
Das böse Drittel
Wenn sich Köche dem Thema Food Waste nähern, kommen nicht nur Ideen für den Einsatz von Karfiolstrünken auf und Pop-ups mit Schweinsblut-Rabatt zustande. Es bedeutet auch, über Ziegen nachzudenken, über schmälere Menüs und die Entwicklung einer neuen Restlküche.
Text von Anna Burghardt · Illustration von Tibo Exenberger
Stellen Sie sich vor, Sie öffnen Ihr Portemonnaie, ein Drittel Ihres Geldes fällt heraus – und Sie tun nichts dagegen.“ Mit diesen Worten wurde 2017 der Film Wasted! The Story of Food Waste vorgestellt, der zeigt, wie ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel ungenützt wieder entsorgt wird. Weil wir zu viel und zu billiges Essen einkaufen und es wegwerfen. Weil Supermärkte einwandfreies Gemüse, das optisch nicht ihren absurd genauen Anforderungen entspricht, ablehnen und die Bauern keine neuen Abnehmer finden. Weil wir das Mindesthaltbarkeitsdatum mit einem sofortigen Todesurteil verwechseln. Weil wir noch immer hauptsächlich Filets essen wollen und keine Fischbäuche oder Schweinsfüße. Der Film zeigt auch, wie sich Spitzenköche dem Thema Food Waste (der englische Begriff beschreibt dieses globale Problem am knackigsten, und er meint ausdrücklich keinen Müll!) nähern und welche Strategien sie haben. Etwa, wie es längst nicht mehr nur unter Avantgardisten State of the Art ist, oftmals missachtete Lebensmittel oder Teile davon zu verarbeiten – Stichwort Nose to Tail und, jünger, Leaf to Root. Einer der Produzenten des Films: Anthony Bourdain, Koch, kulinarischer Abenteurer, Autor. Unter den Protagonisten: Köche wie Dan Barber, Chef der Blue Hill-Lokale, oder Massimo Bottura von der Osteria Francescana in Modena, ehemals „Bester Koch der Welt“.
Food Waste ist Chef-Sache. Die Zahl der hochkarätig besetzten kulinarischen Initiativen zu Food Waste steigt. Und man darf davon ausgehen, dass dieses Thema die Gastronomie in zunehmendem Maße beschäftigen wird. Dass Spitzenköche wie er Stars und Vorbilder sind und für die Bewusstseinsbildung in Sachen Food Waste eine wichtige Rolle spielen können, ist etwa Massimo Bottura wohl bewusst. Hört man dem Italiener zu, wenn er mit stetig steigender Lautstärke und Geschwindigkeit sowie unter reger Zuhilfenahme seiner Hände seine „Food for Soul“-Projekte beschreibt, ist man geneigt zu glauben: Dieser Koch will nicht nur Lebensmittel retten, sondern wenn nötig im Alleingang die ganze Welt. Sein Refettorio Ambrosiano in Mailand etwa wurde im Rahmen der Weltausstellung 2015 ins Leben gerufen. Das Thema dieser EXPO lautete „Feeding the Planet, Energy for life“. Das Ziel des Refettorio ist – typisch Bottura – nicht in drei Worten zu umreißen. Er hatte Köche aus aller Welt, darunter Ferran Adrià, Alex Atala, Daniel Humm oder Joan Roca, eingeladen, aus Lebensmittelüberschüssen, die auf der EXPO anfielen, für Bedürftige zu kochen. Die Kirche hatte dafür das Teatro Greco zur Verfügung gestellt, ein verlassenes Theater aus den 1930er-Jahren, das Platz für über neunzig Gäste bot. Es sollte freilich nicht allein um Essen gehen, sondern auch um Kunstgenuss, um Kommunikation, um Würde für Menschen am Rand der Gesellschaft, um „Nahrung für die Seele“ generell. 15 Tonnen Lebensmittelüberschüsse wie Paradeiser, Pasta, Gemüse, Mozzarella oder Brot waren es schlussendlich, die man während der EXPO in der Küche des Refettorio Ambrosiano verarbeitete. Dokumentiert wurde dies im Film Theater of life und im Buch Bread is Gold (Phaidon). Weitergeführt wird das Projekt in Mailand heute von der Caritas Ambrosiana. In Brasilien eröffnete Massimo Bottura während der Olympischen Spiele 2016 das Refettorio Gastromotiva, wo mit Tonnen von überschüssigen Lebensmitteln aus der Athleten- und Zuseherversorgung gekocht wurde. Im Juni 2017 expandierte er nach London, wo er das Refettorio Felix auf die Beine stellte. Der Name leitet sich von der Zusammenarbeit mit The Felix Project her, einer gemeinnützigen Organisation, die Lebensmittelüberschüsse direkt von Produzenten sowie von Supermärkten und Großmärkten holt und kostenlos an über sechzig Hilfsorganisationen ausliefert.
