Lokalaugenschein Tops & Flops

sowie Leistungen, die dazwischenliegen. Der A la Carte-Lokalaugenschein präsentiert aktuelle Momentaufnahmen der Gastronomieszene. Deshalb müssen die Wertungen auch nicht mit jenen im Guide A la Carte 2022 übereinstimmen.

Foto von Volker Weihbold
Text von Philipp Braun

Verdi
Vater und Sohn

Ein V kann für vieles stehen. Für Victory, für das italienische Modeunternehmen Valentino oder für das Linzer Restaurant Verdi, benannt nach Guiseppe Verdi. Wer die kurvige und enge Strecke von Urfahr Richtung Lichtenberg unbeschadet übersteht, erblickt nach zwei Kilometern auf der linken Seite ein großes V. Das Zeichen für Gourmets, dass man hier parken kann. Nein muss, denn der Platz ist – wie der atemberaubende Blick nach Linz – ein Garant für Hochgenuss.

Seit drei Jahren ist Philipp Lukas von seinen Wanderjahren zurück und wurde – wie sein Vater Erich und seine Großmutter – unter anderem im Münchner Tantris ausgebildet. Der Vater steht unterstützend zur Seite, man bemerkt aber die Linie vom Sohnemann, einem Meister der optischen Präsentation. Wie ein japanischer Origami-Künstler verpackt er die Gerichte zu anmutigen Kunstwerken. Und das Gute daran: Er vergisst in seinen Kunstwerken den Geschmack nicht. Leicht wie ein Schmetterlingsschlag zieht sich sein Stil durch die Gerichte: weniger Opulenz in Form von Butter oder Obers, dafür mehr Betonung auf ­Eigengeschmack und ein kompromissloser Zugang zu den besten Produkten. Die Lebensmittel stammen zum Beispiel vom Nachbarn, dem Beerenberg. Eine Bio-Landwirtschaft, die das Restaurant mit ­Lebensmitteln eindeckt. Lukas kokettiert aber auch mit Steinbutt, Kaisergranat und toskanischem Chianina-Rind und präsentiert diese Schätze im „Vater und Sohn Menü (ab zwei Personen)“. Die Weinkarte ist erfrischend anders strukturiert. Von „frisch und fruchtig“, „Top in Rot“ bis hin zu „großes Vergnügen“ vereint sich die Weinprominenz aus dem In- und Ausland in der Karte. Nach drei beeindruckenden Amuses folgt der erste Höhepunkt (es bleibt nicht der einzige): Goldforelle vom Weissensee. Philipp Lukas verarbeitet den Fisch zu Tatar, mischt etwas Couscous und Stangensellerie für Biss und Frische dazu und füllt damit ein blanchiertes Radicchioblatt wie einen Taco.

Beeinflusst von Asien, entführt die Küche mit Yuzu und Kimchi in die Moderne. Das im Tontopf fermentierte Kraut entstand unter der Federführung einer vietnamesischen Mitarbeiterin und lässt sensorische Glücksgefühle anklingen. In Kombination mit kurz abgeflammtem Kaisergranat, fruchtiger Yuzu-Säure und Umami-Sud hört man vermeintlich Aidas Triumphmarsch auf dem Gaumen. Dazu Scherenfleisch vom Granat in wohlschmeckende Dim Sum verpackt und etwas Korianderkresse für den Feinschliff. Wer Harmonie sucht: voilà!

Beim Zusammenspiel von Nashi-Birne, Wildfang-Steinbutt, sauer eingelegtem Knollensellerie und rauchiger Selleriescheibe verwebt Lukas filigran mehrere Aromen. Immer wieder spürt man fruchtige, wohl­tuende und zum Gesamtstück dazugehörende Zwischentöne. Selbst die Haselnüsse, oftmals störend, reihen sich dem Gesamtkunstwerk unter und schmecken wie frisch von der Staude geerntet.

Als Schlussstück ist ein Klassiker, Schokolade mit Banane zu kombinieren. Lukas füllt Mousse von Schoko und Banane in eine Schokokugel. Nur rinnt aus der Kugel nach dem ersten Anstich statt des inflationären flüssigen Schokokerns ein süßer, fruchtiger Mango-Bach he­raus. Eine Reise von cremig, weich, schmelzend bis flüssig. Perfekt orchestriert. Als überdimensionierten Side Dish gibt es Schokobrownie mit Bananensorbet und einer zarten Decke aus Ananasgelee.

Applaus gebührt den Petits Fours – Kunstwerke von Pralinen über Bounty-Taler bis hin zum flaumigen Mini­gugelhupf nach einem Rezept von Eckart Witzigmann –, seit Jahren ­fixer Schlusspunkt im Verdi. Wie beim Vater so nun auch beim Sohn.

Küche: 4,5
Atmosphäre: 4
Weine: 4

Verdi
Pachmayrstraße 137, 4040 Linz
T 0732/73 30 05
verdi.at

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