, weil wir manchmal zu viel Fisch haben, aber weniger Gäste kommen und man das Produkt dann einlegen oder konservieren muss. Es gibt aber auch Tage, an denen wir zu wenig Fisch haben, obwohl wir ausreserviert sind. Da ist dann Flexibilität gefragt, es macht aber auch Spaß“, sagt Nagl, der kürzlich von einer Japan-Reise zurückgekehrt ist und jetzt einen zuvor in der Reifekammer mit Koji und Bergwiesenheu gebeizten Atterseesaibling rollt (die Trockenbeize verleiht dem Fisch seine wachsartige Konsistenz), auf gedämpfte geriebene Erdäpfel setzt, kurz abflämmt und als seine Version eines japanischen Nigiri zum Gast schickt.

Für das Restaurant Bootshaus und die weitere Gastronomie der Hoteliersfamilie Gröller (sie betreibt auch das Hotel Post samt Wirtshaus Poststube 1327 in Traunkirchen) verarbeiten er und seine Mannschaft an die acht Tonnen Fisch pro Jahr und setzen dabei radikal auf Süßwasserfisch – und den nahezu ausschließlich aus Wildfang: „Einerseits bekommen wir sicher nicht die erste Wahl an Fischen aus dem Meer, andererseits gibt es nichts Besseres als Wildfang-Süßwasserfisch. Unsere Seen sind extrem sauber, wir haben kein Mikroplastikproblem, und es wird nichts gefüttert. Ich finde es immer ein bisschen affig, wenn Zuchtlachse angepriesen werden, die teilweise mit Antibiotika behandelt wurden, das ist einfach nur ­ekelhaft.“ Täglich hantiert er stattdessen lieber mit Forelle, deren kerniges Fleisch er besonders schätzt, und Saibling, „weil Lachs der große Bruder von den beiden ist und die Leute darauf stehen“.

Verwertet wird von Nagl alles, was ihm beim Zerlegen der Flossentiere unterkommt. Die Philosophie „Nose to Fin“ nimmt er wörtlich, „weil wir wirklich nichts wegschmeißen wollen“. Aus der Seeforelle, die ihm eben geliefert worden ist und stolze 1,5 Kilogramm wiegt, entstehen vierzig Portionen eines Bootshaus-Klassikers: „Wir schneiden den Fisch roh auf, servieren ihn mit hauchdünnen Scheiben vom fermentierten Sellerie, Holunderblüten und -öl sowie einer Mayonnaise aus Koji-Öl und Apfel.“ Aus den ­Karkassen setzt er eine Suppe an; die übrigen Fischabschnitte mit Gräten und Flossen wiederum sammelt der Spitzenkoch und setzt vier Mal im Jahr aus einer imposanten Menge von zweihundert Kilogramm von insgesamt mindestens fünf Fischsorten eine Fischsauce an (das sogenannte Traunsee-Garum), die ­allerdings nicht traditionell hergestellt wird und ohne Verdauungsorgane der Tiere auskommt, sondern mit den gebil­deten Enzymen des Kojipilzes auf Bulgur angesetzt wird. „Das Garum stinkt nicht so wie eine thailändische Nam-Pla-Fischsauce und repräsentiert unseren See mit einem klaren Geschmack von Süßwasserfisch.“ In Asien wird die Sauce bei tropischen Temperaturen vergoren. Die ersten Versuche von Nagl fanden im Heizraum des Hotels statt – heute reift sie professionell bis zu 24 Monate im Wärmeschrank.

Einem logischen Kreislauf folgend, wird die bernsteinfarbene Sauce nicht nur über seinen Webshop Luvi Fermente verkauft, sondern auch in der Bootshaus-Küche als Würzmittel für Marinaden und Saucen eingesetzt, etwa für seine Süßwasserfischversion einer Ceviche, für die der Oberösterreicher den Fisch bewusst großwür­felig schneidet, sodass die Säure der Marinade aus Garum, Limette und Fischfond ihn zwar außen gart, der Fisch aber innen noch roh bleibt. Oder wenn er rohen Saibling in Erdäpfel­papier einrollt, in das Nagl auch eine Fülle an knackigen Frühlingskräutern packt, und dazu eine Sauce serviert, für die er fermentierten Rettichsaft mit Zucker und Garum verrührt. Die Backen von Salmoniden (zu denen ­neben Saibling, Reinanke und Forelle auch Huchen und Äsche zählen) landen bei Nagl in einer Vinaigrette: „Die Köpfe kommen bei uns in die Fischsuppe. Wenn ich sie aber nach ein bis zwei Minuten heraushebe, lassen sich die Wangen mit den Fingern ganz leicht auslösen.“ Was dann noch vom Fisch übrig bleibt, wurde eigentlich schon im Voraus aussortiert. Hat der Fischer seinen Fang am Boot abgeschlagen, nimmt er ihn sofort aus und liefert ihn samt der Innereien, die Nagl verwerten kann. Der Rest, etwa Nieren, Darm und Gallenblase, geht wieder zurück in den See. „So bekommen die Fische doch wieder Futter – aber natürliches.“