Nach London hatte es auch Dan Barber, einen der heutigen Vordenker sowohl in der Gastronomie als auch der Landwirtschaft, verschlagen. „Großbritannien ist in Sachen Food Waste so unendlich viel weiter als wir in den USA.“ 2017 eröffnete er in der britischen Hauptstadt, ähnlich wie schon 2015 in seinem Blue Hill im New Yorker Stadtteil Greenwich, ein Pop-up namens Wasted. Diesmal war es das Dachgeschoß des Kaufhauses Selfridges in der Oxford Street, das als Schauplatz für ein besonderes Menü fungierte. Die Zutaten dafür: das, was man gemeinhin als Küchenabfall bezeichnet. Die Flüssigkeit aus Kichererbsendosen schlug man zu Schnee auf – in der veganen Küche firmiert diese Technik unter Aquafaba – und dekorierte mit diesem einen „Dumpster Dive Salad“ aus äußeren Salatblättern oder Gemüseschalen. Pressrückstände aus Saftbars in der Umgebung des Kaufhauses wurden für Gemüsecheeseburger verarbeitet, aus Schweinshaut wurden Nudeln, serviert in einem Sud aus Erdäpfelschalen. Wer sein Dessert aus altem Brot mit Schweinsblut anreichern ließ, bekam einen Dollar Rabatt, auf den Tischen standen Kerzen aus Rindertalg, und man saß auf Stühlen aus einem Verbundstoff, der unter anderem das Heu und die Stiele von Artischocken enthielt. Für die Drinks verantwortlich war das Trash Tiki: Diese Pop-up-Bar hat sich Zutaten verschrieben, die anderenfalls im Müll gelandet wären, wie etwa Avocadokernen oder Wassermelonenschalen.
Das Wasted-Menü von Dan Barber mag nun nahelegen, dass dieser Koch unter Food Waste doch tatsächlich Abfälle versteht. Aber das Londoner Pop-up war für den intellektuellen Koch nur ein probates Mittel, um Aufmerksamkeit auf dieses so viel weiter verzweigte Thema zu lenken. Das zeigen zahlreiche Interviews; Barber machte sich den Medienrummel rund um Wasted zunutze. Etwa um dazu aufzurufen, „die Definition dessen, was wir unter Abfall verstehen, zu erweitern“. Oder um die Entwicklung einer amerikanischen Alltagsküche zu fordern, die Speisereste vom Vortag ganz selbstverständlich mitdenkt, sie integriert. „Italien hat eine solche Tradition, wie auch Frankreich – selbst wenn man sie dort gerade ein wenig aufgibt – und natürlich England. Denken Sie an Bubble and Squeek aus Erdäpfelresten und übrig gebliebenem Kohl. Oder an Shepard’s Pie. Oder auch an Marmite, diesen urbritischen Brotaufstrich aus Hefekulturen, die beim Bierbrauen anfallen. In den USA gibt es keine solche Küchentradition.“ Keine Restlküche, wie man bei uns sagen würde. Kritiker müssten Restaurants vermehrt genau für solche Gerichte loben, meint Dan Barber, um ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen. Am wichtigsten ist in seinen Augen aber das Wegkommen vom Fleisch als zentralem Teil eines Hauptgerichts oder überhaupt einer Mahlzeit. In seinem Buch The Third Plate hat Barber das schon einmal dargelegt: Er postuliert darin einen Role-Model-Teller, ein Idealgericht, das die kleinteilige und nachhaltige Landwirtschaft widerspiegelt. Denn hinter dem meisten erhältlichen Fleisch lauere unerkannt der wahre Food-Waste-Irrsinn: „Ein Steak ist ein Desaster. Dafür wurden mit Unmengen von Wasser und Land Unmengen Mais, Weizen oder Soja angebaut, mit denen ein Tier gefüttert wurde, das dann nur wenige von uns satt macht. Es gibt kaum etwas Uneffizienteres. Dieses Getreide, diese Art von Tierfutter, ist die eigentliche Lebensmittelverschwendung.“ Food Waste zu bekämpfen bedeutet für Dan Barber also nicht nur, fortan Karfiolstrünke mit liebevollen Blicken zu bedenken, Lammköpfe zu herzen und aus den Schalen von Quitten Tee zu kochen. Es gäbe in der globalen Lebensmittelproduktion so viele Dinge, die man nicht wahrnimmt, sagt er: „Was passiert auf englischen Milchhöfen, die ja auch die Landschaft prägen, mit den männlichen Kälbern? Die werden noch am selben Tag getötet und entsorgt. Wir müssen umdenken, wenn wir mit gutem Gewissen weiterhin Milchprodukte konsumieren wollen.“ Für Barbers Wasted-Pop-up in London wurden sechs solcher männlichen Kälber gerettet und mit Muttermilch aufgezogen. „Wir servierten sie als Nuggets, wie Chicken Nuggets. Warum? Um zu zeigen, dass sogar so viel Kalbfleisch verfügbar wäre, um damit Fast-Food-Nuggets zu machen – wenn wir nur wollen.“
Es braucht mehr Menschen wie Dan Barber, damit eben auch solche Erzeugnisse als unnötiger Food Waste gesehen werden: Getreide, das viele Menschen satt machen könnte, aber stattdessen in Massen an Rinder verfüttert wird, die sich, als Steak, nur mehr wenige leisten. Oder getötete männliche Tiere als „Beiprodukte“ in der Eier- oder Milchproduktion. Hier sei auf das wegweisende Gockelprojekt von Ja! Natürlich verwiesen. Dan Barber ruft bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder dazu auf, landwirtschaftliche Kreisläufe neu zu bewerten – und sie alle hängen, näher betrachtet, mit dem Thema Food Waste zusammen. Ziegen etwa könnten selbst Dornengestrüpp, das für den Menschen nie genießbar wäre, für uns essbar machen: Indem sie es fressen und ihrerseits zu Milch oder auch in ihr Fleisch umwandeln – für das man weder Soja noch Getreide verschwenden muss. Der Gedanke an solch wundersame Verwandlung hat geradezu etwas Biblisches an sich. Den Biohof der Familie Nuart in Kärnten, der Schafmilchprodukte, Lämmer und Schweine verkauft, hat Barber noch nicht besucht, aber hier könnte er Zeuge eines beispielhaft effizienten Kreislaufs werden: Die Molke, die bei der Schafkäseproduktion anfällt, gelangt durch eine unterirdische Molke-Pipeline direkt zu den Futtertrögen der Nuart’schen Weideschweine, deren fantastisches, molkesattes Fleisch wiederum in der österreichischen Topgastronomie gefragt ist.