Fischerin am Attersee
Ulrike Huber ist Berufsfischerin am Attersee. Täglich läutet ihr Wecker um vier Uhr in der Früh. Eine halbe Stunde später starten sie und ihr Mann Manfred den Motor ihres Fischerboots in Seewalchen, um die nächsten sechs Stunden auf dem Wasser zu verbringen. Egal, zu welcher Jahreszeit, egal, bei welchem Wetter. Nur Sturm hält sie davon ab, denn das wäre lebensgefährlich, „und Temperaturen unter minus zehn Grad, weil man nur noch gefrorene Netze aus dem Wasser zieht, die man nicht mehr setzen kann.“ Seit knapp drei Jahrzehnten ist das Ehepaar im Fischmetier. Davor hatten die beiden mehrere Steuerberatungskanzleien, die sie nach und nach verkauften. Anzug und Kostüm wurden gegen professionelle Fischermontur, bestehend aus Wathose, Regenjacke und Gummistiefel, getauscht. „Vor 26 Jahren konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass ich jemals einen Fisch angreife“, verrät die charismatische Fischereimeisterin und Revierobfrau vom Attersee, die heute mit Bedacht jeden Fisch aus den Netzen holt, abschlägt, schuppt und in die Kühlbox am Boot legt. Die vielen Stunden auf dem türkisblauen See mit Trinkwasserqualität verbringt das Ehepaar damit, ihre ausgelegten Schweb- und Grundnetze einzuholen, die gefangenen Fische zu entnehmen und die Netze nach einem Hochstrahlreinigungsprozess vor Ort wieder ins Wasser zu setzen. Gefangen werden in dem See, der Lebensraum für 26 Fischarten ist, Reinanke, Perlfisch, Hecht und der begehrte Atterseesaibling, der in Geschmack und Größe einzigartig ist und bei dem Fischer-Ehepaar nur über einen limitierten Zeitraum von ein paar Monaten im Jahr – August bis Ende Herbst – verfügbar ist. Das zarte Fleisch des Seesaiblings wird von Spitzenköchen aus der Umgebung, aber auch von Heinz Reitbauer geschätzt, der regelmäßig vor dem Restaurant Steirereck im Wiener Stadtpark auf eine Lieferung der Delikatesse wartet, die gerade einmal dreizehn Zentimeter lang wird und etwa siebzig Gramm wiegt. Die ausgesprochen geringe Größe und die Vorliebe für kühle Wassertemperaturen machen es besonders aufwendig, den Atterseesaibling zu fangen. Heizt sich der See auf, geht der flinke, schlanke Winzling nämlich auf Tiefgang. „Das bedeutet für uns, dass wir die Grundnetze auf 120 Meter unter der Wasseroberfläche setzen müssen. Herausgezogen werden sie täglich, egal, ob fünf Saiblinge drin sind oder zwanzig.“ Bis zu zwei Stunden stehen Ulrike Huber und ihr Mann dann mit ihrem Boot an einer Stelle, an der fünf Netze aus dem See gezogen werden müssen. „Wir nennen die Saiblinge auch das Gold vom Attersee, weil es richtig harte Arbeit ist.“ Von einem guten Fang können die beiden Berufsfischer sprechen, wenn an einem Tag fünfzig Saiblinge ins Netz gegangen sind.