Landwirtschaft in kleinräumigen Strukturen ist der Schlüssel zur Ernährung der Welt, aber niemand will das hören“, sagt Norbert Niederkofler. Südtirols Kochaushängeschild hat in seinem Restaurant St. Hubertus in Sankt Kassian 2012 radikal auf Zutaten aus dem engeren Umkreis umgestellt. Ein extremer Schritt für das Lokal eines Luxushotels, dessen Gäste davor eher Gänseleber und Steinbutt gewohnt waren. Die Umstellung zum Motto „Cook the Mountain“ hatte zur Folge, dass Niederkofler mit Produzenten aus der Region Beziehungen aufbauen musste. Und dass er haushalten muss mit dem, was diese ihm übers Jahr liefern können – beim Rungis Express anrufen gilt nicht mehr. Niederkoflers Wareneinsatz beträgt heute nur mehr rund 25 Prozent des Umsatzes. Seine Gemüsebauern haben in ihm einen fixen Abnehmer, der sie anständig zahlt, weil er weiß, welchen Aufwand sie betreiben. Und in der Küche des St. Hubertus wird so gut wie alles verarbeitet, kaum etwas weggeworfen – eine wichtige Begleiterscheinung von fairen Preisen für landwirtschaftliche Produkte. Seit er ganze Tiere selbst zerlegt, sei ihm wieder bewusst geworden, wie sehr die unterschätzte zeitliche Dimension das möglichst vollständige Nützen von Lebensmitteln bestimmt: „Ich muss ganz am Anfang einen Plan für die Verarbeitung haben. Bei einem Tier zum Beispiel kommen immer zuerst die Innereien dran, die halten nicht lang. Oder wenn man Kartoffeln verarbeitet: Ich kann die nicht schälen und mir dann erst überlegen, was mache ich mit den Schalen. Dafür muss ich vorher schon einen Plan haben. Dann funktioniert das.“ Auch Hannes Müller und Martin Nuart von der Forelle am Weißensee kaufen fast alle Zutaten direkt bei Produzenten. „Wir verarbeiten so gut wie alles“, sagt Co-Küchenchef Martin Nuart. „In unserem Biomüll ist kein Stück Fleisch, kein Stück Gemüse, das nicht ausgekocht wurde. Alle Karkassen und Knochen werden zu Fonds, Brot wird zu Bröseln, Käse zu Fondue.“ „Und wir kaufen einfach nicht zu viel ein“, ergänzt Hannes Müller. „Das ist das größte Problem. Essen hat keinen Wert mehr, deshalb geht man so rücksichtslos damit um, wirft so vieles weg.“ In seinem Betrieb sei es aber nicht nur der ethische Aspekt, der ihn zum bewussten Haushalten bewegt: „Es geht natürlich immer auch um Wirtschaftlichkeit.“ Die Forelle kann wie das St. Hubertus von Norbert Niederkofler auf einen denkbar geringen Wareneinsatz verweisen, „rund zwanzig Prozent“ – trotz prachtvollem Wildfang aus dem See, trotz Gemüseraritäten oder Bioschafrohmilchtopfen.
Norbert Niederkofler ist Initiator der Talk-Reihe Care’s – The ethical Chef Days, die Anfang des Jahres in Alta Badia stattgefunden hat. Hauptthema war heuer auch hier Food Waste – und was Buffets auf Kreuzfahrtschiffen, Lokale mit nur einem Menü sowie „No Shows“, also nicht eingehaltene Reservierungen, damit zu tun haben. Auf dem Podium kamen Köche wie Maksut Askar vom Neolokal in Istanbul, Paul Ivic vom Wiener Tian oder Matt Orlando vom Amass in Kopenhagen zu Wort. Maksut Askar etwa erzählte von der ökologischen Bilanz seines Lokals. Bei ihm falle so wenig Biomüll an, dass daraus pro Jahr nur Kompost für einen Quadratmeter Erde werde, dreißig Zentimeter tief. Und er gab zu bedenken, wie wichtig es für Gastronomen sei, auch einmal zu sagen: „Tut mir leid, das Gericht ist aus. Wir haben alle Portionen verkauft, vielleicht möchten Sie etwas anderes probieren?“ Nur so könne man vermeiden, zu viel vorzubereiten, und es aus Frischeansprüchen entsorgen zu müssen. Und, ans Publikum gewandt, fragte er: „Würden Sie als Gäste das akzeptieren? Wären Sie bereit für eine solche Art der Gastronomie?“ Matt Orlando vom Amass indes hat in seiner Küche das Wort „Abfall“ verboten. Eines seiner Vorzeigegerichte besteht aus geschmortem Kürbisfleisch, Bröseln aus den „Eingeweiden“ des Kürbisses und seiner schwarz fermentierten Schale, die ähnlich wie mexikanische Mole schmeckt. Leaf to Root vulgo Root to Stalk par excellence. „Es braucht ein Jahr, um dieses Gericht zu machen. Aber es wurde alles verwendet. So muss die Denkweise in Küchen heute aussehen. Das Filet als Zentrum eines Gerichts ist passé.“ Das Amass arbeitet mit einem Projekt aus San Francisco zusammen, ZeroFoodprint, das Restaurants dabei hilft, ihren ökologischen Fußabdruck möglichst gegen null zu bewegen. Jedes Jahr bekomme sein Lokal eine Analyse von Wasserverbrauch und Kohlenstoffemission, die natürlich auch die verwendeten Produkte miteinbezieht, erzählt Matt Orlando. „Wir verbessern uns jedes Jahr.“ Eine spezielle Versuchsküche, die demnächst eröffnen soll, wird sich den Nebenprodukten aus der eigenen Küche widmen.