Langenwang in der Steiermark. Martin Traxler hat es vergleichsweise leicht. Wenn er den Kescher ins Wasser taucht, kann er die Anzahl der Fische, die ins Netz gehen sollen, leicht steuern. Vor zwanzig Jahren hat der Wiener gemeinsam mit seiner Frau ein Wochenendhaus auf knapp 1.000 Metern Seehöhe in der Steiermark gekauft und bald festgestellt, dass er sich nicht jeden Sonntag auf den nächsten Freitag freuen will. Der Geschäfts­führer des österreichischen Apotheker­verlags und die Physiotherapeutin verlegten ihren Lebensmittelpunkt und wurden Fischzüchter. Nur wenige Meter vom Haus entfernt hoben Bagger drei Teiche aus, die mit Wasser vom am Grundstück ­entlangfließenden ­Petrulbach versorgt werden. Zwanzig Liter pro Sekunde fließen von einem Teich in den nächsten, um dann wieder in den Bach zurückgeleitet zu ­werden. Eine Filteranlage braucht es nicht. Arbeitsintensiv ist für Traxler weniger das Fangen der weiß bis rötlich gepunkteten Bachsaiblinge, sondern vielmehr die Befruchtung und die Aufzucht der Babys, die im Bruthaus aus Holz neben den Teichen von Traxler wohnen und denen tagsüber stündlich eine kleine Ration Futter per Hand verabreicht werden muss. Ein halbes Jahr verbringen die Winzlinge dort in Wannen, bevor sie mit gerade einmal drei Zentimetern Größe in Wasser-Betonrinnen übersiedeln, die Traxler variabel bis zu sechzig Meter Länge in Schlingenform vergrößern kann. Zu den größeren Fischen darf der Nachwuchs nicht, die Tiere sind strikt nach Jahrgängen getrennt: „Das muss so sein, weil Saiblinge Kannibalen sind und die Lieblingsspeise des Saiblings der Saibling ist.“ Innerhalb von drei Jahren wachsen Traxlers Fische zu einer essfertigen Größe von fünfundzwanzig bis dreißig Zentimetern heran und werden vornehmlich an private Kunden verkauft, aber auch an Spitzenkoch und Nachbar Andreas Krainer.

Wassertanz der Saiblinge
Der Züchter gibt seinen Fischen bewusst die Zeit, die sie auch in natürlicher Umgebung brauchen würden. „Nur langsam gewachsenes Fleisch ist wirklich gutes Fleisch.“ Auf den Einsatz von Antibiotika kann Traxler gänzlich verzichten. Das eiskalte Wasser des Petrulbachs, die bewusst gering gehaltene Besatzdichte und das hochwertige Futter aus Fischabschnitten machen seinen Petrulsaibling zur Delikatesse: „Davon bekommen sie bewusst wenig, weil sie sich auch von Naturfutter ernähren.“ In der Dämmerung beweisen seine Saiblinge dann ihre akrobatischen Sprungkünste, wenn es darum geht, Mückenschwärme über der Wasseroberfläche zu fangen. „Sie schaffen fast einen Meter.“

Auf hochwertige Zuchtware aus Österreich verlässt sich auch Lukas Kienbauer in Schärding (Lukas, Izakaya, Lukas Steak), der nicht dogmatisch auf Meeresfisch verzichtet, aber in der Verwendung seiner Zutaten eine deutliche Vorliebe für heimischen Fang erkennen lässt. In seinem asiatischen Bar-Restaurant Izakaya etwa wird demonstrativ kein Nigiri mit Lachs serviert. „Dieser Fisch ist meist total überzüchtet, und ich finde ihn oft extrem tranig im Geschmack“, sagt der Spitzenkoch, der österreichische Produkte gekonnt mit japanischen Gewürzen vereint und statt des Meeresfischs mit orangerosafarbenem Fleisch lieber eine dünn geschnittene Scheibe einer heimischen Lachs­forelle auf die gesäuerten Reisbällchen legt. Im Hauptrestaurant Lukas wiederum inhaliert derzeit ein Stück Saiblingsfilet etwas Birkenrauch, bevor es serviert wird. Dazu zieht Kienbauer die Haut des Süßwasserfischs ab, beizt ihn mit einer Marinade aus Koriander, Zitrone, Zucker und Salz, legt ihn in eine eingerollte Birkenrinde und entzündet sie kurz. „Zum Teil machen wir das direkt vorm Gast am Tisch, aber nur, wenn wir das Gericht nicht gleich­zeitig an vielen Tischen servieren, sonst qualmt’s unan­genehm“, so Kienbauer. Finalisiert wird der bewusst sehr puristisch gehaltene Gang mit einer Buttermilchsauce, frittierter Saiblingshaut und -kaviar. Sehr klar im Geschmack bleibt auch die Forelle, die der Oberösterreicher etwa fünf ­Minuten auf der Hautseite auf einem auf neunzig Grad aufgewärmten Salzstein gart und mit Kohlrabi und gefrorenem Granny-Smith-Apfelsaft und Räucherforellencreme serviert. Bauchlappenstücke vom Fisch räuchert er im Ofen, frittiert sie im Backteig heraus und serviert die knusprigen Bällchen mit Holzkohle-Mayonnaise als Snack „mit richtig viel Umami-Geschmack“, um auf sein mehrgängiges Menü einzustimmen.