Auf der Care’s-Bühne kam auch der Ire James P. McMahon, der in Galway City mehrere Lokale führt, zu Wort. Er steckt hinter dem Symposium Food On The Edge (22., 23. Oktober 2018), wo Food Waste seit Beginn an ein wichtiges Thema ist. Und forderte einerseits die Politik auf, die Gesetzeslage rund um das Mindesthaltbarkeitsdatum zu überarbeiten und gegen Billigaktionen im Handel einzuschreiten. „Man kauft ,Zahl zwei, nimm drei‘, auch wenn man das dritte gar nicht verwendet.“ McMahon erzählte aber auch von der Diskrepanz zwischen der Arbeit in seinem Restaurant und seinem Konsumverhalten zuhause. „Im Restaurant machen wir alles richtig, wir kaufen von kleinen Produzenten, machen Nose to Tail, fermentieren und so weiter. Wenn ich oder meine Frau aber für die Familie einkaufen und kochen, geht das aus Zeitgründen alles nicht. Dann gehen wir in den Supermarkt, kaufen zu unüberlegt. Das hat mich sehr beschäftigt. Meine Lösung ist nun: zumindest deutlich weniger einzukaufen, mit weniger Verpackungsmüll, und im Zweifelsfall zu teureren, besseren Produkten zu greifen. Und das kann jeder Einzelne. Wir müssen langfristig dorthin kommen, weniger Nahrungsmittel zu produzieren.“
Eine Lösung für die heimische Gastronomie könnte das junge Wiener Label Unverschwendet haben. Das Geschwisterpaar Cornelia und Andreas Diesenreiter hat das Unternehmen 2016 dank Crowdfunding gegründet, sein Kapital sind landwirtschaftliche Überschüsse, die so frisch sind, dass sie noch nicht einmal auf den Markt gelangt sind. Und es geht nicht nur um Misfits, also etwa zweibeinige Karotten. Sondern auch um perfekte Biozucchini, die einem Konzern einen Zentimeter zu kurz sind, um sie einzeln verkaufen zu können. Paradeiser, deren Abnahme eine Kette dem Bauern verweigert, weil sie zu rot sind. „Konsumenten kaufen lieber etwas blassere, weil sie glauben, die halten dann länger“, erzählt die gelernte Köchin Cornelia Diesenreiter, die durch ein Boku-Leistungsstipendium in England ihren Master in nachhaltigem Produktdesign gemacht hat. Auch sie weiß: In England ist man in Sachen Food Waste viel weiter als anderswo. Unverschwendet holt Gemüse, das von Handelsketten aus teils absurden Gründen abgelehnt wurde, direkt von den Bauern ab und verarbeitet es zu Chutneys und Ähnlichem. Man fungiert aber auch als Drehscheibe und vermittelt dieses Gemüse an Lokale und Caterings. Supermärkte dürfen den Produzenten 24 Stunden vor der Lieferung absagen, sagt Cornelia Diesenreiter. Über Nacht werden somit große Mengen an frischester, gewaschener und sortierter Ware nutzlos. „Man spricht immer nur von den Lebensmitteln, die im Supermarkt übrig bleiben oder von Konsumenten zuhause weggeworfen werden. Aber es gibt auch eine Stufe davor.“ Auch dieses frischeste aller Gemüse zählt zu den dreißig Prozent Food Waste, die weltweit anfallen.
Anthony Bourdain hielt anfangs übrigens nichts von der Idee zum Film Wasted!: „Als ich ein junger Koch war, wurde ich – old school – ohnehin so geprägt: Verwende alles, verschwende nichts.“ Aber dann besann er sich einer Tatsache, die zu verändern er mit dem Film womöglich imstande sein würde: „In den USA werden sogar vierzig Prozent der Lebensmittelproduktion ungenützt entsorgt.“ Vierzig Prozent Food Waste.