Ein Süßwasserfisch nach Ikejime-Tötungsmethode aus der Fischzucht Gut Dornau wird Teil seines nächsten Menüs. Davon überzeugt hat ihn ein Besuch des Berliner Spitzenrestaurants Nobelhart & Schmutzig, in dem Kienbauer erstmals Forelle gegessen hat, die nach traditioneller japanischer Kunst getötet worden ist (die klingt brutal, soll aber tatsächlich zu einem stressfreien, schnellen Tod und damit auch zu einem besseren Produkt führen; Massen­fischerei lässt die Tiere schlicht an Land ersticken). Der Fisch wird dazu mit einem gezielten Stich ins Hirn getötet, es folgt ein Schnitt in die Hauptarterie bei den Kiemen und durch die Wirbelsäule; anschließend wird das Tier zum Ausbluten in Eiswasser gelegt, sodass die Muskulatur nicht übersäuert und der Fisch in Geschmack und Textur gänzlich anders ist als konventionell abgeschlagener. „Die Forelle war komplett roh. Das Fleisch ist regelrecht im Mund geschmolzen, als wäre es gegart worden, und hatte einen klaren, frischen Fischgeschmack. Der Unterschied ist einfach unglaublich.“

Radikal regional
Kochkollege und Regionalist Hannes Müller vom Restaurant Die Forelle am Weissensee setzt seit zwölf Jahren keinen Meeresfisch auf seine Speisekarte. Er serviert lieber, was im Weissensee schwimmt und Fischer Martin Müller ins Netz geht oder vom Fischexperten Markus Payr kommt, der für seine nachhaltige Fischzucht bis über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist. Im Frühling ist das dann etwa roh marinierte Seeforelle, die dünn aufgeschnitten mit Holunderblütenmayonnaise und allen Wildkräutern und -blüten kombiniert wird, die der Spitzenkoch bei seinen Streifzügen rund um den Weissensee findet. Verarbeitet wird die Forelle vom Kärntner ­Spitzenkoch aber auch zu Ceviche mit Spargel oder junger Karotte und Rhabarbersaft, wodurch er dem Gericht mit peruanischen Wurzeln eine knallig pinke Farbe verpasst und sich gleichzeitig der Säure des Rhabarbers bedient; oder aber er wickelt ein Filetstück mit Kräutern in ein Huflattichblatt, würzt es minimalistisch mit etwas Wipfelöl und grillt das Päckchen, bis der Fisch innen schön glasig ist und man ihn samt dem leicht süßlichen Blatt essen kann.

Auspacken soll man den Fisch auch bei Michael Sicher nicht. Der Gast isst das Wasabiblatt (vom Bach im eigenen Garten) mit subtilem Schärfegrad, dem samt Saiblingsfilet als Inhalt am japanischen Holzkohlengrill eingeheizt worden ist, einfach mit und tunkt es davor noch in einen würzigen Auszug aus Szechuanpfefferblättern. Im Kärntner Tainach betreibt Michael Sicher mit seinem Bruder Wolfgang in einem ehemaligen Sägewerk ein Restaurant, in dem Fisch der Hauptdarsteller auf dem Teller ist. Verlassen muss er sich dabei nicht auf Ware von anderen. Er ist autark und holt sich Bach- und Seesaibling, Regenbogen-, Bach- und Seeforelle sowie Huchen aus der eigenen Zucht und muss dafür nur wenige Schritte gehen. Insgesamt sind es 24 Teiche in unterschiedlichen Dimensionen hinter und vor dem Restaurant, die teilweise poolartig rechteckig, teilweise organisch rund und als Teil des paradiesischen Gastgartens angelegt sind und mit Wasser vom ­Weißenbach gespeist werden. „Was da alles an ­natürlicher Nahrung mitkommt, kann man nicht ersetzen.“ Würmer, Insektenlarven, Fliegen, Spinnentiere, Flohkrebse und Schnecken zählen zum täglichen Speiseplan der lachsartigen Fische, denen Sicher so viel Platz bietet, wie es nicht einmal Biorichtlinien vorgeben. Krankheiten hatten die Tiere des Fischzüchters und Küchenchefs noch nie.

Der hohe Anspruch, den sich der Kärntner Spitzenkoch selbst aufoktroyiert, die Minutennähe zum Produkt und die Verfügbarkeit der Fische in allen Entwicklungsstadien machen seine Küche, die auch vom Kräutergarten, bestehend aus zweihundert heimischen und exotischen Pflanzen aus aller Welt, profitiert, unverwechselbar. Er frittiert sechs Zentimeter lange Minisaiblinge wie Sprotten und serviert sie mit Cassis-Olivenschaum und Asiasalaten aus dem eigenen Garten als Starter; dreijährige Bachsaiblinge und Seeforellen schneidet er roh in dünne Scheiben auf und schickt sie mit Rote-­Rüben- und Wasabi-Espuma, Glasnudeln und dem begehrten Saiblingskaviar als „Sashimi auf Kärntnerisch“ aus der Küche. Die Milch von geschlechtsreifen Männchen zieht er durch Backteig und setzt sie als Kärntner Calamariringe mit zartem Krautsalat auf die Karte. Winterfische mit höherem Fettanteil räuchert er in zwei Etappen über mehrere Tage, sodass sie goldbraun werden, regelrecht verschrumpeln und „fast schon wie ein Fossil aussehen“, scherzt Sicher, der daraus eine extraktreiche dunkle Fischjus mit intensivem Raucharoma ansetzt, die man vorsichtig dosieren muss. Mit Vorliebe fängt er auch extragroße Kaliber hohen Alters: „Hartnäckig hält sich ja der Irrglaube, dass ältere Fische schlechter schmecken. Tatsächlich wird das Fleisch kompakter, und es macht richtig Spaß, wenn man ein dickes Filetstück verarbeiten kann.“ Ehrlich, denkt jetzt noch jemand an Meeresfisch? —

Ulrike Huber hat sich von den Steuerunterlagen verabschiedet und sich für die Berufsfischerei am Attersee entschieden.
Die Maschenweite bestimmt die Art des Fischs, der ins Netz gehen soll.
Quereinsteiger Martin Traxler züchtet Bachsaiblinge auf knapp 1.000 Metern Seehöhe im steirischen Langenwang.
In seine Fischteiche wird das Wasser vom Petrulbach eingespeist. Gefischt wird auf Bestellung.
Ins Netz gegangen: ein Prachtexemplar von einem Petrulsaibling,der bei Züchter Martin Traxler die Zeit bekommt, die der Fisch auch in der Natur zum Wachsen brauchen würde.

Adressen

Restaurants

Bootshaus
Hotel Das Traunsee
Klosterplatz 4, 4801 Traunkirchen
T 07617/22 16, dastraunsee.at

Lukas Nagl hat soeben ein Buch zum Thema mit Rezepten und Warenkunden veröffentlicht: „Der Fischer und der Koch“, Servus-Verlag, € 48,–

Die Forelle
Hannes Müller
Techendorf 80, 9762 Weissensee
T 04713/23 56, dieforelle.at

Lukas
Unterer Stadtplatz 7, 4780 Schärding
T 0664/341 32 85, lukas-restaurant.at

Sicher
Mühlenweg 2, 9121 Tainach
T 04239/26 38, sicherrestaurant.at

Fischverkauf

Finest Fish
Ulrike Huber
Hanningweg 6–8, 4863 Seewalchen am Attersee
T 0664/336 12 30, finestfish.at

Petrulsaibling
Pretul 27, 8665 Langenwang
T 0664/849 00 29, pretulsaibling.at

Zu den Rezepten

Attersee-Saibling mit Salzorange, Petersilie und Walnussblätter-Ponzu
Lukas Nagl, Bootshaus, Traunkirchen

Seeforelle mit fermentiertem Fenchel, Petersilwurzel & geräuchertem Sauerrahm
Hannes Müller, Die Forelle, Weißensee

In Birkenrinde geräucherter Saibling mit Buttermilch, Kren & Kaviar
Lukas Kienbauer, Restaurant Lukas, Schärding

Bachsaibling mit Kaviar, Bachkresse, Spargel & Morcheln
Michael Sicher, Sicher, Tainach